Schmuggel an Pommerns Küste - Die Beschlagnahmung der Schiffe "Orion" und "Goede Hoop" im Mai 1808 in Kolberg

Archivalie des Monats Januar 2010

Schreiben des französischen Konsuls Billiot vom 27. Mai 1808 an den Direktor der Kriegs- und Domänenkammer Justus Gruner in Treptow/R. wegen der englischen Kolonialwaren.Details anzeigen
Schreiben des französischen Konsuls Billiot vom 27. Mai 1808 an den Direktor der Kriegs- und Domänenkammer Justus Gruner in Treptow/R. wegen der englischen Kolonialwaren.

Schreiben des französischen Konsuls Billiot vom 27. Mai 1808 an den Direktor der Kriegs- und Domänenkammer Justus Gruner in Treptow/R. wegen der englischen Kolonialwaren.

Schreiben des französischen Konsuls Billiot vom 27. Mai 1808 an den Direktor der Kriegs- und Domänenkammer Justus Gruner in Treptow/R. wegen der englischen Kolonialwaren.

Nach der Niederlage der französischen Flotte bei Trafalgar gegen die britische Seemacht am 21. Oktober 1805 musste Napoleon seine Strategie gegen England ändern. Das Land sollte nun nicht mehr durch eine militärische Eroberung sondern durch ein Handelsembargo besiegt werden. Im Berliner Dekret vom 21. November 1806 untersagte Napoleon sämtlichen Handel zwischen dem europäischen Kontinent und den britisch kontrollierten Gebieten. Nach den militärischen Erfolgen Napoleons auf dem Kontinent bis zur Mitte des Jahres 1807 dehnte sich die "Kontinentalsperre" auch auf Spanien, Österreich, Preußen und nach dem Frieden von Tilsit auf Russland aus. Diesem Embargo stellte Großbritannien seine eigene Seehandelsblockade entgegen. Folge der doppelten Blockadepolitik war eine Schwächung der Wirtschaft auf beiden Seiten. Auf der britischen Insel fehlten grundlegende Rohstoffe wie Getreide und Holz. Auf dem Kontinent wurde der Mangel an sämtlichen Kolonialwaren beklagt. Trotzdem waren die Maßnahmen in den französisch besetzten Gebieten nicht so einfach durchzusetzen. Die unübersichtlich gestaltete Ostseeküste bot zum Beispiel viele Möglichkeiten für einen blühenden Schleichhandel. Der Schmuggel mit englischen Kolonialwaren wurde durch die preußische Regierung heimlich sogar gefördert, über preußische Häfen wie Stettin, Danzig, Königsberg und Memel.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Beschlagnahmung der zwei Handelsschiffe "Goede Hoop" und "Orion", die im Mai und Juni 1808 in Kolberg für Aufsehen sorgte. Die Festung Kolberg an der hinterpommerschen Ostseeküste gehörte nach dem Frieden von Tilsit noch zum preußischen Reststaat. Kolberg wurde demnach zwischen 1807 und 1808 durch die Königlich Preußische Interimistische Kriegs- und Domänenkammer in Treptow/Rega verwaltet, stand jedoch unter strenger Aufsicht französischer Behörden, auch um die Umsetzung des Handelsembargos zu überwachen.

Als nun am 1. Mai 1808 im Hafen von Kolberg unerwartet die Ankunft zweier Handelsschiffe, der "Goede Hoop" und der "Orion", mit Kolonialwaren an Bord gemeldet wurde, hatten die preußischen Behörden sofort eine Untersuchung der Ladung in die Wege zu leiten. Das zuständige Zollamt (Licentamt) in Kolberg ließ die Schiffe mitsamt der Ladung umgehend unter militärische Bewachung setzen. Der Eigentümer der Ladung, der württembergische Kaufmann Riethmüller aus Hamburg, erzählte dem Direktor der Kriegs- und Domänenkammer Justus Gruner (1777-1820) eine abenteuerliche Geschichte seiner bisherigen Reise. Die Schiffe führen unter neutraler Flagge der Herrschaften Kniphausens und Papenburgs. Sie wären in Lissabon mit portugiesischen Kolonialwaren beladen worden und am 13. Februar 1808 mit der Bestimmung der preußischen Häfen Pillau und Memel abgesegelt. Unterwegs wären die Schiffe durch schwieriges Wetter auf See aufgehalten worden und hätten notgedrungen einen Hafen in Norwegen anlaufen müssen. Dort hätten sie von der englischen Blockade des Sundes erfahren, weshalb sie am 17. April durch den Belt in die Ostsee gefahren wären. In der Ostsee wären sie von zwei Kriegsschiffen wohl englischer Nationalität verfolgt worden, weshalb sie sich in den Hafen von Kolberg geflüchtet hätten.

Er bat darum, die Erlaubnis zum Weitersegeln zu erhalten oder noch besser die Waren an seinen Kolberger Kollegen, den Kaufmann und Reeder Ernst Friedrich Schröder, verkaufen zu können, da er weitere Gefahren befürchtete. Schröder bräuchte als Käufer jedoch die Bestätigung des neutralen Ursprungs der Waren, da nur neutrale Handelsgüter mit französischem Pass über die Demarkationslinie ins Land hinein verkauft werden durften. Die Papiere der Schiffe und der Ladung, die Riethmüller Gruner daraufhin zur Prüfung vorlegte, schienen auf den ersten Blick echt zu sein. Gruner leitete diese Papiere, darunter Pässe mit der Unterschrift des Generals der französischen Truppen in Portugal, Jean Andache Junot (1771-1813) und anderer französischer Behörden in Lissabon, zur Überprüfung an den französischen Konsul Billiot in Stettin weiter. Dieser übergab sie wiederum zur weiteren Bearbeitung an Reichsmarschall Nicolas Jean-de Soult (1769-1851), den Chef der dortigen französischen Besatzungstruppen. Laut eines Briefes Billiots vom 9. Mai 1808 wurden die eingereichten Papiere als "parfaitement en règle" eingestuft und einem Verkauf der Waren an den Kaufmann Schröder zugestimmt. Bereits wenige Tage später konnte nach einer weiteren eingehenden Untersuchung durch Gruner der Verkauf der Ladung in die Wege geleitet werden. Die Löschung und Verladung der Kolonialwaren auf fünf im Hafen von Kolberg liegende Leichterschiffe Schröders und auf Speicherböden seines Handelshauses wurde am 19. Mai 1808 öffentlich bekannt gegeben.

Bereits einen Tag danach, am 20. Mai 1808, spitzte sich die vermeintlich geklärte Angelegenheit wieder zu. Gruner erhielt inoffizielle Informationen durch den ersten Adjutanten Generals von Blücher. Ein französischer Capitain Desmolandes aus Kolberg habe herausgefunden, dass die angeblich aus Lissabon kommenden Schiffe mit englischen Kolonialwaren, und somit mit Schmugglerwaren, beladen gewesen wären. Dieser Capitain wolle seine Entdeckung dem Reichsmarschall Soult melden. Am 30. Mai erhielt Gruner daraufhin von Billiot einen Brief, der ihm die neuen Entwicklungen nun auch offiziell bekannt machte. Das Schreiben verdeutlicht das angespannte Verhältnis zwischen regionaler Zivilbehörde und französischer Militärverwaltung und spiegelt zugleich das derzeitige Machtverhältnis zwischen beiden wider (Brief sh. oben). Billiot forderte darin die erneute sofortige Beschlagnahmung sowohl der Schiffe als auch der Ladung durch die preußischen Behörden. Zugleich zeigte er sich entrüstet, dass weitere Schiffe mit falsch deklarierten Kolonialwaren durch den Sund in Richtung der preußischen Häfen Pillau, Königsberg und Memel unterwegs wären. Den französischen Behörden war also durchaus klar, welche Geschäfte hinter ihrem Rücken betrieben wurden. Deshalb schlug Billiot nun deutlichere Töne an. Würden die von französischer Seite geforderten Maßnahmen nicht umgesetzt, sähe sich Reichsmarschall Soult gezwungen, den Hafen von Kolberg zu schließen und die Kommunikation und den Transport aller Art von Waren, zu Land und zu Wasser, zu unterbinden. Damit sollten, so Billiot, den Feinden des Kontinents und den Anhängern Englands alle Ressourcen und Möglichkeiten genommen werden, die sie in Kolberg zu finden scheinen, in den Schiffe bevorzugt einlaufen würden, obwohl sie andere Ziele hätten ("ou les vais-seaux abordent de préference quoiqu’ayant d’autres destination").

Die Beschlagnahmung der Kolonialwaren war durch Gruner vorsichtshalber bereits eingeleitet worden, nachdem er von der Fälschung der Papiere erfahren hatte. Die Schiffe "Goede Hoop" und "Orion" hatten bereits den Hafen verlassen und hatten sich der Verhaftung damit entzogen. In seiner Antwort an Billiot kritisierte Gruner die harte Linie, die im Brief angedroht würde. Der Verkauf der Waren sei erst nach Zustimmung durch die französischen Behörden erfolgt. Die Beschlagnahmung der Waren auf den Schiffen durch die preußischen Behörden verzögerte sich schließlich noch um weitere Monate an, währenddessen die Fracht an Bord der Schiffe verbleiben musste. Zum Schutz der kostbaren Waren, darunter großer Bestände an Indigo, Anis, Pfeffer, Zucker, Kaffee, "Martinique Terres" und Holz, wurden die Luken der Schiffe durch Beamte des Zolls jedoch regelmäßig geöffnet. Schröder musste die konfiszierten Waren schließlich erneut, dieses Mal von den preußischen Behörden, käuflich erwerben. Der größte Teil der Waren wurde ihm daraufhin im September 1808 übergeben. Das letzte Schiff wurde aber noch bis November vom Zoll zurückbehalten, da Schröder sich zunächst weigerte, die für die Einfuhr der Waren von den preußischen Behörden geforderten Zoll zu zahlen. Die Entdeckung des Schmuggels bedeutete für Schröder also einige finanzielle Mehraufwendungen, ein Gewinn war der Ankauf der Kolonialwaren jedoch allemal.

von Kathleen Jandausch

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