Eins gesucht, zwei gefunden: Kurioser Schmuckfund aus der Bronzezeit

Fund des Monats September 2010

Neu Teterin, Lkr. Ostvorpommern. Der "Altfund"Details anzeigen
Neu Teterin, Lkr. Ostvorpommern. Der "Altfund"

Abb. 1: Neu Teterin, Lkr. Ostvorpommern. Der "Altfund"

Abb. 1: Neu Teterin, Lkr. Ostvorpommern. Der "Altfund"

Bei einem Spaziergang fand Herbert Brieske im Jahre 2004 in Neu Teterin, Lkr. Ostvorpommern, südlich der Hansestadt Anklam einen merkwürdigen Metallgegenstand. Als er den Fund einige Zeit später dem Museum in Anklam vorlegte, bestimmten die Archäologen des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege diesen als eine bronzezeitliche Beinberge (Abb. 1). Normalerweise sind solche Objekte Teil der bronzezeitlichen Frauentracht im südlichen Ostseeraum. Ein besonders gutes Beispiel für eine zeittypische Trachtausstattung ist die "Dame von Thürkow", die um 1200 v. Chr. mit solch auffälligen Spiralringen an den Unterschenkeln bestattet wurde (Abb. 2).

Die dunkle Färbung des Fundstückes (Moorpatina) deutete darauf hin, dass es lange Zeit unter Luftabschluss in einem feuchten Milieu gelegen haben muss und demnach wohl nicht als Grabbeigabe genutzt, sondern in einem See, Fluss oder Moor als Opfergabe deponiert wurde. Da solche Beinbergen in der Bronzezeit aber in der Regel nicht einzeln geopfert wurden, organisierte man eine Nachforschung mit Metalldetektoren, denn das Landesamt bildet seit einiger Zeit ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger in der fachgerechten und systematischen Benutzung von Metalldetektoren aus. Die Suche war auch durchaus von Erfolg gekrönt, nämlich durch die Entdeckung von Fragmenten zweier Beinbergen und Bruchstücken einer Bronzesichel.

Die drei Beinbergen aus Neu Teterin ähneln einander auf den ersten Blick sehr, alle zeigen eine bräunliche Moorpatina und gleichen sich in der Größe (Abb. 3). Allerdings ergab die genaue Betrachtung der Stücke, dass die beiden Neufunde ein Paar bildeten, während das Gegenstück zum Altfund noch immer fehlte.

Das bei der Detektorprospektion entdeckte Bergenpaar ist nur fragmentarisch überliefert. Von einem Stück sind der Bügel, eine rechts gewundene Spiralscheibe sowie der Ansatz der zweiten Spirale erhalten, von dem anderen nur eine identisch verzierte, aber links gewundene Spirale sowie der Ansatz der gegenüberliegenden Spiralscheibe (Abb. 3 vorne). Der vollständige, allerdings stark deformierte Altfund hat rechts gewundene Spiralscheiben (Abb. 3 hinten). Alle Stücke waren offenbar durch den Ackerbau stark in Mitleidenschaft gezogen worden, doch zeigten Abnutzungsspuren in Form von Materialabrieb auch, dass die Stücke tatsächlich als Schmuck getragen worden sind.

Die Verzierung – sowohl auf dem Bügel als auch auf der Spirale – der Stücke ist keineswegs gleich. So zeigt die Spiralzier des Altfundes außen Strichgruppen, an die sich eine ununterbrochene Strichzier anschließt, während die Mitte unverziert bleibt. Bei dem Bergenpaar sind die Spiralen in der Mitte zwar ebenfalls unverziert (Abb. 4), doch schließt daran zunächst eine Winkelreihe, dann eine Strichgruppenzone und schließlich eine Strichgruppenzier an, bei der der Zwischenbereich durch jeweils ein X-Zeichen ausgefüllt ist.

Auch ist der Bügel des Altfundes durch längs laufende Liniengruppen und Schrägstrichbänder gefüllt. Vor der Gitterschraffurzone liegen senkrechte Strichgruppen mit Schrägstrichfüllung. Beim Neufund finden sich hingegen breite Winkelmuster mit einer dazwischen liegenden Kerbreihe in der Mitte. In allen drei Fällen ist allerdings der Übergang zwischen Bügel und Spirale durch eine Gitterschraffurzone betont.

Bergen sind eine in Mecklenburg-Vorpommern während Periode III der Bronzezeit (1300–1100 v. Chr.) weit verbreitete Form des Ringschmucks, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die beiden Ringenden in flache, senkrecht zum Ring übereinander stehende Spiralscheiben auslaufen. Grabfunde zeigen, dass derartig große Stücke wie aus Neu Teterin als Beinschmuck an den Unterschenkeln getragen wurden. Dabei trug man in der Regel ein identisch verziertes Paar – ein Stück mit rechts gewundenen, eines mit links gewundenen Spiralen. Nur in Serrahn, Lkr. Güstrow, fanden sich einmal in einem Grab zwei unterschiedliche Stücke.

In großer Zahl kommen Beinbergen im Bereich der Mecklenburger Gruppe vor, also im Gebiet zwischen Elde, Schweriner See und Malchiner See. Diese Stücke sind allerdings auf dem Bügel stets durch ein schräg liegendes Leiterband verziert und unterscheiden sich diesbezüglich von den Objekten aus Neu Teterin. Diese gehören zu einer kleinen Fundgruppe, die im Osten Mecklenburg-Vorpommerns und im nordwestlichen Polen nachgewiesen ist und als Typ Wierzbięcin oder – nach einem häufigen Ziermuster – auch als "Fußbergen mit Winkelmuster" bezeichnet wird. Kennzeichnend für diese Fundgruppe ist ein vielfältigerer Kanon an Motiven. Die Gitterschraffurzone am Bügelansatz zeigt allerdings den engen Kontakt in den mecklenburgischen Raum, denn dies ist ein typisches Zierelement der Mecklenburger Beinbergen. Auch die Stücke aus Neu Teterin sind Periode III der Bronzezeit zuzuweisen und datieren demnach in die Zeit zwischen 1300 und 1100 v. Chr.

Dr. C. Michael Schirren / Dr. Jens-Peter Schmidt

Fund des Monats September 2010

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