Kulturgutaustausch: Funde vom slawischen Burgwall in Gützkow

Fund des Monats September 2013

Gützkow. Kämme aus Geweih und Knochen, Kammfutterale, Bernsteinperlen, Bruchstücke eines Fingerringes aus Glas sowie eines aus Bernstein mit breiter SchauplatteDetails anzeigen
Gützkow. Kämme aus Geweih und Knochen, Kammfutterale, Bernsteinperlen, Bruchstücke eines Fingerringes aus Glas sowie eines aus Bernstein mit breiter Schauplatte

Abb. 1: Gützkow. Kämme aus Geweih und Knochen, Kammfutterale, Bernsteinperlen, Bruchstücke eines Fingerringes aus Glas sowie eines aus Bernstein mit breiter Schauplatte

Abb. 1: Gützkow. Kämme aus Geweih und Knochen, Kammfutterale, Bernsteinperlen, Bruchstücke eines Fingerringes aus Glas sowie eines aus Bernstein mit breiter Schauplatte

In unmittelbarer Nähe der Altstadt von Gützkow (Lkr. Vorpommern-Greifswald) liegt ein mächtiger slawischer Burgwall, der auch in deutsch-rechtlicher Zeit genutzt und durch eine Steinburg überbaut wurde. Im Lichte historischer Überlieferungen fand er seine Bedeutung, als Bischof Otto von Bamberg auf seinem zweiten Pommernzug 1128 die slawische Burg aufsuchte und den Gützkower Tempel zerstörte. Der Standort des Heiligtums ist noch nicht geklärt. Es könnte in dem großen Suburbium gelegen haben, das durch stadtärchäologische Untersuchungen im Bereich der Altstadt ermittelt wurde.

Um den vor den Toren der Stadt gelegenen Mühlenteich zuschütten zu können, ließ die Stadt Gützkow im Jahre 1933 einen Teil des Burgwalles abtragen und dorthin verbringen. Es sollen dabei zahlreiche Funde gemacht worden sein, von denen die schönsten als Andenken mitgenommen wurden. Am Burgwall entstand ein 5–7 m hohes, allerdings nicht dokumentiertes Profil. An der Wallbasis wurden Gärten angelegt.

Karl August Wilde vom Seminar für Vor- und Frühgeschichte der Universität Greifswald unternahm 1935 begrenzte Ausgrabungen, in deren Verlauf er alte Bohlenwege und in Platzkontinuität fünf Blockhäuser übereinander erfasste. Es sind dies bisher die ersten Holzhäuser aus slawischer Zeit, die in Mecklenburg-Vorpommern nachgewiesen wurden. Bei den Ausgrabungen wurde ein umfangreiches Fundspektrum geborgen, zu dem leider keine Einzeldokumentationen vorliegen. K. A. Wilde publizierte seine Grabungsergebnisse mit einem Teil der Kleinfunde 1935 in den "Mitteilungen aus der Sammlung des Vorgeschichtlichen Seminars der Universität Greifswald" mit zahlreichen selbstgefertigten Zeichnungen. Die Vermutung, dass die Funde damals der Universitätssammlung zugeordnet wurden bestätigte sich allerdings nicht.

Im Rahmen eines Kulturgutaustausches mit dem Nationalmuseum Stettin (Muzeum Narodowe Szczecin) gelangten zahlreiche Funde vom Gützkower Burgwall an das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (Landesarchäologie) und damit nach Schwerin. Hier ergab sich die Möglichkeit, eine Gesamtaufnahme des Materials vorzunehmen, wobei allerdings nicht alle der bei K. A. Wilde vorgestellten Funde nachgewiesen werden konnten. Der erstellte Fundkatalog umfasst 139 Positionen (ohne Keramik und Tierknochen). Die Lederabfälle und mehrere Holzfragmente wurden nur unter einer Nummer erfasst.

Zu den schönsten Funden des Ensembles gehören die Kämmen aus Geweih und Knochen (Abb. 1). Dabei handelt es sich um reich verzierte Dreilagenkämme, deren Deckleisten mit phantasievollen Mustern dekoriert sind. Zu diesen Kämmen gehören auch Futterale, um die feinen Zähne bei Nichtbenutzung zu schützen. Abgesehen von den großen einteiligen Dreilagenkämmen gibt es kleinere mit zwei Zahnreihen in unterschiedlicher Feinheit. Ein herausragendes, weil sehr seltenes Stück ist ein zweizeiliger Kamm mit Kreisaugenzier, der aus einen Stück geschnitzt worden war und deshalb keine Deckleisten benötigte. Zeitlich nicht auf der slawischen Periode zu begrenzen sind die Steilkämme. Sie wurden aus Rinderknochen gesägt und lassen unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten offen.

Auch einige Holzfunde verdienen eine besondere Erwähnung. Dabei handelt es sich um einen um eine in einem Haus sekundär verbaute Wagenachse, zum anderen um einen mit Leder überzogenen Sattelbügel, zu dem wir bisher lediglich eine Parallele von der Insel Hanfwerder in der Lieps bei Neubrandenburg kennen.

Vielfältig sind die Eisenfunde, so Messer, eine Sense, ein Stahlrahmen zum Schärfen der Messer, einige Hufeisen und vor allem mehrere sogenannte Kugelstachelsporen mit geschwungenen Schenkeln, auch mit zugehörigen Schnallen.

Zum Schmuck gehören die in slawischen Burgen, Siedlungen und Gräbern häufigen bronzenen Schläfenringe (hier ein massiver aus Silber) und die Fingerringe mit Kreuz-, Punkt- und Zickzackverzierung. Bemerkenswert ist ein Fingerring aus Bernstein mit breiter Schauplatte, die eventuell einst noch einen Aufsatz trug (Abb. 1).

Zum Handwerk in slawischer Zeit gehörte unbedingt das Spinnen. Hiervon zeugen zwei seltene hölzerne Spindeln und etliche Spinnwirtel. Außer den üblichen doppelkonischen Formen aus Ton kommen auch verzierte aus Sandstein vor (Abb. 2). Diese dürften älter sein und wurden wohl wegen der Zweckform erneut benutzt. Bodendenkmalpfleger in slawischer Zeit?

Die Funde werden heute in der Universität Greifswald und im Landesamt für Kultur und Denkmalpflege (Landesarchäologie) in Schwerin verwahrt. Vereint sind sie in dem oben genannten Katalog, der ebenso wie ein Beitrag über den Burgwall von Gützkow im Spiegel seiner Kleinfunde demnächst im Band 20 der "Archäologischen Berichte aus Mecklenburg und Vorpommern" erscheinen wird.

Dr. Ulrich Schoknecht

Fund des Monats September 2013

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