Das besondere Feriendomizil: Die mustergültige Umnutzung eines Wasserturms in Waren (Müritz)

Denkmal des Monats März 2012

Waren (Müritz), Wasserturm, WestseiteDetails anzeigen
Waren (Müritz), Wasserturm, Westseite

Abb. 1: Waren (Müritz), Wasserturm, Westseite

Abb. 1: Waren (Müritz), Wasserturm, Westseite

Die zentrale Wasserversorgung spielte für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Sozialhygiene und Seuchenprävention einer Stadt in der Zeit der Industrialisierung eine bedeutende Rolle.

Abgesichert durch einen Vertrag mit der Stadt Waren entstand auf private Initiative 1897 südlich der Altstadt das erste Wasserwerk in Waren. Nur wenige 100 m entfernt wurde auf dem Nesselberg ein Wasserturm erbaut (Abb. 1). Dieser Turm war für die kontinuierliche Wasserversorgung der Stadt wesentlich, denn er diente als Speicher in abnahmeschwachen Zeiten und konnte im Gegenzug bei höherem Bedarf die gestiegene Nachfrage durch Abgabe der im Kessel gespeicherten Wassermenge bedienen. Zugleich sorgte der Turm aufgrund der erhöhten Lage für ausreichenden Druck in den Versorgungsleitungen, so dass auch mehrgeschossige Bauten der Stadt mit fließendem Wasser versorgt werden konnten.

Bei dem Wasserturm handelt es sich um ein unterkellertes, massiv in Ziegeln errichtetes Bauwerk auf rundem Grundriss von circa 35 m Höhe. Der Turmkopf, der den genieteten Hängebodenbehälter beherbergt, zeigt Sichtfachwerk (Abb. 2). Am Übergang vom massiven Mauerwerk zur Fachwerkbauweise befindet sich ein circa 90 cm auskragender Laufgang, der auf gusseisernen Konsolen ruht. Dieser wird an der Nordseite durch einen kleinen runden Treppenturm unterbrochen, der die separate Erschließung der Geschossebenen und des Umgangs mit einer gusseisernen Treppe ermöglichte. Wasser- und Treppenturm sind durch je ein Kegeldach mit Schieferdeckung abgeschlossen.

Der Turm zitiert Formen und Gliederungsstrukturen mittelalterlicher Wehrarchitektur, beispielsweise das Spitzbogenmotiv oder schießschartenartige kleine Öffnungen, den schmalen Laufgang und das schützend darüber auskragende Turmdach, die in der Zusammenschau dem Wasserturm ein pittoreskes Erscheinungsbild geben.

Sicher verdankt der Wasserturm diese baukünstlerisch aufwändige Gestaltung seiner zweiten Bestimmung, der als Aussichtsturm, die bereits im Vertrag mit der Stadt 1896 festgeschrieben war. Und eine dritte Aufgabe hatte der Turm zu erfüllen. Geschossteilende Holzbalkendecken unterhalb des Wasserbehälters teilten den Turm in drei Ebenen, die als Bedienstetenwohnung dienten. Letztere Nutzung soll für einen verheerenden Brand im Jahr 1900 verantwortlich gewesen sein, der die Neuerrichtung des Wasserturms notwendig machte.

Aufgrund der wechselvollen Geschichte, der wirtschaftlichen Bedeutung für die Stadt Waren und der umfänglich erhaltenen technischen Ausstattung besitzt der Wasserturm eine hohe wirtschafts- und technikgeschichtliche Bedeutung. Die gut ausgewogene Gestaltung mit gezielt eingesetzten historistischen Formen zeugt von der besonderen baukünstlerischen Qualität. Lange Zeit war der Wasserturm bis in das Stadtzentrum sichtbar und deshalb ein Wahrzeichen von Waren. Erst der ungebremste Baumaufwuchs auf dem Nesselberg verunklärte die städtebauliche Bedeutung des Wasserturms.

Oben genannte Gründe führten bereits 1978 zu einer Eintragung in die Kreisdenkmalliste des Kreises Waren und nach der politischen Wende zu einer Übernahme in die Denkmalliste des Landkreises Müritz und heutigen Großkreises Mecklenburgische Seenplatte.

Langer Leerstand und Vandalismus setzten der Bausubstanz des Turmes zu. Besonders desolat waren das Dach, die Fachwerkkonstruktion des Turmkopfes und der Umgang. Deshalb entschloss sich die Stadt Waren, die als Eigentümerin in der Verantwortung war, eine Grundsicherung und Grundinstandsetzung durchzuführen. Ein konkretes Nutzungskonzept lag nicht vor, vielmehr stand der substanzielle Erhalt des Kulturdenkmals im Vordergrund, um Zeit für die Konzeptplanung zu gewinnen. 2002 erfolgten die grundsichernden Maßnahmen. Die Fachwerkkonstruktion des Turmkopfes ließ die Stadt in enger Abstimmung mit den Vertretern der Denkmalbehörden reparieren und – wo notwendig – erneuern. Die Dachkonstruktionen von Haupt- und Treppenturm mussten fast vollständig neu gebaut werden. Schiefereindeckung und Regenentwässerung wurden komplett erneuert, der Umgang erhielt für die statische Sicherung Profilstahlträger, so dass dieser wieder begangen werden konnte. Die Stützkonsolen wurden repariert, das historische Geländer aufgearbeitet.

Um in absehbarer Zeit eine Nutzung des Denkmals zu ermöglichen, veräußerte die Stadt den Wasserturm im Jahr 2008. Eine nutzungsorientierte Genossenschaft, die sich eigens zu diesem Zweck gründete, erwarb den Turm. Ziel war die denkmalgerechte Instandsetzung und Umnutzung als Ferienhaus mit vier Ferienwohnungen.

Die umfänglich vorhandenen Belichtungsöffnungen, die Möglichkeit Stahlbetondecken unterhalb des Wasserkessels in den Turm einziehen zu können und die von der Stadt Waren durchgeführten Instandsetzungsmaßnahmen am Wasserturm stellten gute Voraussetzungen für die geplante Nutzung dar.

Diesen umnutzungsfreundlichen Bedingungen standen der im Turm befindliche genietete Hängebodenbehälter mit der Fall- und Steigleitung und die bauzeitliche Wendeltreppe aus Gusseisen als das Projekt störende Elemente gegenüber.

Die ursprüngliche Umnutzungsidee der Architekten, die beim ersten Kontakt mit den Vertretern der Denkmalbehörden vorgetragen wurde, sah deshalb vor, den Behälter herauszunehmen und in diesem Bereich eine Stahlbetondecke einzuziehen. Um den Bezug zwischen Wasserturm und Behälter zu verdeutlichen, sollte dieser neben dem Wasserturm witterungsgeschützt aufgestellt und mit entsprechenden Erklärungen versehen werden.

Die Anregungen der Denkmalpfleger, die größten Wert auf einen Teilerhalt des Behälters in situ legten, fielen auf fruchtbaren Boden. Die Architekten entwickelten nun eine Planung, die den Erhalt des Hängebodens und eines schmalen Streifens der Seitenwangen vorsah. Der Behälterboden bildete jetzt die Deckenansicht der dritten Wohnebene (Abb. 3). Zur Aussteifung erhielt dieser eine Leichtbetonfüllung. Außer dem genieteten Hängeboden blieben ein durchgehender Leitungsstrang und ein Rohranschluss erhalten. Auch in der vierten Wohnebene ist durch den Erhalt eines schmalen Streifens der Seitenwandungen ein Teil des ehemaligen Kessels sichtbar, der wie in der Wohnebene darunter in besonderer Weise den Raumcharakter prägt (Abb. 4).

Weil der Treppenturm die Funktion des ersten Rettungswegs übernimmt, war die gusseiserne Treppe aus brandschutztechnischen Gründen nicht akzeptabel. Die Vertreter der Denkmalbehörden stimmten deshalb dem Ersatz der Treppe in Beton zu. Für die von heutigen Normen abweichenden Maße im Treppenhaus wie zum Beispiel die Kopfhöhe und Treppenbreite erteilte das Bauamt die Zustimmung.

Zur Herstellung des zweiten Rettungsweges wurden in die Obergeschosse der Südachse Rettungsöffnungen eingeschnitten. Das erste und zweite Obergeschoss erhielten hier einen schmalen Balkon mit schlichter Absturzbrüstung in der Tiefe des Laufgangs (Abb. 5).

Die Oberflächen des in situ erhaltenen Behälterteils reinigten und konservierten die Eigentümer in Eigenleistung. So blieben die über Jahrzehnte entstandenen Alterungs- und Verschleißspuren sichtbar und machen den Innenraum einzigartig (Abb. 3 und 6). Die ehemalige Funktion und der Alterswert des Wasserturms sind weiterhin gegenwärtig. Bauzeitliche Holz- und Metallfenster wurden vorbildlich aufgearbeitet und durch ein inneres Vorsatzfenster wärmetechnisch ertüchtigt. Die Innenseite der Außenwände erhielt einen Dämmputz.

Der mustergültige Umgang der Eigentümergenossenschaft mit der Denkmalsubstanz korrespondiert in beachtenswerter Weise mit der Innenraumgestaltung und Innenausstattung, deren Prämisse der Erhalt des Raumeindrucks als runder Turmraum ist. Einzig für die Sanitäreinrichtung stellten die Architekten einen kleinen Kubus in den Raum, an dessen Außenseite eine offene Küche angefügt ist. Fast spielerisch wirken die umgesetzten Einrichtungsideen, die es ermöglichen, auf beschränktem Raum alle notwendigen Funktionen wie Sanitär, Kochen, Schlafen, Essen und Freizeitgestaltung unterzubringen, ohne dass der Raum überfrachtet oder zugestellt wirkt.

So erhielt beispielsweise die Wohnung des ersten Obergeschosses im Eingangsbereich ein Podest, das etwa bis zur Mitte des Raumes reicht (Abb. 7). Darunter liegt die Schlafstatt, die sich als Schubkasten herausziehen lässt. Das Podest kann zugleich als Sitzgelegenheit genutzt werden, wie auch die tiefen, innen liegende Fensterbänke. Um Ablageflächen zu schaffen wurden in die Aussparungen der ehemaligen Schornsteinzüge Regale und Ablagen eingebaut.

Mit der Umnutzung des Wasserturms in Waren ist ein Kulturdenkmal und ehemaliges Wahrzeichen der Stadt in beispielhafter, den Denkmalwert sensibel berücksichtigender Weise instand gesetzt und umgenutzt worden. Den am Bau Beteiligten gelang es, in bemerkenswerter Weise Alt und Neu zu verbinden. Diese gelungene Verzahnung macht den nun für Ferienzwecke dienenden Wasserturm einzigartig.

Annette Krug

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