1158: Papst Hadrian IV. bestätigt das Bistum Ratzeburg

Archivalie des Monats Januar 2008

Zur ältesten Urkunde im mecklenburgischen Landesarchiv in Schwerin

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Abbildung der Urkunde

Abbildung der Urkunde

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"Meine Augen sehen stets auf den Herrn" (Psalm 24,15), lautete die Devise Papst Hadrians IV. (1154-1159). Wie immer, wenn er ein großes Privileg erteilte, stand dieser Wahlspruch auch diesmal in der Rota, dem runden Zeichen unter dem Text der Urkunde, mit der der oberste Kirchenfürst die Stiftung des Bistums Ratzeburg bestätigte. Und auch diesmal war es keine bloße Phrase, die nur der Form halber in den Ring um die Quadranten mit den Namen der Apostelfürsten und seinem eigenen eingetragen worden war. Immerhin handelte es sich hierbei um die Errichtung eines Bischofssitzes. Mit "dem Herrn" war deshalb nicht, oder besser gesagt: gerade nicht, der Kaiser gemeint, in dessen Reich das geschehen war, jener Friedrich I., Barbarossa (1152-1190), den Hadrian höchst ungern, nur als politisches Zugeständnis, im Juni 1155 in Rom gekrönt hatte, sondern ein noch über diesem stehender Herr, nämlich Gott. Barbarossa hatte versucht, südlich der Alpen, im engeren Einflussbereich des Papstes, vermeintliche Reichsrechte durchzusetzen. In seinem Bemühen, den kaiserlichen Bestrebungen Einhalt zu gebieten, sollte indes für Hadrian allein Gott Richtschnur und Beistand sein.

Rückblende: Barbarossa und der Papst

Geradezu wie ein Wink des Herrn wird dem Kirchenoberhaupt daher die Möglichkeit erschienen sein, nun umgekehrt in das Reich dieses ungebetenen Besuchers hinein agieren zu können. Und umso geneigter dürfte sich der Heilige Vater dem Wunsch seines "innig geliebten Sohnes", des Herzogs von Bayern und Sachsen, Heinrich, geöffnet haben, wie er in seinem Privileg schreibt, diesem seine Bistumsstiftung zu bestätigen. Denn dieser Herzog, der Welfe Heinrich der Löwe (1129/30-1195), hatte Friedrich Barbarossa 1154 auf dem Reichstag in Goslar bedeutende königliche Vorrechte abgetrotzt. Der Stauferkönig hatte ihm weit gehende Zugeständnisse machen müssen, um den Rücken bei seinem ersten Italien- und Romzug frei zu haben und zugleich den langwierigen Konflikt mit seinen welfischen Verwandten endlich beizulegen. So hatte Heinrich das Recht verbrieft bekommen, in den Gebieten jenseits der Elbe zur Ausweitung des christlichen Glaubens Bistümer und Kirchen zu errichten und diese nach freiem Ermessen mit Reichsgut auszustatten. Zudem durften der Herzog und seine Nachfolger fortan Bischöfe in die nordelbingischen Bistümer Oldenburg, Mecklenburg und Ratzeburg einsetzen.

Heinrich der Löwe stiftet das Bistum

Noch im gleichen Jahr hatte Heinrich daraufhin von seinen neuen Privilegien Gebrauch gemacht und das 1066 von den Slawen zerstörte Bistum Ratzeburg neu gegründet. Mit 300 Hufen Land in der Sadelbande und im Polabenland war es von ihm ausgestattet worden. Zum Bischof hatte er den Propst des Magdeburger Prämonstratenserklosters "Unser lieben Frauen" Evermod (1154-1178) bestimmt, einen der treuesten Schüler des Ordensgründers Norbert von Xanten (†1134). Evermod selbst hatte für die Prämonstratenser zuvor bereits vier neue Klöster in Havelberg, Jerichow, Quedlinburg und Pöhlde ins Leben gerufen. Gerade deshalb wird die Wahl des Herzogs auf ihn gefallen sein und, weil er dabei auch reiche Erfahrungen in der Mission der Slawenstämme östlich der mittleren Elbe gesammelt hatte.

Bestätigung durch den Papst

Hierin dürfte zugleich ein weiterer Grund dafür zu sehen sein, warum der Papst die Bitte Heinrichs des Löwen so wohlwollend aufnahm. Bevor Nicholas Breakspeare, der erste und bis heute einzige englische Papst, als Hadrian IV. auf dem Heiligen Stuhl Platz nahm, hatte er nämlich selbst für den Aufbau einer besseren Kirchenstruktur in Nordeuropa gesorgt. Damals noch Kardinal von Ostia hatte er die norwegische Kirche organisiert und die schwedische reformiert. Die Stadt Drontheim war 1153 von ihm zum Sitz eines Erzbischofs für Norwegen ausgebaut worden. Hadrian wusste folglich genau, wovon er schrieb und was für eine schwierige Aufgabe da trotz aller herzoglichen und päpstlichen Förderung auf seinen neuen Amtsbruder, den Ratzeburger Bischof Evermod, zukam. Wohl auch deshalb nahm der Bischof von Rom das Ratzeburger Domstift und dessen Besitzungen so willens in seinen Schutz:

Gottgefälligen Wünschen müssen wir bereitwillig Zustimmung schenken, damit die fromme Ehrbezeigung sowohl rasche Erwiderung erfährt als auch alle Kräfte ohne Zweifel in sich vereint, sobald ihr vom apostolischen Stuhl durch die vorausgehende Barmherzigkeit das Einvernehmen zuteil wird

, ließ er die Empfänger seiner Urkunde im geschraubten Stil der Kurie wissen. Aus dem gleichen Grund heraus bestätigte er den Domherren ihre von Anfang an geübte Gewohnheit, ihre Lebensweise nach der gestrengen Augustinerregel auszurichten, sowie das wichtige Recht, den Bischof selbst zu wählen. Dass er hierbei das Investiturrecht des Herzogs geflissentlich überging, das diesem soeben vom König übertragen worden war, geschah gewiss nicht zufällig. Hatte sich doch einst genau an diesem Punkt die schwerwiegende Auseinandersetzung zwischen Kaisertum und Papsttum um die Vorherrschaft in der christlichen Welt entzündet, die erst zwei Jahrzehnte zuvor mühsam beigelegt worden war. Nicht vom Herzog oder einer anderen weltlichen Macht bedrängt, sondern vom Heiligen Geist inspiriert, sollten die Ratzeburger Stiftsherrn ihre Wahl treffen können. Auch hierbei blieb Hadrians Blick demnach auf den Herrn und seine Kirche gerichtet. Soweit ging die Liebe zu seinem "Sohn" Heinrich denn doch nicht. Den Löwen konnte er auf diese Weise allerdings nicht davon abbringen, in Ratzeburg Bischöfe nach eigenem Gutdünken einzusetzen. Anders als in Oldenburg und Mecklenburg hatte der mächtige Sachsenherzog hier freie Hand. Was Rom über die Einsetzung von Bischöfen in “seinem” Bistum vorschrieb, dürfte ihn kaum geschert haben. Ihm wird vor allem daran gelegen gewesen sein, dass sein Stiftungswerk endlich vom Oberhirten der Christenheit anerkannt und durch ein feierliches Privileg abgesichert wurde. Denn um ein solches handelte es sich, wie die Rota, das Monogramm, die große Datierung und die Unterschriften der Kardinäle erweisen. Während Hadrian in der Mitte, zwischen der Rota und dem als Monogramm gestalteten Schlusswunsch, unterschrieben hatte, waren die Kardinalsunterschriften säuberlich nach ihrem Rang getrennt: In der Mitte, direkt unter dem Papst, hatte der Kardinalbischof von Sabina unterzeichnet, in der linken Spalte die Kardinalpriester und in der rechten die Kardinaldiakone. Jeder von Ihnen hatte mit eigener Hand sein Kreuz gemacht und dahinter unterschrieben. Zur sichtbaren Bekräftigung hatte man an die Plica, die breite Falte am unteren Ende, die Bulle, das päpstliche Siegel aus Blei mit den Abbildern und den Namen der Apostel Petrus und Paulus, an Seidenfäden angehängt. Für einen Moment war Ratzeburg so nicht allein Gegenstand der nordalpinen Reichspolitik wie schon 1154, sondern genoss auch Aufmerksamkeit weit darüber hinaus.

Wolfgang Eric Wagner


Übersetzung der Urkunde

1158 Januar 21, Rom
Papst Hadrian IV. bestätigt das Bistum Ratzeburg und nimmt dessen Besitzungen in seinen Schutz

Hadrian, Bischof, Diener der Diener Gottes, dem ehrwürdigen Bruder, Bischof Evermod, und den geliebten Söhnen, den Stiftsherren der Ratzeburger Kirche, sowohl den gegenwärtigen als auch denen, die zukünftig nach kirchlichem Recht an diese Stelle zu setzen sind, in Ewigkeit.

Gottgefälligen Wünschen müssen wir bereitwillig Zustimmung schenken, damit die fromme Ehrbezeigung sowohl rasche Erwiderung erfährt als auch alle Kräfte ohne Zweifel in sich vereint, sobald ihr vom apostolischen Stuhl durch die vorausgehende Barmherzigkeit das Einvernehmen zuteil wird. Daher, geliebte Söhne im Herrn, stimmen wir, indem wir den Bitten unseres innig geliebten Sohnes Heinrich, des Herzogs von Bayern und Sachsen geneigt sind, auf dessen Grund die vorgenannte Kirche gestiftet ist, eurem Ersuchen umso lieber zu und nehmen die besagte Ratzeburger Kirche unter des Hl. Petrus und unseren Schutz und befestigen ihn mit vorliegender Urkunde, indem wir bestimmen, dass jegliche Besitzungen und alle Güter, die dieses Stift gegenwärtig rechtmäßig besitzt oder in Zukunft durch päpstliche Bestätigung, die Freigebigkeit von Königen und Fürsten, die Darbringung von Gläubigen oder auf andere rechtmäßige Weise durch Gottes Gnade erlangen kann, fest und unbeschränkt euch und euren Nachfolgern verbleiben sollen. Unter diesen Besitzungen führen wir folgende, die in Worten ausgedrückt werden sollen, auf:

Aus der Schenkung des edlen Herrn Heinrich, des Herzogs von Bayern und Sachsen, 300 bebaute und unbebaute Hufen Herrenlandes samt all‘ ihren Zubehörungen, die Mühle, die Sadelbande und das Polabenland vollständig, mit all‘ ihren Kirchen und deren Zehnten und den ihnen unterworfenen Völkern. Dazu hinzufügend legen wir fest, dass die Lebensweise der Stiftsherren, die, Gott und der Regel des Hl. Augustinus folgend und von den Brüdern der Prämonstratenser gewohnt, auch dort eingerichtet worden ist, auf ewige Zeiten in diesem Stift unverbrüchlich befolgt werden soll. Falls aber du als jetziger Bischof dieses Ortes oder irgendeiner deiner Nachfolger stirbt, soll keiner sich dort durch einen listigen Einfall oder gar mit Gewalt an die Spitze setzen, sondern es soll derjenige gewählt werden, den die Brüder des Ratzeburger Stifts mit Zustimmung der anderen Geistlichen, Gott und den Vorschriften der Hl. Väter folgend, vorsehen.

Wir verordnen also, dass es keinem Menschen erlaubt sein soll, das besagte Stift eigenmächtig in Unordnung zu bringen oder seine Besitzungen zu entfremden noch entfremdete zurück zu halten, zu schmälern oder mit irgendwelchen Belastungen zu überziehen. Vielmehr sollen sie alle euch und den anderen unversehrt erhalten bleiben, für deren Verwaltung und Unterhalt sie ja abgetreten wurden, mit allen künftigen Nutzungen, ohne die urkundlichen Bestimmungen des apostolischen Stuhls zu verletzen. Falls also in Zukunft eine geistliche oder weltliche Person es wagt, obwohl sie diese unsere urkundlichen Festlegungen kennt, gegen sie zu handeln, so soll sie, nach der dritten Ermahnung, sofern sie es nicht durch entsprechende Genugtuung wieder gutmacht, der Herrschaftsgewalt und der Ehre ihres Amtes enthoben sein und wegen der verübten Sünde als schuldig vor das göttliche Gericht tretend erkannt werden und vom geheiligten Leib und Blut Gottes und unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus fern gehalten werden und beim Jüngsten Gericht der Rache unterworfen sein. Allen aber, die das Stift in seinen Rechten bewahren, werde der Friede unseres Herrn Jesus Christus zuteil, damit sie auf diese Weise an der Frucht des guten Werkes Anteil haben und beim strengen Richter in den Genuss des ewigen Friedens kommen. Amen. Amen. Amen.

Rota Ich, Hadrian, Bischof der christlichen Kirche, habe unterzeichnet. Seid gesegnet!
Devise: † Meine Augen
sehen stets auf den
Herrn. (Ps. 24,15)

Gegeben in Rom, bei St. Peter, durch die Hand Rolands, Kardinalpriester und Kanzler der heiligen römischen Kirche, am 21. Januar, im sechsten Jahr der Indiktion, im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1157, im vierten Pontifikatsjahr aber des Papstes Hadrian IV.

[Übersetzung: Wolfgang Eric Wagner]

Archivalie des Monats Januar 2008

1158: Papst Hadrian IV. bestätigt das Bistum Ratzeburg