Goldschmiedekunst in Perfektion: Der Goldberlock aus Netzeband

Fund des Monats Dezember 2007

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Der Goldberlock von Netzeband

Der Goldberlock von Netzeband

Der Goldberlock von Netzeband

Der Fundplatz 11 in der Gemarkung Netzeband im Landkreis Ostvorpommern war schon seit 1985 bekannt und hatte während dieser Zeit außer neolithischen und bronzezeitlichen Siedlungsfunden auch Hinweise auf ein kaiserzeitliches Brandgräberfeld erbracht. Letzteres war ein Grund dafür, dass dieser Bereich regelmäßig durch den ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger Karl Rausch aus Wusterhusen aufgesucht und kontrolliert wurde. Als er im September 2007 wieder einmal vor Ort war, fand er mehrere frühkaiserzeitliche Fibeln, eine Bronzeschnalle und einen fast vollständigen, gut erhaltenen Goldberlock, der durch das letzte Pflügen zutage gefördert worden war.

Das Schmuckstück hat einen umgekehrt birnenförmigen Körper mit leichtem Schulterknick und oberständiger Öse. Nur der untere Abschluss, der ehemals aus einem Spiraldrahtkranz mit anschließender Abschlussgranulation bestanden haben dürfte, ist nicht überliefert. Sowohl das Ober- als auch das Unterteil des Anhängers sind flächig mit gedrehten Golddrahtpaaren belegt. Dabei liegen stets zwei gegenläufig gedrehte Paare nebeneinander, wodurch der Eindruck eines Flechtbandes entsteht. Glatte Golddrähte sind als Begrenzung der Flechtbandzier sowie am Schulterknick aufgelötet. Den oberen Abschluss bildet eine zylindrische Halspartie mit senkrecht stehender Öse, auf die zwei randliche Drahtspiralen und ein glatter Draht befestigt sind. Das Fundstück besteht aus 14-karätigem Weißgold, ist 2,16 cm hoch und 2,76 g schwer. Der größte Durchmesser beträgt 1,2 cm.

Aufgrund seiner birnenförmigen Gestalt und des Schulterknicks ist der Netzebander Fund den Goldberlocken vom Typ III nach A. von Müller zuzuordnen. Diese sind besonders häufig von den dänischen Inseln, insbesondere Bornholm, und aus dem östlichen Jütland belegt. Weitere Fundkonzentrationen liegen im südlichen Norwegen beiderseits des Oslofjords, auf der schwedischen Insel Öland und im Weichselmündungsgebiet. Ihr Vorkommen setzt um etwa 100 n. Chr. ein und reicht fast bis ans Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr.

Mit dem Netzebander Neufund sind aus Mecklenburg-Vorpommern nunmehr 24 Goldberlocken bekannt. Sie wurden teilweise in Westmecklenburg, vornehmlich aber im östlichen Landesteil, jenseits der Linie Hiddensee–Neubrandenburg, gefunden. Besonders viele Stücke sind für den Bereich unmittelbar südlich des Greifswalder Boddens belegt, wo im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte sechs Stücke geborgen wurden. Der Netzebander Bestattungsplatz liegt etwa im Zentrum dieser Fundkonzentration. Im gesamten Verbreitungsgebiet kommen Berlocken aus Edelmetall fast immer einzeln in Gräbern vor. Sie gelten als Bestandteil des weiblichen Trachtschmucks, der an einer Kette um den Hals getragen wurde, wie der Befund aus Wotenitz – hier war der Berlock auf eine aus Golddrähten geflochtene Halskette aufgezogen – deutlich zeigt. In einem anderen Wotenitzer Grab wurde der Berlock zusammen mit spiralig aufgerollten Golddrähten gefunden, die als Fadenbewehrung einer Halskette gedient haben dürften. In beiden Wotenitzer Gräbern lag neben dem Berlock ein S-förmiger Schließhaken aus Gold, wie dies auch aus anderen Gräber bekannt ist.

Die Herstellung der Goldberlocken erforderte ein hohes Maß an technologischem Know-how, denn nach der Formgebung mussten zunächst die Einzelteile des Gefäßkörpers zusammengelötet und anschließend die filigranen Zierelemente darauf befestigt werden. Dennoch gab es offenbar nicht nur ein Herstellungszentrum, sondern eine Vielzahl kleiner Werkstätten, die jeweils ein begrenztes Gebiet mit ihren Produkten versorgten. Dies lässt sich anhand der Verbreitung bestimmter Verzierungsmotive gut nachweisen. Das Gros der Werkstätten dürfte im südskandinavischen Raum gelegen haben, wo wohl auch das Netzebander Stück gefertigt wurde. Es lässt sich aufgrund seiner flächigen Flechtbandzier am Unterteil einer Sonderform zuweisen, von der nur etwa zehn Stücke bekannt sind. Da diese vornehmlich von Bornholm, Südnorwegen und den dänischen Inseln vorliegen, ist in diesem Gebiet auch seine Herkunft zu vermuten.

Dr. Jens-Peter Schmidt


Literatur

A. von Müller, Die birnen- und kugelförmigen Anhänger der älteren römischen Kaiserzeit. – Offa 15, 1956, 93–114.

A. Reinecke und K. Rausch, Brandgräber der frührömischen Kaiserzeit von Netzeband, Kreis Greifswald. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 36, 1988, 119–139.

J.-P. Schmidt, Ein Bestattungsplatz der älteren römischen Kaiserzeit mit vergoldetem Silberberlock aus Ostvorpommern. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 48, 2000, 129–148.

Fund des Monats Dezember 2007

Goldschmiedekunst in Perfektion: Der Goldberlock aus Netzeband