Fund des Monats März 2024

Im Schatten von Gustav II. Adolf und seiner schwedischen Armee: Ein kleiner Münzschatz aus dem Dreißigjährigen Krieg von Grüssow, Lkr. Vorpommern-Greifswald

Abb. 1: Grüssow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Doppelschilling von 1619 aus Pommern-Wolgast, Vorder- und Rückansicht (Durchmesser 22,7 mm).Details anzeigen
Abb. 1: Grüssow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Doppelschilling von 1619 aus Pommern-Wolgast, Vorder- und Rückansicht (Durchmesser 22,7 mm).

Abb. 1: Grüssow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Doppelschilling von 1619 aus Pommern-Wolgast, Vorder- und Rückansicht (Durchmesser 22,7 mm).

Abb. 1: Grüssow, Lkr. Vorpommern-Greifswald. Doppelschilling von 1619 aus Pommern-Wolgast, Vorder- und Rückansicht (Durchmesser 22,7 mm).

In der auf Usedom gelegenen Gemarkung Grüssow fand der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Michel Reich im Jahre 2023 einen kleinen zerpflügten Münzschatz. Es konnten 102 Silbermünzen geborgen werden. Da der Schatz durch landwirtschaftliche Aktivitäten in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist davon auszugehen, dass die ursprüngliche Anzahl der Münzen noch etwas höher war. Die Intensivität der Störung bzw. der periodischen Störungen muss sehr hoch gewesen sein, da einige Stücke verbogen und sehr wenige sogar zerbrochen sind. Hinweise auf ein Münzschatzgefäß fanden sich nicht.

Bei der Masse der Nominale handelt es sich um Doppelschillinge, seltener gibt es dagegen etwas höherwertige Düttchen. Mit 45 Exemplaren kommen zwischen 1613 und 1619 geprägte Doppelschillinge des Herzogtums Pommern-Wolgast am häufigsten vor (Abb. 1). Der Münzherr, Herzog Philipp Julius (Reg. 1592–1625), ließ diese Münzen ausschließlich in der Münzstätte Franzburg prägen. Ihr hoher Anteil in dem Schatz spricht dafür, dass es sich um eine vom Sparer besonders ausgesuchte Gruppe handelt. Andere Nominale wie die schwereren Doppelschillinge, die Herzog Philipp Julius zwischen 1609 und 1612 prägen ließ, sowie die leichteren Doppelschillinge, die er in den Jahren 1620 und 1621 herstellen ließ, fehlen dagegen in dem Grüssower Schatz. Bemerkenswert ist weiterhin, dass es keinen Doppelschilling mit einem Gegenstempel gibt, obwohl die Kontermarkierung im Wolgaster Landesteil vor allem im Jahre 1622 erfolgte. Diese verbeulten Nominale waren bei der Bevölkerung sehr unbeliebt. Auch sucht man Doppelschillinge aus anderen pommerschen Teilherrschaften in dem Fund von Grüssow vergebens. Nur fragmentarisch erhalten ist ein Düttchen (1/16 Reichstaler) aus dem Jahre 1623 oder 1624, das ebenfalls unter Herzog Philipp Julius von Pommern-Wolgast geprägt wurde. Fünfmal gibt es Nachweise von Düttchen aus der Stralsunder Münze. Zwei von diesen tragen die Jahreszahl „1624“. Bei zwei weiteren, im Jahre 1630 geprägten Düttchen handelt es sich um die jüngsten Münzen dieses Schatzes (Abb. 2). Da Grüssow damals Bestandteil der Herrschaft Pommern-Wolgast war, sprechen die soeben erwähnten 51 Münzen für einen typischen „Heimatfund“.

In quantitativer Hinsicht folgen den pommerschen Nominalen 33 Münzen aus Mecklenburg. Die sechs Doppelschillinge von Adolf Friedrich I., Herzog von Mecklenburg-Schwerin (Reg. 1610–1628 und 1631–1658), wurden 1615, 1616 und 1617 ausgemünzt (Abb. 3). Mit 17 zwischen 1615 und 1618 geprägten Doppelschillingen ist Johann Albrecht II., Herzog von Mecklenburg-Güstrow (Reg. 1611–1628 und 1631–1636), gut vertreten (Abb. 4). Eine Besonderheit ist ein Exemplar mit den Umschriften „COAD EP RATZ DVX MEGA // ZV MECHELNBVRG 1618“, die den Namen des Herrschers nicht erkennen lassen (Abb. 5). Diese Münze ist ebenfalls unter Johann Albrecht II. von Mecklenburg-Güstrow geschlagen worden, sie nimmt aber Bezug auf sein Amt als Koadjutor des Bistums Ratzeburg. Aus den mecklenburgischen Seestädten Rostock und Wismar stammen je fünf Doppelschillinge. Für Rostock sind die Jahrgänge 1614, 1616 und 1617 belegt (Abb. 6). Die Wismarer Stücke datieren zwischen 1615 und 1618 (Abb. 7).

Die restlichen Doppelschillinge stammen von Städten, Herrschaften und Bistümern, die westlich von Mecklenburg, also noch weiter entfernt von Grüssow, liegen. Zwei Münzen aus Hamburg tragen die Jahreszahl 1615 (Abb. 8). Stade ist durch ein wohl im Jahre 1616 und ein im Jahre 1618 geprägtes Exemplar vertreten (Abb. 9). Drei Doppelschillinge aus den Jahren 1616, 1617 und 1618 sind auf Veranlassung von Johann Friedrich von Schleswig-Holstein-Gottorf, Erzbischof von Bremen (Amtszeit 1596–1634) und Fürstbischof von Lübeck (Amtszeit 1607–1634) ausgemünzt worden (Abb. 10). Vom Regenten des Herzogtums Schleswig-Holstein-Gottorf, Friedrich III. (Reg. 1616–1659), zeugen zwei Doppelschillinge aus den Jahren 1617 und 1619 (Abb. 11). Ein Bruchstück mit dem Umschriftenrest „[- - -]ES : NORWG // [- - -] : OL : E : D : 1618 •“ ist Johann dem Jüngeren, Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg (Reg. 1564–1622), zuzuordnen. Ein 18 ½ Reichstaler (Doppelschilling) aus dem Jahre 1615 (Abb. 12) ist in der Regentschaft von Graf Ernst zu Holstein-Schaumburg (Reg. 1601–1622) entstanden. Ein Einzelstück aus dem Jahre 1617 kann August dem Älteren von Braunschweig-Lüneburg-Celle, evangelischer Bischof von Ratzeburg (Amtszeit 1610–1636), zugeordnet werden (Abb. 13). Die letzten sechs Doppelschillinge aus den Jahren 1616 und 1617 stammen aus der Herrschaft Harburg und sind unter Wilhelm August von Braunschweig-Lüneburg-Harburg (Reg. 1603–1642) geschlagen worden (Abb. 14).

Es ist bemerkenswert, dass sämtliche in dem Münzschatz repräsentierten Nominale aus Münzstätten stammen, die westlich von Grüssow gelegen sind, wobei mit zunehmender Entfernung die Anzahl der Münzen stetig abnimmt (Abb. 15).

Grüssow ist ein schon seit dem späten Mittelalter bestehendes Dorf. Historische Quellen aus den Jahren 1666 und 1693 vermerken, dass hier einige Bauern und wenige Kossäten lebten. Sie durften unter Vorgaben auch im Achterwasser fischen. Da es sich um einen typischen „Heimatfund“ handelt, ist anzunehmen, dass der kleine Schatz einem Bewohner von Grüssow gehörte. Die jüngsten bisher geborgenen Münzen datieren in das Jahr 1630. Folglich ist der Schatz in diesem Jahr oder kurz danach in den Boden gelangt, also in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges. Von 1627 bis zum Frühjahr 1630 wurde Usedom von den kaiserlichen Truppen beherrscht. Dies änderte sich im Juni 1630 schlagartig, als der schwedische König Gustav II. Adolf mit einer aus über 10.000 Mann starken Armee auf Usedom landete. Sicherlich erhöhte das den Druck auf die einheimische Bevölkerung enorm, die zum Beispiel unter Einquartierungen von Soldaten und Pferden zu leiden hatte, die auch versorgt werden mussten. Weitere Drangsale waren Hunger und die Ausbreitung von Seuchen. Wir wissen nicht genau, ob der Schatz von Grüssow schon im Jahre 1630 in den Boden gelangt ist, der einheimische Sparer dürfte aber die beeindruckende Ankunft der schwedischen Armee erlebt haben.

Dr. Heiko Schäfer

Literatur:

  • Wojciech Gibczyński/Tomasz Witkiewicz, Doppelschillinge im pommerschen Münzwesen (1594–1670). Szczecin 2014.
  • Michael Kunzel, Die Münzen der Hansestadt Wismar 1359 bis 1854. Münzgeschichte und Geprägekatalog. – Berliner Numismatische Forschungen, Neue Folge 7 = Wismarer Studien zur Archäologie und Geschichte 6. Wismar, Berlin 1998.
  • Michael Kunzel, Die Münzen der Hansestadt Rostock ca. 1492 bis 1864. Münzgeschichte und Geprägekatalog. – Berliner Numismatische Forschungen, Neue Folge 8. Berlin 2004.
  • Christian Lange, Chr. Lange’s Sammlung schleswig-holsteinischer Münzen und Medaillen. Berlin 1908.
  • Manfred Olding (Hrsg.), Die Münzen der pommerschen Herzöge. Regenstauf 2016.

Fund des Monats März 2024

Im Schatten von Gustav II. Adolf und seiner schwedischen Armee: Ein kleiner Münzschatz aus dem Dreißigjährigen Krieg von Grüssow, Lkr. Vorpommern-Greifswald

2024 - Funde des Monats

2023 - Funde des Monats

2022 - Funde des Monats

2021 - Funde des Monats

2020 - Funde des Monats

2019 - Funde des Monats

2018 - Funde des Monats

2017 - Funde des Monats

2016 - Funde des Monats

2015 - Funde des Monats

2014 - Funde des Monats

2013 - Funde des Monats

2012 - Funde des Monats

2011 - Funde des Monats

2010 - Funde des Monats

2009 - Funde des Monats

2008 - Funde des Monats

2007 - Funde des Monats