Geschichte

Das Landesarchiv Greifswald ist eine relativ junge Gründung der unmittelbaren Nachkriegzeit. Als Aussenstelle des Mecklenburgischen Staatsarchivs Schwerin wurde es im August 1946 im alten Greifswalder Kasernengebäude am Nexöplatz eingerichtet, um die Archivalien des ehemaligen Staatsarchivs Stettin, die 1942 von den Archivaren in den westlichen Teil der Provinz Pommern ausgelagert worden waren und nun auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone aufgefunden wurden, aufzunehmen und die Arbeit des einstigen Stettiner Provinzial- und Staatsarchivs fortzusetzen. So waren es vor allem ehemalige Stettiner Archivare wie der letzte amtierende Leiter des Staatsarchivs Dr. Hermann Gollub, die hier ihre Tätigkeit nach dem Krieg wieder aufnahmen. Ein lückenloses Anknüpfen an die alte pommersche Archivtradition des 1827 gegründeten Staatsarchivs der Provinz Pommern war jedoch nicht mehr möglich. Die Folgen des Zweiten Weltkrieges hatten auch die historische Hinterlassenschaft des alten Territorialstaates und der preussischen Provinz Pommern geteilt, denn inzwischen hatten auch nach Stettin versetzte polnische Archivare begonnen, das auf polnischem Territorium aufgefundene Archivgut in Stettin zusammenzuführen. Heute befinden sich Bestände des ehemaligen Staatsarchivs Stettin im Landesarchiv Greifswald, im Staatsarchiv Stettin und im Staatsarchiv Köslin.

Mit der Reform des staatlichen Archivwesens der DDR im Jahre 1965 erhielt das Landesarchiv nicht nur als Staatsarchiv seine Eigenständigkeit als Behörde, sondern mit dem Bezirk Rostock eine archivische Zuständigkeit, die sich nun auch auf die archivische Betreuung von Unterlagen erstreckte, die nach 1945 bzw. 1952 entstanden waren. Eine besondere Bedeutung erlangten neben den staatlichen Einrichtungen vor allem die großen Wirtschaftsbetriebe an der Ostseeküste, deren Archivgut das Landesarchiv zu weiten Teilen heute betreut. Seit 1993 befindet sich im Landesarchiv auch der umfangreiche Bestand der SED-Bezirksleitung Rostock sowie Archivgut vieler Parteien und Massenorganisationen des einstigen nördlichen Bezirkes der DDR.

Mit der Vereinigung der beiden deutschen Teilstaaten im Oktober 1990 wuchsen dem Landesarchiv wie allen Staatsarchiven der ehemaligen DDR neue Aufgaben zu. Im archivischen Bereich galt es, innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern das Archivwesen neu zu ordnen, auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und die Zuständigkeiten neu zu definieren. Mit dem Landesarchivgesetz im Sommer 1997 und einer Verordnung über die Zuständigkeit der Landesarchive 1998 ist das Landesarchiv Greifswald für die archivische Betreuung aller Landesbehörden sowie nachgeordneter Bundesbehörden mit Sitz in einem der fünf nordöstlichen Kreise des Landes Mecklenburg-Vorpommern zuständig.

Anfang 1995 konnte auch das Problem der räumlichen Unterbringung des Landesarchivs einer endgültigen Lösung näher gebracht werden. Denn die 1946 im Gebäude der alten Kaserne, die zugleich dem Rat des Kreises Greifswald bzw. der späteren Kreisverwaltung als Sitz diente, zur Verfügung gestellten Räume reichten einerseits nicht aus, das umfangreiche Archivgut unterzubringen, und waren andererseits durch ihre statischen Voraussetzungen und ihren baulichen Zustand als Magazinräume kaum geeignet. Mit der Übernahme des Gebäudes in Landesbesitz und der Übergabe der Kaserne an das Landesarchiv 1998 war es diesem möglich, seine Bestände zentral unterzubringen und durch geeignete bauliche Maßnahmen die Einrichtung von angemessenen Magazinräumen einzuleiten. Zunächst waren jedoch dringend erforderliche Sanierungsarbeiten an dem denkmalgeschützten Gebäude durchzuführen, deren erster Teilabschnitt von 1999 bis 2001 finanziell von der Bundes- und Landesregierung sichergestellt wurde. Die Fortsetzung dieser Arbeiten wird bereits vom Landesarchiv in Zusammenarbeit mit dem Landesbauamt Greifswald vorbereitet.

Neben der Behördenbetreuung und Archivierung nimmt das Landesarchiv wichtige Aufgaben in der Landesgeschichtsforschung, der politischen Bildung und Öffentlichkeitsarbeit wahr. Gemeinsam mit dem Landeshauptarchiv Schwerin gibt zu diesem Zweck eine grosse Publikationsreihe heraus, unterhält eine eigene kleine Reihe und veranstaltet Ausstellungen und Vorträge. Den Schwerpunkt der Tätigkeit des Archivs bilden seit 1990 jedoch vornehmlich Aufgaben, die im Zusammenhang mit den gesetzlichen Regelungen zur Aufarbeitung der Vergangenheit der DDR erwachsen sind. Umfangreiche Recherchen zur Regelung offener Vermögensfragen, für Rehabilitierungsverfahren, für Rentennachweise sowie zur Sicherstellung persönlicher Rechte einzelner Bürger lassen nur wenig Spielraum für die eigentlichen Fachaufgaben. Hinzu kommen noch zahlreiche Bitten um Bestätigung von Zwangsarbeit in den pommerschen Gebieten, Auskunftsersuchen nach seit dem Krieg verschollenen Familienangehörigen aus Pommern und ständig zunehmende familiengeschichtliche Anfragen bundesdeutscher Vertriebene, die vor 1990 nicht möglich waren. Gerade in diesem Bereich bewährt sich inzwischen die seit 1994 vom Landesarchiv systematisch auf- und ausgebaute Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Stettin, die hinsichtlich der geteilten und zerissenen pommerschen Überlieferung nicht nur für die archivische Erschließung und Öffentlichkeitsarbeit an Bedeutung gewinnt, sondern für viele wichtige Anliegen der Bürger im Zusammenhang mit der Sicherung persönlicher Rechte sowie der Suche nach den eigenen historischen Wurzeln unentbehrlich ist.