Ein langer Weg: Von Altentreptow nach Santiago de Compostela

Fund des Monats April 2012

Altentreptow, Pilgermuschel, VorderseiteDetails anzeigen
Altentreptow, Pilgermuschel, Vorderseite

Abb. 1: Altentreptow, Pilgermuschel, Vorderseite

Abb. 1: Altentreptow, Pilgermuschel, Vorderseite

Bei Ausgrabungen auf dem "Klosterberg" von Altentreptow (Lkr. Mecklenburgische Seenplatte) wurden nicht nur Reste der Kirche des ältesten, zwischen 1191 und 1203 gegründeten Frauenklosters Vorpommerns entdeckt, sondern auch die Fundamente einer am ehemaligen Klosterplatz errichteten Kapelle mit einem ausgedehnten Friedhof des 14./15. Jahrhunderts.

Im Bereich dieses Bestattungsplatzes fand man, sicherlich aus einem Grab verlagert, ein bemerkenswertes Pilgerzeichen: Das Bruchstück einer Jakobsmuschel mit feiner Durchlochung, um sie an einem Hut, am Gewand oder an der Tasche zu befestigen (Abb. 1-2).

Bei diesen Muscheln der im Atlantik und im Mittelmeer heimischen Familie der Pectinidae (Pecten maximus/Pecten jacobaeus) handelt es sich um Pilgerzeichen aus Santiago de Compostela (Nordwestspanien), dem für die Gläubigen Begräbnisort des heiligen Jakobus des Älteren und dem Endpunkt des berühmten, bis heute viel beschrittenen Pilgerweges.

Als Zeichen eines der wichtigsten Wallfahrtsziele der abendländischen Christenheit seit dem 11. Jahrhundert wurde die Jakobsmuschel zum bekanntesten Symbol des Pilgerwesens überhaupt. Man trug es mit Vorliebe am Hut und häufig folgte die Muschel dem Verstorbenen ins Grab – ein heilbringendes Zeichen für christliche Gesinnung und Ausweis der von Sünden reinigenden Wallfahrt auch nach dem Tod. Es mag sich darin die Vorstellung vom Tod als einer Reise – einer Pilgerfahrt – ins Himmelreich spiegeln.

In Mecklenburg und Vorpommern gibt es bereits etliche entsprechende Zeugnisse für diese hier zwischen dem 13. und frühen 16. Jahrhundert zu Wasser und zu Lande unternommenen Wallfahrt, so aus Rostock, Stralsund und Pasewalk; eine dieser Muscheln, jene aus Rostock, ist ebenfalls eine Grabbeigabe.

Die große Verehrung des Apostels in dieser Region belegen die Jakobskirchen aller bedeutenden Handelsstädte der Hansezeit. In der Kirche von Glewitz (Lkr. Vorpommern-Rügen) ist der heilige Jakobus mit mehreren Pilgermuscheln auf einem Wandgemälde des 14. Jahrhunderts zu sehen. Der neue Fund dürfte anzeigen, dass auch ein Bewohner von Altentreptow wohl im 14. Jahrhundert nach Spanien gepilgert ist.

Prof. Dr. Felix Biermann


Literatur

A. Haasis-Berner, Pilgerzeichen des Hochmittelalters. – Veröffentlichungen zur Volkskunde und Kulturgeschichte 94. Würzburg 2003.

K. Nagel, "… umme salicheit miner zele …" – Wallfahrten und Wallfahrtsdevotionalien in den Städten Mecklenburg-Vorpommerns. In: H. Jöns/F. Lüth/H. Schäfer (Hrsg.), Archäologie unter dem Straßenpflaster. 15 Jahre Stadtkernarchäologie in Mecklenburg-Vorpommern. – Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 39, S. 381–384. Schwerin 2005.

Fund des Monats April 2012

Ein langer Weg: Von Altentreptow nach Santiago de Compostela