Ein kleines Vermögen: Der Schatzfund von Tessin aus dem dreißigjährigen Krieg

Fund des Monats September 2016

Eine Auswahl der Muenzen im Fundzustand.Details anzeigen
Eine Auswahl der Muenzen im Fundzustand.

Eine Auswahl der Muenzen im Fundzustand.

Eine Auswahl der Muenzen im Fundzustand.

Im September 2015 entdeckte der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Jörg Dammann östlich der Ortswüstung Ober-Tessin auf einer Fläche von ca. 20 x 25 m 94 Münzen. Offensichtlich hatte der Pflug die Münzen über die Fläche verteilt und ein ursprünglich sicher vorhandenes Aufbewahrungsbehältnis (eventuell Krug oder Lederbeutel) zerstört.

Bei den Münzen handelt es sich fast ausschließlich um Kleinsilbermünzen, also Geld des täglichen Bedarfs. Ob alle Münzen zum Schatzfund gehören, ist fraglich, denn drei Münzen weichen in ihrer Zeitstellung deutlich vom Rest des Fundes ab: Ein schlecht erhaltener Sundischer Schilling von Stralsund von 1538 und ein stark umgelaufener halber Schilling aus den 1550er Jahren aus Lübeck (die Jahreszahl ist bei diesem Stück nicht mehr erkennbar) sind deutlich älter, die einzig enthaltene kupferne Münze, ein stark korrodiertes 3 Pfennig Stück von Wismar 1735 (?), deutlich jünger.

Im Übrigen ergibt sich ein sehr homogenes Bild des Fundes, d.h. viele Münzen und wenige Typen. Die ältesten Stücke sind drei dänische Zwei-Skilling Stücke von 1604 und die jüngsten vier undatierte Ein-Schilling Münzen der Stadt Rostock. Diese Stücke wurden vom Münzmeister Hans Detloff (Münzmeisterzeichen "HD") von 1626 an geschlagen. Hans Detloff verließ Rostock im Laufe des Jahres 1629 mit unbekanntem Ziel, so dass wir als Niederlegungsdatum des Schatzes frühestens 1629 annehmen dürfen. Wahrscheinlicher ist eher das Jahr 1630.

Gehen wir in die Chronologie des 30-jährigen Krieges, so erfahren wir, dass der schwedische König Gustav Adolf in diesem Jahr in Pommern landete und sich gegen die vom Truppenabzug geschwächte kaiserliche Macht stellte. Und wir finden, dass die Kurfürsten Wallensteins Entlassung erzwungen hatten. Also eine Zeit, welche für unser Land sehr viel Unruhe brachte.

Alle Münzen stammen aus dem nordischen Raum und waren in Mecklenburg übliches Zahlungsmittel. Enthalten sind 47 Mecklenburger Münzen (51,6 %), 23 dänische Münzen (25,3 %), 8 Rostocker (8,8 %), 7 Lübecker Münzen (7,7 %) und 6 Münzen der Hansestadt Wismar (6,6 %). Interessant ist der hohe Anteil königlich-dänischer Münzen. Nach M. Kunzel wurden diese Münzen der hier in Mecklenburg herrschenden Nominalstruktur angepasst. Die gefundenen 4-Skilling-Stücke wurden als Mecklenburger Doppelschillinge und die 2-Skilling-Münzen wie mecklenburger Schillinge gewertet.

Auffällig ist der sehr gute Erhaltungszustand der Münzen. Fast alle Stücke zeigen keine oder sehr geringe Umlaufspuren. Des Weiteren fällt auf, dass es innerhalb der gleichen Münztypen gravierende Gewichtsunterschiede (teilweise > 20 %) gibt. Ursache war die damalige Prägetechnik (al-marco-Prägung). Das soll exemplarisch an den Mecklenburger Münzen erläutert werden. Grundlage der hier besprochenen Münzen war die dritte Reichsmünzordnung von 1559. Für Mecklenburg war darin festgelegt, dass der Reichstaler einem Gegenwert von 27 Schillingen und 6 Pfennigen entsprach. Am 6. Mai 1571 wurde der Reichstaler auf 32 Schillinge aufgewertet. Seit diesem Datum tragen Mecklenburger, Rostocker und auch Wismarer Taler die "32" im Reichsapfel.

Ab 1567 wurden dann in Mecklenburg 8 Taler aus einer kölnischen Mark geschlagen. Diese Gewichtsmark entsprach 233,856 Gramm Silber. Der Münzfuß legte fest, dass der Taler ein Rauhgewicht von 30,67 Gramm bei einem Feingehalt von 26,84 Gramm haben sollte. Für unsere Schillinge war die Zahl mit 128 Stück auf eine Mark festgelegt worden. Das entsprach einem Rauhgewicht von 1,83 Gramm bei einem Feingehalt von 0,74 Gramm. Somit enthalten die Schillinge nur noch 40,6 % Feinsilber.

Die hier vorgestellten Schillinge wurden geschlagen, als die sogenannte Kipper- und Wipper-Zeit in Mecklenburg ihren Höhepunkt erreichte. Der Wert (Silbergehalt) von Kleinmünzen nahm massiv ab und nur die Großsilbermünzen wie Taler behielten ihr Gewicht und ihren Feingehalt. Ablesbar ist das auch an der weiteren Aufwertung des Talers in Mecklenburg auf nunmehr 48 Schillinge, die am 18.7.1622 erfolgte.

Wie ist nun der große Gewichtsunterschied gleicher Münztypen zu erklären? Die jeweiligen Münzherren, in unserem Fall die Mecklenburger Herzöge, mußten auf den in unregelmäßigen Abständen stattfindenden Münztagen "ihre" Münzen prüfen lassen. Hier wurde aber nicht der einzelne Taler oder Schilling geprüft, sondern die im entsprechenden Münzfuß festgelegte Anzahl von Münzen sollte die geforderte Silbermenge enthalten. In unserem Fall sollten also 128 Schillinge 94,72 Gramm Feinsilber enthalten (al-marco im Gegensatz zur al pezzo-Prägung, bei der das exakte Gewicht pro Stück zählt). Durch die Herstellung der Münzschrötlinge aus der Zaine per Hand kam es zwangsläufig zu Abweichungen zwischen den einzelnen Münzen. Diesen Umstand machten sich findige Geschäftsleute in den Jahren von 1618 bis 1623 zu nutze. Mittels einer einfachen Waage ("Wippe") verglich man die einzelnen Münzen gleichen Typs unter einander. Übergewichtige Stücke drückten den Balken der Waage nach unten, wurden also "abgekippt". Diese Münzen wurden aussortiert und wieder eingeschmolzen, die untergewichtigen Stücke flossen in den Geldumlauf zurück. Eine Möglichkeit der Bereicherung in der damaligen Zeit.

In diesen Zeiten war kaum jemand bereit, das in Massen vorhandene minderwertige Kleingeld gegen grobe Sorten aufzuwechseln, außer mit einem erheblichen Aufgeld. Der hier vorgestellte Münzfund wurde erfreulicherweise nicht "gewippt" und gibt somit das breite Gewichtsspektrum einzelner Münzsorten wieder.

Die hier besprochenen Münzen weisen insgesamt ein Gewicht von ca. 100 Gramm Silber bei einem durchschnittlichen Feingehalt von ca. 40 % auf. Das entspricht so ziemlich genau dem Feinsilbergehalt von 1 ½ Talern. Für die damalige Zeit, in der Hunger auf der Tagesordnung stand, ein kleines Vermögen. Bekam man doch für einen Taler, der nach "altem Schrot und Korn" geschlagen worden war, im Jahre 1629 in Mecklenburg 25 kg Rindfleisch oder 45 kg Brot oder 300 Eier. Bei der inzwischen erfolgten vollständigen Bergung des Münzschatzes sind weitere 172 Münzen zu Tage gekommen. Ihre Auswertung läuft noch – Fortsetzung folgt…

Andreas Kahl


Literatur

Heinrich Behrens: Münzen und Medaillen der Stadt und des Bisthums Lübeck. Berlin 1905.

Jan Bendix: SIEGs Møntkatalog Norden 2014. Danmark 1241-2013, Dansk Vestindien, Trankebar, Danske områder, Færøerne, Grønland, Island, Norge, Sverige, Finland. 2013.

Paul Bratring: Über das Münzwesen der Stadt Stralsund in neueren Zeiten. Berlin 1907.

Heinz Fengler, Gerhard Gierow, Willy Unger: Transpress Lexikon Numismatik. 3. Auflage, Berlin 1982.

Eduard Grimm: Münzen und Medaillen der Stadt Rostock. Berlin 1905.

Holger Hede: Danmarks og Norges mønter  1541 - 1814 – 1963. 3. Auflage, København  1978

Michael Kunzel: Das Münzwesen Mecklenburgs von 1492 bis 1872. Berlin 1994.

Michael Kunzel: Königlich-dänische und herzoglich-schleswig-holsteinische Münzen in mecklenburgischen Funden des 16. und 18. Jahrhunderts. Nordisk numismatisk årsskrift 1994, 148-164.

Michael Kunzel: Die Münzen der Hansestadt Wismar 1359 bis 1854. Münzgeschichte und Geprägekatalog. Wismar 1998

Michael Kunzel: Die Münzen der Hansestadt Rostock ca. 1492 bis 1864. Münzgeschichte und Geprägekatalog. Berlin 2004

Dietmar Pieper, Johannes Saltzwedel (Hrsg.): Der Dreißigjährige Krieg - Europa im Kampf um Glaube und Macht 1618-1648. München 2013.

Ausstellung: Der Schatzfund von Anklam

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