"Licht und Schatten" - Die Gutshäuser in Varchentin, Rossewitz und Falkenhagen - 25 Jahre nach der Wende.

Denkmal des Monats Dezember 2015

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Abb. 1. Varchentin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, Schlossstraße 8, Herrenhaus, 1979

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In diesem Jahr wurde das 25. Jahr der deutschen Wiedervereinigung gefeiert. Zeit auch, denkmalfachlich Bilanz zu ziehen und sich zu fragen, wie es um den Bestand der Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern steht.

Die zahlreich erhaltenen Guts- und Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern erfahren seit der politischen Wende von 1990 aus familiengeschichtlichen Gründen, wegen ihrer Bedeutung für die Kunst- und Architekturgeschichte, aber auch als lukrative Immobilien ein hohes öffentliches Interesse. Es gibt vielerorts gute Beispiele zu sehen, wo neue Eigentümer engagiert die zu DDR-Zeiten ungeliebten Gutshäuser saniert und einer neuen zum Teil öffentlichen Nutzung zugeführt haben; eine wirkliche Erfolgsgeschichte für die Kulturdenkmäler und das Leben in den Dörfern!

Leider stehen auf der anderen Seite noch weiterhin viele Gutshäuser perspektivlos da, darunter auch einige, die einen sehr hohen Wert für die kulturelle Identität des Landes besitzen. Die meisten von ihnen sind in Privatbesitz, aber seit Jahren erfolgen keine Aktivitäten hinsichtlich einer Sicherung oder Sanierung. Den Grund für den Stillstand erfahren die Denkmalbehörden in der Regel nicht. Obwohl es nach § 6 des Denkmalschutzgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern eine Erhaltungspflicht gibt und sich Kaufinteressenten finden, die bereit sind, den Eigentümern ihre scheinbare Bürde abzunehmen und in ein solches Denkmal zu investieren, kommt es nicht zu einem Verkauf. Die Gründe dafür sind vielfältig, teilweise bestehen überhöhte Kaufpreisforderungen oder aber keine Verkaufsabsichten. Bei manchen Objekten muss stark vermutet werden, dass beabsichtigt ist, die Gebäude verfallen zu lassen, um möglicherweise später Bauland veräußern zu können. Die davon betroffenen Kulturdenkmale werden damit zu reinen Spekulationsobjekten. Bei vielen Gutshäusern ist der bauliche Zustand inzwischen sehr schlecht. Behördlicherseits kann dieser traurigen Realität seitens der Denkmalschutzbehörden nur durch die Beauflagung von Sicherungsmaßnahmen begegnet werden. Das Vorgehen regelt § 20 des Denkmalschutzgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern. Aufgrund einer angespannten Personalsituation und rechtlich komplizierter Verfahren können Sicherungsmaßnahmen jedoch nur selten durchgesetzt werden.

Im Folgenden soll von drei Gutshäusern beispielhaft ihre unterschiedliche Entwicklung dargestellt werden, ihr Schicksal während der Zeit der DDR und ihre Entwicklung nach 1990. Die Herrenhäuser zählen kunsthistorisch zu den bedeutendsten in Mecklenburg-Vorpommern.

Östlich von Waren liegt das ehemalige Gutsdorf Varchentin. Das 1847 im englischen Tudorstil erbaute Herrenhaus entstand im Auftrag des Hamburger Bankiers Gottlieb Jenisch nach Entwurf des Schweizer Baumeisters Auguste De Meuron (Abb. 1-3). Otto Graf Gothe ließ 1910/1912 einen südlichen Flügelbau ansetzen. Hinter dem großzügigen schlossartigen Herrenhaus befindet sich ein von Peter Joseph Lenné konzipierter, ausgedehnter Landschaftspark. Es handelt sich um eines der frühesten und repräsentativsten erhaltenen Herrenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern, die im Burgenstil, dem sog. Tudorstil, errichtet wurden. Dieser Stil des Historismus, geht in seinen Formen auf die englische Tudorgotik vom Übergang der Gotik zur Renaissance zurück und steht in der Nachfolge von Strawberry Hill (1749-1776). Der Bau folgt in der stilistischen Auffassung dem 1849 fertiggestellten Schloss Babelsberg in Potsdam. Städtebaulich zeigt sich das Varchentiner Herrenhaus noch eingebunden in die barocke Struktur mit einer vorgelagerten symmetrischen Hofanlage. Die etwas später im gleichen Stil erbauten Herrenhäuser von Friedrich Hitzig stehen losgelöst vom Bezug zum Wirtschaftshof und sind von einem Park umgeben. Die erhaltenen Ausstattungsteile des Varchentiner Herrenhauses stammen im Wesentlichen aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

1980/81 erfolgten eine Sanierung und der Umbau des Herrenhauses zu einem Schulungs- und technischen Trainingszentrum für die Forstwirtschaft der DDR.

Nach 1990 ist das Herrenhaus mit den zugehörigen Wirtschaftsgebäuden und dem Park mehrfach verkauft worden. Seit 1994 steht das Gebäude leer. Erste Untersuchungen und Planungen erfolgten für die Nutzung als ein Vier-Sterne-Hotel, wurden aber nicht realisiert. Unter dem folgenden Eigentümer erlitt das Gutshaus gravierende Schäden, da sich am 11.02.2001 ein Teil vom Zinnenkranz am rechten Turm löste und die herabfallenden Steinquader die darunterliegende Dachfläche durchschlugen. Zudem entstanden Feuchtigkeitsprobleme durch die innenliegende verstopfte Dachrinne. Die Schäden wurden nicht behoben und haben zu Folgeschäden, beispielsweise Schwammbefall im Inneren geführt. 2006 wurde das Herrenhaus weiterverkauft mit dem Ziel, ein Wellness-Hotel einzurichten. Bis heute ist keine Gebäudesicherung erfolgt und die Schäden haben sich potenziert. Die einzige Perspektive für das Herrenhaus ist ein solventer Käufer mit einem guten Nutzungsprojekt und die schnellstmögliche Beauflagung und Durchführung von Sicherungsmaßnahmen.

In abgeschiedener Alleinlage steht in Rossewitz, südlich von Laage gelegen, das älteste barocke Herrenhaus in Mecklenburg. Es wurde ab 1655 für Joachim Heinrich von Vieregge nach Entwurf des namhaften, in herzoglichen Diensten stehenden Charle Philippe Dieussart erbaut (Abb. 4-7). Das kunsthistorisch hochbedeutende Haus hat in der kunstwissenschaftlichen Forschung seine ihm gebührende Beachtung gefunden. Stilistische Vorbilder und Einflüsse in der Architektur Genueser Stadtpaläste und holländischer Bauten des Phillip Vingboons werden dargestellt. Von einer hohen Qualität und Einzigartigkeit im norddeutschen Raum ist der über zwei Geschosse reichende Festsaal mit seiner illusionistischen Architekturmalerei, die ihre Vorbilder in Norditalien hat.

Die Rettung von Schloss Rossewitz gilt als eine Erfolgsgeschichte der Wendezeit, da sich das Herrenhaus baulich in einem sehr schlechten Zustand befand. Der Verfall hatte bereits 1847 begonnen, als die herzogliche Kammer die Verwaltung aufgegeben hatte und das Haus in der Folgezeit leer stand. 1896 beschreibt Friedrich Schlie Verfallserscheinungen im Inneren, die jeden Besucher zum Bedauern zwingen. In den 1930 Jahren konstatierte man gravierende Dachschäden und führte kleinere Sicherungsarbeiten durch. 1945 wurde das Gutshaus mit Flüchtlingen belegt, die letzte Bewohnerin zog 1971 aus. Abgesehen von zwei tiefgreifenden Mauerschäden wurde das Haus 1956 noch als von guter Gebäudesubstanz beschrieben. 1968 schädigte ein Sturm größere Partien der Dachhaut, die nicht repariert wurden, was zum Befall von Hausschwamm im Inneren führte. Erste kleine Sicherungsarbeiten, die leider an den Wandmalereien zu neuen Schäden führten, wurden möglich, als 1973 dort der DEFA-Film „Wahlverwandtschaften“ gedreht wurde. Das vom Institut für Denkmalpflege in den 1970er Jahren erarbeitete Notsicherungsprogramm, das mit Eingaben von engagierten Bürgern unterstützt wurde, konnte nicht durchgesetzt werden, so dass sich die Schäden potenzierten. 1982 bestand die Absicht das Herrenhaus zu sprengen. Nach Einsturz des Daches 1983 bekam das Haus 1986 ein Notdach, welches wiederum den Stürmen im Winter 1991/92 nicht standhielt. Somit stand das ruinöse Herrenhaus nach dem Einsturz des Daches und der Decken ohne Queraussteifung dar, was zu einer Deformierung des zweischaligen Mauerwerks geführt hatte.

Mit hohen Kosten und Fördersummen wurde die Gebäudesicherung in Angriff genommen. 1993/94 brachte man ein neues Notdach einschließlich einer neuen Tragkonstruktion auf. Es folgten Aufräumarbeiten, umfangreiche statische Maßnahmen, eine Schwammsanierung und Sicherungsarbeiten an den Wandmalereien. 1999/2000 wurde das barocke Walmdach rekonstruiert. 2003 kam das Herrenhaus in Privatbesitz. Seitdem wurden 2004/2005 Sandsteinelemente am Mittelrisalit ergänzt und restauriert, barocke Gauben rekonstruiert, Fenster repariert und neue Fenster nachgebaut. An den Wandmalereien erfolgten 2008/2009 Restaurierungsmaßnahmen, die jedoch leider nicht abgeschlossen wurden.

Heute gilt Rossewitz zwar im Wesentlichen als baulich gesichert, aber weitere Baumaßnahmen erfolgen nicht. Trotz der sehr hohen kunsthistorischen Bedeutung und dem Einsatz von hohen Fördermittelsummen steht das Herrenhaus in Rossewitz bisher ohne eine Nutzungsperspektive.

Nach der Wende geschah an dem Gutshaus in Falkenhagen bei Reinberg, südlich von Stralsund gelegen, lange nichts. Es handelt sich um ein schlichtes, barockes Landhaus, das vermutlich im Kern zwischen 1685 und 1692 unter Obristenlieutenant Christian  Andreas Sauerbrey von Sauerburg erbaut wurde (Abb. 8-10). In seiner Architekturform als backsteinsichtiger Massivbau mit Walmdach ist es für den vorpommerschen Landesteil ein ungewöhnlicher Bau und passt eher in die dänisch beeinflusste, mecklenburgische oder schleswig-holsteinische Region. Charakteristisch für die Entstehungszeit um 1700 sind die Zweigeschossigkeit und das Walmdach sowie die schlichte Fassadengestaltung, die nur durch das gerahmte Portal akzentuiert und geschmückt wird. Die Flügelbauten sind wahrscheinlich später, bis um 1730, hinzugefügt worden. Das Herrenhaus in Falkenhagen gehört zu den wenigen erhaltenen Gutshäusern aus der Zeit um 1700/1730 in Mecklenburg-Vorpommern. Mit dem Besitz sind die Familiennamen von Wolffrad, von Krassow und von Essen verbunden. Nach der Enteignung 1945 ging Kammerherr Carl von Essen mit seinen Töchtern nach Schweden. Im Gutshaus wurden zunächst Flüchtlinge untergebracht, dann befanden sich dort die LPG-Verwaltung, später mehrere Wohnungen und im rechten Anbau ein Konsum. Nach der Wende wohnten noch zwei Wohnparteien in dem Haus.

Nach jahrelangem Leerstand wurde der Gutshof 2010 von den jetzigen Eigentümern erworben und wieder mit dem Park zusammengeführt. Innerhalb von nur drei Jahren erfolgte die vollständige Sanierung. Im Gutshaus waren von der ehemals wertvollen Ausstattung neben der barocken Treppe, Innentüren und Lambris im Wesentlichen nur noch große Teile einer Leinwandbespannung mit figürlichen Szenen und Architekturgliederungen der Zeit um 1800 erhalten geblieben. Diese sind aufwändig restauriert worden. Anstelle des linken, zu DDR-Zeiten abgerissenen Flügelbaus errichtete man einen angepassten Neubau. Auch die Parkanlage und das unmittelbare Vorfeld des Gutshauses wurden denkmalgerecht wiederhergestellt. Die Sanierung eines zur Anlage gehörenden, kleineren ehemaligen Mühlengebäudes soll folgen. Die Arbeiten erfolgten fachlich auf einem sehr hohen Niveau. Die Bauherren wurden dafür mit dem Handwerkerpreis 2014 und dem Denkmalpreis 2015 ausgezeichnet. Das Gutshaus und die Flügelbauten dienen heute privaten Wohnzwecken.

Beatrix Dräger-Kneißl

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