Alt mit Neu: Die Kirchenausstattung in Nieden von Bruno Taut und Franz Mutzenbecher

Denkmal des Monats März 2013

Nieden, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Ansicht von Südosten, 2013Details anzeigen
Nieden, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Ansicht von Südosten, 2013

Abb. 1: Nieden, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Ansicht von Südosten, 2013

Abb. 1: Nieden, Lkr. Vorpommern-Greifswald, Kirche, Ansicht von Südosten, 2013

Die mittelalterliche Dorfkirche von Nieden (Lkr. Vorpommern-Greifswald) ist durch ihre einzigartige Innenausstattung weit über die Grenzen Mecklenburg-Vorpommerns bekannt und auch Architekturfreunden in Japan ein Begriff. Verantwortlich dafür ist die Umgestaltung durch Bruno Taut (1880–1938) und Franz Mutzenbecher (1880–1968) aus dem Jahr 1911 (Abb. 1–2).

Die Kirche wurde als romanischer Saalbau aus Feldsteinen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtet und später um einen massiven Turmunterbau erweitert. Der Fachwerkturm mit geschwungener Haube wurde erst bei der tiefgreifenden Umgestaltung der Kirche in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgesetzt. Zu dieser Bauphase gehört das für eine mittelalterliche Kirche ungewöhnliche Mansarddach. In dieser Zeit wurde der Bau verputzt und mit Kantenquaderung und einer Lisenengliederung versehen, zudem erhielt er einen Sakristeianbau an der Südseite.

Von der wertvollen Innenausstattung ist zuerst der Renaissancealtar von 1618 zu nennen, der 1731 überarbeitet wurde. Aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts stammen auch die weiteren Hauptausstattungsstücke wie die Kanzel (1710), der Taufengel (1713, Kopie um 1910) und das Patronatsgestühl mit Evangelistenbildern und emblematischen Darstellungen. Das Patronat besaß die Familie von Winterfeldt, Gutsherren auf Nieden. Major Hans von Winterfeldt beauftragte Bruno Taut mit der Sanierung und Umgestaltung der Kirche, obwohl diese erst um 1880 renoviert worden war und eine neogotische Ausstattung (Empore, Gestühl, Innentür) erhalten hatte. Die Aufgabe des Architekten bestand darin, "die in die Kirche hineingekommenen häßlichen Stücke durch gute neue zu ersetzen, in einer Weise, die den alten Kunstwerken nicht schadet."[1] (Abb. 3).

Bruno Taut ersetzte nicht nur die Empore sondern auch die ebenfalls neogotische Tür zur Turmhalle. Die Grünberg-Orgel von 1871 bekam ein neues Prospekt (Abb. 4). Zudem wurde das Gemeindegestühl umgearbeitet. Ergänzt wird die moderne Neugestaltung des Kircheninnenraums durch die Deckenmalerei des Malers Franz Mutzenbecher mit einem neobiedermeierlich anmutenden Dekor in Form von Blumengirlanden sowie spielenden und musizierenden Putti (Abb. 5).

Die Zusammenarbeit von Bruno Taut und Franz Mutzenbecher hatte bereits fünf Jahre vorher in Süddeutschland begonnen, als Taut in dem Stuttgarter Architekturbüro von Theodor Fischer arbeitete. Nach den Entwürfen von Taut wurde 1906 der Innenraum der Kirche in Markgröningen-Unterriexingen, Kr. Ludwigsburg (Baden-Württemberg), umgestaltet. Bei der Ausführung war auch Franz Mutzenbecher beteiligt. Da Hans von Winterfeldt mit der aus Stuttgart stammenden Bankierstochter Elisabeth Moser von Filseck verheiratet war, bestanden familiäre Beziehungen nach Württemberg. So könnte von Winterfeldt auf den Architekten aufmerksam geworden sein, zumal die Innenerneuerung der Kirche wegen des Farbkonzepts von Bruno Taut Furore gemacht hatte und bereits 1907 und 1908 publiziert wurde.[2]

Auch der Kirchenraum in Nieden besticht durch seinen Farbklang in Blau-Weiß-Rot-Grün mit ein wenig Gold, wodurch die neuen Elemente – vor allem die Empore – mit den alten Ausstattungsstücken harmonieren. Das Weiß der Empore und des Orgelprospekts taucht an den Bankenden des umgearbeiteten Gemeindegestühls wieder auf. Die Bänke selbst sind in Braun, Rot und Blau gehalten und haben ein flächendeckendes Ornament aus Schablonenmalerei. An den Stirnseiten sind die christlichen Tugenden dargestellt (Abb. 6). An der Innenseite (zum Kirchenraum) übernahm Bruno Taut mit Braun und Rot die Farbgebung des Gestühls, die Außenseite ist in einem dunklen Grün gefasst (Abb. 7). Für die Altarschranken wählte er warme Erdtöne mit hellen Ornamenten (Abb. 8). Es ist überliefert, dass die "Ornamentmalereien … sämtlich vom Architekten entworfen und in der Hauptsache auch von ihm selbst ausgeführt worden sind".[3]

Durch ein leuchtendes Blau als Hintergrundfarbe und ein eigenwilliges Gittermuster wird die barocke Kanzel hervorgehoben (Abb. 9). Das Blau korrespondierte mit einem blauen Keramikofen an der gegenüberliegenden Längswand, der jedoch bereits wenige Jahre später, der genaue Zeitpunkt ist nicht bekannt, durch einen Ofen in der Sakristei ersetzt wurde, so dass anstelle des Keramikofens heute eine neobarocke Ofennische zu sehen ist. Im Gegensatz zu der Kirche in Markgröningen-Unterriexingen gab es in Nieden keine "Neutralisierung" der Taut’schen Farbfassung, jedoch bedarf sie dringend einer Restaurierung.

Elke Onnen


Anmerkungen

[1] Bruno Taut, Zu den Arbeiten der Architekten Bruno Taut u. Hoffmann. In: Moderne Bauformen, Heft 3, 1913, S. 122.

[2] Manfred Speidel/Ulrich Gräf, Die polychrome Farbfassung von 1906 in der evangelischen Pfarrkirche in Markgröningen-Unterriexingen, Kr. Ludwigsburg. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Heft 4, 1992, S. 118–123.

[3] Bruno Taut, Zu den Arbeiten der Architekten Bruno Taut u. Hoffmann. In: Moderne Bauformen, Heft 3, 1913, S. 124.

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