Fingerabdrücke des "Kalten Krieges"… ein Laserscan aus dem Abtshäger Forst, Lkr. Vorpommern-Rügen

Fund des Monats Oktober 2015

Auf dem Laserscan des Landesvermessungsamtes ist deutlich eine kreisförmige Struktur von ca. 300 m Durchmesser erkennbarDetails anzeigen
Auf dem Laserscan des Landesvermessungsamtes ist deutlich eine kreisförmige Struktur von ca. 300 m Durchmesser erkennbar

Auf dem Laserscan des Landesvermessungsamtes ist deutlich eine kreisförmige Struktur von ca. 300 m Durchmesser erkennbar

Auf dem Laserscan des Landesvermessungsamtes ist deutlich eine kreisförmige Struktur von ca. 300 m Durchmesser erkennbar

Die Möglichkeit, durch Airborne-Laserscanning großflächige Reliefstrukturen in der Landschaft zu identifizieren, wird natürlich auch für die Erfassung von Bodendenkmalen durch die Landesarchäologie genutzt. Denn oft bietet das Messbild genauere Ansichten, als dies vom Boden aus durch "Augensuche" möglich ist. Burganlagen, Schanzen, Grabhügel, Großsteingräber, Wölbäcker oder "Celtic fields", d.h. vorgeschichtliche Ackerfluren, lassen sich auf diese Weise sehr gut erfassen. Dies gilt auch für Wüstungen oder alte Wegeführungen.

Doch auf den Kartenbildern treten darüber hinaus Strukturen auf, die sich dem Archäologen nicht ohne weiteres erschliessen, im vorliegenden Fall die Spuren der jüngsten Geschichte. Üblicherweise lässt sich durch einen Vergleich von Karten und Luftbildern unterschiedlicher Zeitstellung sehr gut nachvollziehen, wie sich die Bebauung und Nutzung einer Landschaft entwickelt hat. Doch gibt es Baulichkeiten und Objekte, die wegen ihrer besonderen militärischen Bedeutung der Geheimhaltung unterlagen und von denen sich folglich in manchen Karten keine Spur findet. In gewisser Weise sind sie Phantome, denn sie waren zweifelsohne vorhanden, sollten aber nicht öffentlich werden und blieben deshalb in kartographischen Darstellungen "unsichtbar". Ein Beispiel ist der fast 4 km messende "Koloss von Prora", das berühmte KdF-Seebad aus der Zeit des Nationalsozialismus. Während es auf den Karten der späten 1930er Jahre als vollendetes Bauwerk verzeichnet wurde, strich man es wegen seiner militärischen Bedeutung als Stationierungs- und Ausbildungsort in der DDR aus den Kartenwerken.

Seit einiger Zeit stellt das Landesamt für innere Verwaltung Mecklenburg-Vorpommern auch Laserscans auf seiner öffentlichen Website (www.geoportal-mv.de) zur Verfügung. In einem Luftbild, das eine Waldfläche östlich des Ortes Abtshagen zeigt, fiel eine großflächige, kreisförmige, in kleine, wallartige Objekte aufgliederte Struktur ins Auge (Abb. 1). Der Durchmesser beträgt fast 300 m. Äußerlich verbindet ein flacher Wall kreisförmig insgesamt fünf kleinere, umwallte Bereiche. Versetzt zum äußeren Ring gibt es einen zweiten Ring kreisförmig angeordneter Rundwälle in der Mitte. Diese Wälle sind mit dem äußeren Ring durch kurze Wälle verbunden und schließen eine etwas erhöhte, unregelmäßige Struktur in der Mitte ein. Doch bei dem Erdhügel handelt es sich nicht um ein vorgeschichtliches Denkmal. Nach anfänglich ergebnisloser Suche im Internet bekamen die verschiedenen Ideen und Hinweise schnell eine konkrete Richtung: es handelt sich um die Stellung einer Flak-Raketen-Batterie.

In der Nachkriegszeit übernahm die Volksarmee der DDR im Rahmen des Warschauer Paktes u. a. die Luftsicherung der Ostseeküste inklusive wirtschaftlicher Knotenpunkte und militärischer Einrichtungen. In den 1960er Jahren wurde dazu ein defensives Luftsicherungssystems im Norden der DDR aufgebaut, dessen Koordinationszentrum bei Sanitz (östlich von Rostock) lag. Bereits in dieser Zeit war eine Brigade bei Abtshagen südlich von Stralsund stationiert. Doch die vorliegende Struktur gehört offenbar erst in die Spätphase der Luftabwehr, denn Größe und Art deuten auf ein komplexes Waffensystem der 1980er Jahre hin. Offenbar handelt es sich um eine Stellung des damals hochmodernen Raketensystem F 75, das die die Sowjetunion der DDR zur Verfügung gestellt hatte. Eine schematisierte Gefechtsstanddarstellung dieses Systems zeigt deutlich die gleiche Struktur wie das Abtshäger Objekt (Abb. 2). Außen liegen technische Einrichtungen zur Bereitstellung der Raketen und Stromgeneratoren, in den sechs Innenkreisen stehen die eigentlichen Raketenbasen und in der Mitte befindet sich die Kommandozentrale mit Radaranlage. Das System dürfte bei Bedarf aus umliegenden Depots mit Technik und Waffen bestückt worden sein. Nach der politischen Wende von 1989 erhielt die Sowjetunion das Waffensystem zurück, aber mit den Erdstrukturen verblieb quasi ein "Fingerabdruck der Geschichte" im Gelände.

Dr. C. Michael Schirren

Fund des Monats Oktober 2015

Fingerabdrücke des „Kalten Krieges“… ein Laserscan aus dem Abtshäger Forst, Lkr. Vorpommern-Rügen