Das ehemalige Lehrerseminar in Franzburg - Etappen wechselvoller Nutzung

Denkmal des Monats Juni 2009

Franzburg, An der Promenade 1, ehemaliges LehrerseminarDetails anzeigen
Franzburg, An der Promenade 1, ehemaliges Lehrerseminar

Abb.1: Franzburg, An der Promenade 1, ehemaliges Lehrerseminar

Abb.1: Franzburg, An der Promenade 1, ehemaliges Lehrerseminar

Im Sommer 2008 zogen die letzten Gymnasiasten aus ihrer Schule in Franzburg aus. Im dünn besiedelten Vorpommern führt sie ihr jetziger Schulweg nach Barth oder Grimmen. Das historische Bauwerk, das infolge des Auszugs leer steht und seitens des Landkreises Nordvorpommern zum Verkauf angeboten wird, hat seit seiner Erbauung verschiedene Etappen der Nutzung erfahren (Abb. 1–2).

Als Ausbildungsstätte für Volksschullehrer – als so genanntes Lehrerseminar – wurde der dreiflügelige Backsteinbau von drei Geschossen in den Jahren 1871–1875 errichtet. Kulturpolitische Gründe führten dazu, dass der preußische Schulbau in einem Ort angesiedelt wurde, in dem bis dahin vor allem Handwerker und Bauern lebten. Der Komplex hebt sich von der kleinteiligen Parzellenstruktur der Stadt deutlich ab (Abb. 3). Abgesehen von der früheren Kloster- und heutigen Pfarrkirche, den erhalten gebliebenen Teilen des Schlosses und dem Rathaus gehört er zu den bestimmenden Bauten der idyllisch gelegenen Kleinstadt. Stilistisch steht das Bauwerk, das Anfang der 1990er Jahre saniert worden ist, in der Tradition der Berliner Bauschule.

Über die Einweihung berichtete die Stralsundische Zeitung am 6. März 1875 ihren Lesern mit erkennbarem Stolz in einem ausführlichen Artikel. Zu Aussehen und Funktionen des Bauwerks heißt es:

Hoch und hehr steht es da, die niedrigen Häuser der Stadt … majestätisch überragend, prächtig anzuschauen in seinem warmen Ziegeltone. Schön sind die Massen, bewältigt durch geschickte Gruppierung: lang hin erstreckt sich der Mittelbau, der die Unterrichtsräume und die Aula enthält, eingefaßt auf beiden Seiten durch vorliegende Flügel mit den Wohnungen der Lehrerfamilien … Das Gebäude enthält über 100 Räumlichkeiten, schöne Keller und Böden. Die seitlichen Eingänge zu den Lehrerwohnungen sind mit Veranden geziert, der Haupteingang durch ein schönes Portal, dessen Bogen von rohten Sandsteinsäulen getragen wird (Abb. 4).

Hervorzuheben sei zudem "die geräumige Küche mit ihrem appetitlichen Kochheerde und der Speisesaal in seinem pompejanisch rothen Gewande, in welchem es sich, wie wir bezeugen können, famos und gemüthlich speisen lässt".

Als 1825 im Gebiet des heutigen Vorpommerns die Schulpflicht eingeführt wurde, zog dies einen erhöhten Bedarf an Volksschullehrern nach sich. Bis dahin hatte lediglich die Hälfte aller Kinder regelmäßig am Schulunterricht teilgenommen. Die einzige Ausbildungsstätte für Lehrer in der Region befand sich in Greifswald. Sie wurde 1791 gegründet und war damit nach Stettin, heute Szczecin, die älteste Institution ihrer Art in Pommern. Eine Steigerung der Ausbildungskapazität an diesem Standort wurde jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in die Wege geleitet.

Preußische Bildungspolitiker und Beamte warnten vor dem vermeintlich schlechten Einfluss der Universitätsstadt. Dieser könne dazu führen, so die Befürchtung,

daß die jungen Leute bei einem dreijährigen Aufenthalte in Greifswald, in der Umgebung einer Universität und eines Gymnasii, leicht der ländlichen Einfalt und Sitte untreu werden …

Die Zöglinge des Lehrerseminars sollten stattdessen "einfach und unbefangen, wie der unverdorbene Landbewohner in der Furcht des Herrn … heranreifen". Aufgrund dieser kulturpolitischen Erwägungen wurde das beschauliche Franzburg zum Ort der Lehrerausbildung gewählt. Für die aus allen Teilen Vorpommerns stammenden Seminaristen wurde die neu errichtete Anlage, die abgesehen von einer Landwirtschaft zur eigenen Versorgung auch über einen Lehr- und Nutzgarten und eine eigene Turnhalle verfügte, über Jahre zum Lebensmittelpunkt.

In den 1920er Jahre endete die Ausbildung von Volksschullehrern in Franzburg. In der Weimarer Republik wurde die bis dahin dezentrale, vorrangig im ländlichen Raum angesiedelte Lehrerausbildung grundsätzlich verändert. Die Lehre wurde an zentralen Standorten Preußens konzentriert und für die Provinz Pommern eine pädagogische Akademie in Stettin eingerichtet. Der Komplex in Franzburg wurde nun als Schule mit integriertem Internat genutzt. 1937 beschreibt der Direktor der "Aufbauschule Franzburg" die vorrangig sozialreformerischen Aufgaben der Einrichtung:

Wir sammeln die Begabten aus den Volksschulen Vorpommerns, die bis zum 13. Lebensjahr keine Gelegenheit hatten, eine höhere Schule zu besuchen und führen sie in 6 Jahren zur voll anerkannten Reife … Die Behörden haben hier Gelegenheit, der geistigen Elite der Heimat den Weg zur Führung zu bahnen." Es sei die Aufbauschule, die für "die Heranbildung führender Geister aus den Söhnen der vorpommerschen Landschaft sorgt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich die Nutzung der Anlage erneut. Gemäß den Richtwerten einer Verordnung von 1953, die die Ausbildung von Lehrern an allgemeinbildenden Schulen, von Kindergärtnerinnen und von Erziehern in Heimen und Horten regelte, wurde das frühere Lehrerseminar zu einem Institut der Weiterbildung. Bis zum Beginn der 1990er Jahre setzte sich diese Nutzung fort. Danach diente der Baukomplex dem Gymnasium Johannes Bugenhagen. Welche Nutzung nunmehr folgen wird, ist derzeit nicht absehbar.

Jörg Kirchner


Nachsatz

Eine Gruppe von Absolventen des Jahrgangs 1952 teilte der Redaktion folgendes mit:

Die Schule in Franzburg wurde mit der Wiederaufnahme des Unterrichts Ende 1945 zu einer sog. Aufbauschule, die Klassen bis zum Abitur führte. Ab 1948 haben wir die dann als "Fichte-Oberschule" bezeichnete Schule besucht und 1952 das Abitur abgelegt. Die Oberschule bestand mindestens noch bis 1954, da Bekannte von uns damals das Abitur ablegten.

Wir danken für den Hinweis, der den Beitrag von Dr. Jörg Kirchner um ein wichtiges Faktum ergänzt.

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