Der Sassnitzer Stadthafen

Denkmal des Monats Januar 2011

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Sassnitz, Stadthafen, Landungsplattform, Südwestseite

Abb. 1: Sassnitz, Stadthafen, Landungsplattform, Südwestseite

Abb. 1: Sassnitz, Stadthafen, Landungsplattform, Südwestseite

Die Stadt Sassnitz liegt im Nordosten der Insel Rügen auf der Halbinsel Jasmund. Die Erhebung zur Stadt, die erst spät, nämlich 1957 erfolgte, wurde maßgeblich befördert durch den Bau eines Hafens. Dieser wurde 1889 als Fischerei- und Schutzhafen gebaut und war der erste Hafen für Schiffe mit größerem Tiefgang an der Küste der Insel Rügen.

Der Bau fiel in eine Zeit, in der durch die preußische Verwaltung nach einem günstigen Hafenstandort für den Seeverkehr zwischen Schweden und dem unter preußischer Verwaltung stehenden Pommern gesucht wurde. In Sassnitz waren durch den neu entstandenen Hafen gute Voraussetzungen für den weiteren Ausbau als Seehafen geschaffen worden. Mit dem Entschluss, die Eisenbahn von Bergen nach Sassnitz weiterzubauen, der Mitte der 1890er Jahre gefällt wurde, war die Wahl für Sassnitz als internationaler Verkehrsstandort für die Kontinentalverbindung Schweden–Deutschland entschieden.

Die Postdampferschnelllinie Sassnitz–Trelleborg wurde im April 1897 eröffnet. Erste Überlegungen, die Verbindung als Trajektverbindung, also als Eisenbahnfährschiffverbindung, auszubauen, wurden bereits um 1900 angestellt, aber aufgrund der hohen Ausbaukosten nicht ernsthaft verfolgt. Der Druck erhöhte sich, als 1903 die Eisenbahnfährverbindung Warnemünde–Gedser eröffnet wurde. Um konkurrenzfähig zu bleiben, konnten sich die Fährhäfen von Sassnitz und Trelleborg dieser Entwicklung nicht verschließen. 1908 wurde ein entsprechender Vertrag zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Im Juli 1909 konnte der Trajektverkehr zwischen Sassnitz und Trelleborg eröffnet werden.

Am 6. März 1945 erlebte Sassnitz einen schweren Luftangriff, von dem auch der Hafen stark betroffen war. Drei Jahre später konnte der Fährverkehr durch drei schwedische Eisenbahnfährschiffe wieder aufgenommen werden.

Wegen der stetig steigenden Stückgutzahl vereinbarten die Deutsche Reichsbahn sowie die schwedische Staatsbahn, zusätzlich größere Fährschiffe einzusetzen und die vorhandenen Fähranlagen entsprechend umzubauen. Zu den notwendigen Maßnahmen in Sassnitz zählten in erster Linie die Anpassung der Fährbetten an die neu einzusetzenden Großfähren und der Neubau eines Empfangsgebäudes. Von 1956–1959 erfolgten bei laufendem Fährbetrieb der Umbau des wasserseitigen Fährbettes und der Neubau des Empfangsgebäudes, der sogenannten Landungsplattform (Abb. 1). 25 Mio DM investierte die DDR in den Prestigebau.

Die Landungsplattform wurde als geschweißter Stahlskelettbau errichtet. In der Gestaltung war die heute als Glasbahnhof bezeichnete Landungsplattform vorbildlich und setzte neue Maßstäbe für den Bau von Fährterminals. Der Entwurf der Landungsplattform fand in enger Abstimmung mit den Erfordernissen der neu einzusetzenden Großfährschiffe statt. Um Unfallrisiken auszuschließen, erfolgte eine getrennte Zuwegung für Pkw und Personen ohne Fahrzeug zur Landungsplattform und von hier aus in die Fähre.

Die untere Ebene der Plattform war für die PKW reserviert, die diese über eine auf neun Pfeilern ruhende, geschweißte, etwa 200 m lange Autobrücke erreichten, die das Hochufer der Stadt Sassnitz mit dem Hafen direkt verband (Abb. 2). Das obere Deck war den Reisenden ohne PKW vorbehalten, das separat über eine Fußgängerbrücke erreicht werden konnte.

PKW und Reisende gelangten von der Landungsplattform über eine PKW-Klappbrücke in der unteren Ebene und dem Landgang in der oberen Ebene seitlich in das Schiff (Abb. 3). Parallel zum Umbau der Fähranlagen wurden 1958 das schwedische Großfährschiff Trelleborg und 1959 das deutsche Großfährschiff Sassnitz mit einem viergleisigen Eisenbahndeck sowie einem gesonderten PKW-Deck in Dienst gestellt.

Modernisierungsmaßnahmen fanden in den 1970er Jahren mit eingreifenden Veränderungen für die Landungsplattform statt. Die Beibehaltung und Berücksichtigung der architektonischen Qualität des Bauwerkes spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle. Die PKW-Klappbrücke an der Landungsplattform wird rückgebaut und der Fassadenbereich geschlossen. Vor das Halbrund der Reisendenplattform wird ohne Rücksicht auf den filigranen und in sich stimmigen Entwurf eine Plattform gestellt, von der rechts und links Landungsbrücken abgehen. Eine Tür wird mittig in die Fensterfont eingebracht, das Fährbett II ausgebaut (Abb. 4).

Der Zusammenbruch des Ostblocks und die zunehmende Verlagerung des Güterverkehrs auf die Straße hatten erhebliche Auswirkungen für den Fährhafen in Sassnitz. 1998 wurde der Linienverkehr Sassnitz–Trelleborg zum benachbarten Fährhafen Sassnitz-Mukran verlagert, der 1986 eröffnet worden war. Damit war der internationale Schiffsverkehr im Sassnitzer Stadthafen beendet.

Im Rahmen einer nach der politischen Wende und der Wiedererlangung der deutschen Einheit notwendig gewordenen Neuerfassung von Denkmalen in Mecklenburg-Vorpommern in den 1990er Jahren erkannten die zuständigen Fachleute den Sassnitzer Stadtfährhafen mit Einzelobjekten als Denkmal. 1997 erfolgte die Eintragung in die Denkmalliste des Landkreises Rügen mit nachfolgend aufgeführten Objekten: Abfertigungshalle einschließlich der Zufahrten, LKW-Klapp- und Verbindungsbrücken für den Fahrzeug- und Fußgängerbetrieb, die Anleger mit Gleisanlage bis zum Weichensignal, der alte Bahnhof mit seinen Nebengebäuden, der neue Bahnhof mit Fußgängerüberführung, der im Zufahrtsbereich befindliche Grenzturm.

Schon vor der Aufgabe des Fährbetriebs im Sassnitzer Stadthafen rang die Stadt leidenschaftlich nach einem Konzept zur Belebung und festen Einbindung des Stadthafens in das urbane Gefüge. Als alleinige Perspektive wird der Ausbau als touristisches Zentrum, als sogenannter Tourismushafen gesehen. Es bestehen Ideen, an Stelle der Landungsplattform ein kulturelles Zentrum, ein Stadt- und Hafenzeichen zu setzen. In diesem Zusammenhang wird die Unterschutzstellung heftig kritisiert. Der Erhalt dieses qualitätvollen und innovativen Bauwerks wurde nicht von allen als eine Chance erkannt, einen Neuanfang, basierend auf der Kontinuität der Geschichte zu wagen.

Um 2000 erfolgte ungenehmigt der Rückbau der Gleisanlagen, des Grenzturmes und der das Hochufer und die Landungsplattform verbindenden Autobrücke, die für das Gesamtverständnis der Anlage von höchstem Wert war. Der Landkreis Rügen sah von der Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ab, da die übrigen Teile erhalten wurden.

Aufgrund der gravierenden Eingriffe mit erheblichen Folgen für den Zeugniswert der Anlage musste der Listeneintrag geändert werden. Die Eintragung lautet nun: Fährhafen mit Abfertigungshalle ("Glasbahnhof"), den zwei Anlegern einschließlich der dazugehörigen Hafenbecken, der Gleisanlagen mit dem Bahnhof (Güterboden), dem Leuchtturm auf der Mole, der Stützmauer am Hang mit Lichtsignal der Bahn.

Mit der Beseitigung der Auto-Zufahrtsbrücke wurde auch die direkte Verbindung zwischen der Stadt Sassnitz und dem Stadthafen unterbrochen. Dies war nicht nachvollziehbar vor dem Hintergrund der geplanten touristischen Erschließung des Hafens. Bereits sieben Jahre später wurde eine Hängebrücke für Fußgänger errichtet, die den Hafen wieder direkt mit dem Stadtzentrum verbindet. Planung und Bau der 119 m langen, frei gespannten neuen Brücke beliefen sich nach Angaben der Zeitschrift Bauen + Wirtschaft auf 3,8 Mio € (Abb. 4).

Mit der Stützmauer und dem Bahnhofsgebäude im Fährhafen blieben zwei Objekte erhalten, die die Zeit der Einrichtung der Trajektfährverbindung von 1908/09 dokumentieren (Abb. 5).

Mit dem Glasbahnhof, dessen Aussagewert durch den Abbruch der Autozufahrtsbrücke spürbar reduziert wurde, hat sich aus der prägenden Umbauphase der zweiten Hälfte der 1950er Jahre ein für diese Zeit wegweisendes Bauwerk erhalten, das als Standort des Welcome-Centers mit Gastronomie und Ausstellung zur Unterwasserarchäologie ein fester Bestandteil des sogenannten Tourismushafens werden kann.

Annette Krug


Literatur / Quellen

Architekturführer DDR, Bezirk Rostock. Berlin 1978.

Bauen + Wirtschaft, Architektur im Spiegel, 15. Jahrgang, 2008.

Bauplanung Bautechnik, Technisch-Wissenschaftliche Zeitschrift für das Bauingenieurwesen, hrsg. von der Kammer der Technik, Fachverband Bauwesen, 15. Jahrgang, Heft 6, 1961. = TWZ

Wulf Krentzien, Über die Ostsee ... Zwischen Sassnitz und Trelleborg. Schriften zum 100jährigen Jubiläum der Eisenbahnfährlinie Sassnitz–Trelleborg, Heft 1, 2007.

Wulf Krentzien, Über die Ostsee ... Vom Postdampfer zur Eisenbahnfähre. Schriften zum 100 jährigen Jubiläum der Eisenbahnfährlinie Sassnitz–Trelleborg, Heft 3, 2009.

Landesamt für Kultur und Denkmalpflege: Archivakte, Sassnitz, Glasbahnhof.

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