Ein sakrales Kleinod aus Zarrentin

Fund des Monats August 2007

Ein besonders schöner Einzelfund aus dem Kloster ist diese aus einem Tierknochen gefertigte KleinplastikDetails anzeigen
Ein besonders schöner Einzelfund aus dem Kloster ist diese aus einem Tierknochen gefertigte Kleinplastik

Ein besonders schöner Einzelfund aus dem Kloster ist diese aus einem Tierknochen gefertigte Kleinplastik

Ein besonders schöner Einzelfund aus dem Kloster ist diese aus einem Tierknochen gefertigte Kleinplastik

Im Mittelalter – bis in das 14. Jahrhundert hinein – erlebte die Elfenbeinschnitzerei ihre Blütezeit durch die Anfertigung von kostbaren Luxus- und Sakralgegenständen. Aus dieser Zeit stammt die filigran geschnitzte Figur mit Resten einer polychromen Farbfassung aus dem am Schaalsee (Westmecklenburg) gelegenen Zisterzienserinnenkloster Zarrentin. Nach erster Einschätzung schien sie aus Elfenbein zu bestehen. Eine genaue Begutachtung hat jedoch ergeben, dass die Figur aus einem Tierknochen hergestellt wurde.

Die männliche Figur wirkt in der Frontalansicht vollplastisch, rückseitig ist sie abgeflacht. Offenbar hat der Hersteller als Rohmaterial bewusst einen längs zersägten Knochen verwendet. Beidseits des rückwärtigen Markkanals sind feine Sägespuren zu erkennen. Offensichtlich war nur die Vorderseite der Figur als Schauseite gedacht. Die von der Schuhspitze bis zum Scheitel 8,7 cm hohe Figur steht auf einem runden, durch zwei horizontale Rillen dreigeteilten und insgesamt 1 cm hohen Sockel.

Die senkrecht frei stehende Gestalt ist von bezaubernder Anmut mit sanftmütig lächelndem Gesichtsausdruck. Das weiche rundliche Gesicht umrahmt seitlich halblanges, gewelltes und oben glatt in die Stirn gekämmtes Haar. Die Figur trägt ein bodenlanges Kleid, das mit einem Gürtel oder Band in der Taille gebunden ist, und einen weiten, auf der Brust zusammengehaltenen und mit der rechten Hand gerafften, knöchellangen Überwurf. Vom Schuhwerk sind nur die unter dem Kleid herausschauenden Spitzen sichtbar.

Die stereomikroskopische Prüfung der an mehreren Stellen in kleinsten Resten erhaltenen Farbspuren ergab, dass der Überwurf eine rote Innenseite und eine blaue Außenseite hatte. Letztere ist mit goldenen Blütenkelchornamenten (Blattgoldauflage) verziert. Eine zweifelsfreie floristische Ansprache ist nicht möglich, wahrscheinlich handelt es sich um Glockenblumen. Vergoldet sind auch der Saum des Überwurfs und die Haare. Das Gesicht weist Reste von Lippenrot, Wangenrouge und rote Lidränder auf. Die Schuhe waren vermutlich ebenfalls ehemals Rot bemalt.

Mit großer Wahrscheinlichkeit zeigt die Zarrentiner Kleinplastik den Apostel Johannes, also jenen treuen Jünger Christi, der zusammen mit Maria als Assistenzfigur in der Kreuzigungsszene erscheint. Beste stilistische Parallelen findet man im Codex Manesse, der bedeutenden und reich illustrierten Heidelberger Liederhandschrift aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.

Dr. Frank Nikulka

Fund des Monats August 2007

Ein sakrales Kleinod aus Zarrentin