Landesbibliothek übernimmt Nachlass des Landeskirchenmusikdirektors Georg Gothe (1895-1973)
Mehr als fünf Jahrzehnte lang hat Georg Gothe das geistliche Musikleben in Schwerin und in der Landeskirche geprägt. Von 1926 bis 1931 war er Kantor der Paulskirche, ab 1931 Domorganist, 1941 wurde er zum Kirchenmusikdirektor, 1957 zum Landeskirchenmusikdirektor ernannt. Als Orgelsachberater hat er ein annähernd vollständiges Orgelinventar der Mecklenburgischen Landeskirche erstellt.
Der Mediziner und Orgelforscher Max Reinhard Jaehn hat den Nachlass seines einstigen Orgellehrers zusammengetragen, um weitere Dokumente vermehrt und den Inhalt der insgesamt sechs Archivboxen in einem Findbuch erschlossen. Im März 2025 übereignete er den Bestand als Schenkung der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern.
Der Nachlass gibt ein umfassendes Bild von Gothes Tätigkeitsspektrum. Er ist aber auch ein Materialfundus für Kirchenmusiker, Orgelkundler, Kirchenhistoriker, Musikwissenschaftler und die landesgeschichtliche Forschung.
Der Bestand enthält hunderte von Choralbearbeitungen für Gothes eigenen kirchenmusikalischen Gebrauch und für seinen Schülerkreis. Das meiste davon ist ungedruckt, war aber in Form von Abschriften weit verbreitet.
Die erhaltene Briefsammlung mit Kollegen u.a. in Rostock, Naumburg und Stralsund dokumentiert einen regen Austausch von Musikalien, aber auch orgelkundlichen Wissens.
Eine kleine Sammlung von Fotografien ist durch Abbildungen des Schweriner Streichquartetts, des Paulskirchenchors und des Domchors nicht nur biographisch, sondern auch institutionsgeschichtlich interessant.
Sechs Tonbänder sind wertvolle Zeitdokumente für Gothes Orgelspiel und für das Klangbild der Ladegast-Orgel vor und nach der Reparatur um 1960.
In ihrer Art wohl einzigartig ist eine Sammlung von stark 400 Programmzetteln, die zum Teil durch Zeitungsankündigungen und Konzertberichte ergänzt werden. Sie decken den Zeitraum von 1921 bis 1973 ab. Mehr als die Hälfte davon sind musikalischen Veranstaltungen am Schweriner Dom zuzuordnen und zeugen bereits durch die Titelgebung von der Differenziertheit kirchenmusikalischer Veranstaltungsformate.
Es ist ein Glücksfall für alle, die sich mit diesen Materialien beschäftigen wollen, dass der Nachlass bereits in großer Inhaltstiefe erschlossen ist. Das 160-seitige Findbuch von Max Reinhard Jaehn ist mehr als ein bloßes Bestandsverzeichnis, es ist das Ergebnis langjähriger Auseinandersetzung mit dem Material und leistet eine umfassende Kontextualisierung und quellenkritische Prüfung der Dokumente.
Die Kustodin der Musiksammlung, Dr. Miriam Roner, sagt: "Dieser Nachlass ist eine wichtige Quelle für die musikalische Landeskunde und damit eine große Bereicherung für unsere Bibliothek. Das Material ist sehr vielgestaltig und bietet nicht nur ein differenziertes Bild vor allem des Schweriner Musiklebens, sondern auch eine Pluralität von Forschungsperspektiven. Die Programmzettel geben z.B. Auskunft über die musikalische Repertoiregestaltung am Schweriner Dom oder über die Anfänge der von Gothe 1926 ins Leben gerufenen Abendmusiken an der Paulskirche, Gothes Organisten-Agenden dokumentieren die Auswirkungen der Nachkriegs-Liturgiereform auf die kirchenmusikalische Praxis, und die verstreut auf einzelnen Kompositionsmanuskripten notierten Registrierangaben (insbesondere für die Schweriner Ladegast-Orgel) sind für Fragen der Aufführungspraxis interessant. Herrn Jaehn sei an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich gedankt für die großzügige Schenkung, für die archivgerechte Verpackung und für die Erschließung des Nachlasses, der ab sofort eingesehen und benutzt werden kann."
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