Unter dem Dach des Landeshauptarchivs

Archivalie des Monats Juli 2007

RestaurierungswerkzeugDetails anzeigen
Restaurierungswerkzeug

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Das Landeshauptarchiv in Schwerin beherbergt nicht nur Akten, Urkunden mit Siegeln, Karten und Pläne. Unter dem Dach des Landeshauptarchivs befindet sich auch eine Restaurierungswerkstatt. Gehen Sie mit mir auf die Reise durch die Restaurierungswerkstatt. Anhand einer restaurierungsbedürftigen Akte erhalten Sie einen Einblick in die Arbeit der Restauratoren.

Die zu restaurierende Akte kam mit dem Auftrag "dringend für Benutzer" in die Werkstatt. Der Zustand war äußerlich gut. Aber, wenn die Akte aufgeschlagen wird, zeigt sich eine große Fläche mit Schimmelpilz, der sich durch das Papier frisst. Es besteht Handlungsbedarf. Viele andere Akten mit dem gleichen Auftrag befinden sich schon in der Behandlung und so muss diese Akte sich in den Restaurierungsablauf einreihen. Der Benutzer muss sich in Geduld üben.

Die Restaurierung beginnt bei jedem Neuzugang in die Restaurierungswerkstatt mit einer ersten Bestandsaufnahme in ein Auftragsformular. Dieses Formular begleitet die Akte durch die einzelnen Stationen der Restaurierung. Nach Abschluss der Restaurierung werden hier die genaue Vorgehensweise und die verwendeten Materialien festgehalten. Die Akte stammt aus dem Jahre 1839, ist in Lagen gebunden, aus gutem Hadernpapier mit bräunlicher Eisengallustinte beschrieben und der Umschlag besteht aus Pergament.

Als Schadensbild wird definiert: "Schimmelpilzbefall im Papierfalzbereich". Daraus ergibt sich folgender Arbeitsablauf: Die Akte wird unter dem Abzug auseinander genommen, d.h. die Heftung wird gelöst. Im gebundenen Zustand ist keine Restaurierung möglich, die nun losen Blätter werden mit einer Bürste und Radierschwamm vom Schmutz der Jahrhunderte befreit. Das Ausputzen ist mit äußerster Vorsicht und Sorgfalt vorzunehmen, da das Papier durch den Schimmelpilz schon stark in Mitleidenschaft genommen ist. Der Umschlag der Akte kann jetzt genauer unter die Lupe genommen. Hierbei handelt es sich um ein beschriftetes Stück Pergament, die Schriftlinien sind gut sichtbar und auch Noten sind auf dem Pergament zu erkennen. Viele Fragen stellen sich. Wie alt ist dieses Pergament? Woher kommt es? Wie ist es an diese Akte gekommen? Was sind das für Noten? Was beinhaltet der Text? Ist es etwa ein seltenes Musikstück? Doch halt! Das Pergament ist in diesem Fall zweitrangig, denn der Inhalt der Akte ist das Wichtigste. Nach dem Ausputzen lege ich die einzelnen Blätter zwischen Siebe. Das Papier wird in destilliertem Wasser "gebadet" und so nochmals gereinigt, die Tinte bleibt wo sie ist, das wird grundsätzlich vorher getestet. Das Bad wird so oft wiederholt, bis das Wasser sauber ist, die Siebe verhindern dabei ein Zusammenkleben der Blätter. Danach wird das Papier in ein Alkoholbad gelegt, hier wird der Schimmelpilz desinfiziert. Nach ca. 3-4 Tagen ist das Baden beendet. Das Schadensbild jeder einzelnen Seite entscheidet nun, wie es weitergeht.

Die Blätter, die noch unbeschadet vom Schimmelpilz sind, werden nur nachgeleimt, d.h. eine dünne Leimlösung wird mit dem Pinsel aufgetragen. Danach wird das Blatt zwischen Vliese, Löschpapier und Pappen gelegt und eingepresst. Hier ruht das Blatt und kann langsam trocknen, mehrmals wird das feuchte Löschpapier gegen neues ausgewechselt.

Die Blätter, die leichte Fehlstellen aufweisen, werden nach dem Baden mit Japanpapieren ausgebessert und fixiert (Diese Papiere sind aus Fasern von Sträuchern, die in Japan wachsen. Sie sind sehr gut zur Restaurierung geeignet, da sie langfaserig, stabil und vielseitig einsetzbar sind.). Auch diese Blätter werden nun nachgeleimt und zwischen Vliese, Löschpapier und Pappen getrocknet.

Nun sind die Blätter mit größeren Fehlstellen an der Reihe. Sie werden "angefasert". Der Vorgang ähnelt dem der Papierherstellung, es wird ein Faserbrei (Sisal-Eukalyptusfasern mit Baumwollfasern in Wasser) hergestellt. Das Objekt wird mit dem Sieb auf eine Platte gelegt. Diese Platte hat viele kleine Löcher und liegt in einem Kasten. Mit einer Maske aus Gummituch werden die Ränder abgedeckt, so dass nur noch das Blatt zu sehen ist. In einem Mischbehälter oberhalb des Kastens wird die Fasermasse gerührt, so dass die Fasern in Bewegung sind und sich nicht absetzen. Nun wird der Mischbehälter über das Objekt geschoben und der Faserbrei läuft vorsichtig auf das Objekt. Im gleichen Moment beginnt die Absaugpumpe das Wasser durch das Objekt nach unten herauszuziehen und die Fasern setzen sich in die Fehlstellen und dünne Papierstrukturen an. Das Wasser ist vollständig abgesaugt und der Kasten kann geöffnet werden. Das Sieb mit dem Objekt wird nun vorsichtig herausgenommen, auf Vliese abgelegt und zwischen Filze gelegt. In der Presse wird nun das überschüssige Wasser in die Filze gedrückt. Den Vorgang nennt man in der Papierherstellung "abgautschen". Nach dem "Abgautschen" erfolgt das Nachleimen des Blattes und das Trocknen zwischen Vliese, Löschpapier und Pappen.

Nach ca. zwei Wochen (es richtet sich nach der Blattzahl und nach dem Schadensgrad der Akte) werden die getrockneten Blätter der alten Ordnung folgend wieder zusammengelegt. Verpackt in einer säurefreien Jurismappe verlässt die Akte die Restaurierungswerkstatt "unter dem Dach des Landeshauptarchivs" verlassen. Sie ist nun wieder gebrauchsfähig und kann vom Benutzer eingesehen werden.

Um neuen Schäden vorzubeugen, muss die Akte in ein "gutes Magazinklima" kommen. Große Temperaturschwankungen sind schädlich für das Papier und besonders für schon einmal von Schimmelpilzen heimgesuchten Papieren. Die ideale Temperatur sollte möglichst 10-12°C betragen und die Luftfeuchtigkeit ist bei Papier ca. 50-55 % konstant zu halten.

Aber, da war doch noch etwas – das Pergament. Bis zum Ende der Restaurierung der Akte Nr. 265 konnte ich mit Hilfe der Archivare einiges herausfinden. Es handelt sich dabei um eine Weihnachtshymne des Bischofs Ambrosius von Mailand, Ende 4. Jh. Das Pergament wurde beschnitten, denn es fehlen zwei Zeilen im Text. Wer es geschrieben hat, wo es ursprünglich einmal entstanden ist und wie es an die Akte gekommen ist, diese Fragen bleiben offen. Das Pergament wird nicht wieder an die Akte geheftet, es liegt dieser als Anlage bei.

Ulrike Krüger


Quelle

LHAS 2.12-1/16 Nr. 265

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