Hoch über dem Meer: Der erste wikingerzeitliche Anker aus Mecklenburg-Vorpommern

Fund des Monats Juni 2016

Putgarten, Lkr. Vorpommern-Rügen. Das Fragment eines wikingerzeitlichen Ankers von ArkonaDetails anzeigen
Putgarten, Lkr. Vorpommern-Rügen. Das Fragment eines wikingerzeitlichen Ankers von Arkona

Abb. 1. Putgarten, Lkr. Vorpommern-Rügen. Das Fragment eines wikingerzeitlichen Ankers von Arkona

Abb. 1. Putgarten, Lkr. Vorpommern-Rügen. Das Fragment eines wikingerzeitlichen Ankers von Arkona

Seit 2012 finden in der slawischen Burganlage Arkona wieder Rettungsgrabungen statt. Untersucht wird ein Streifen parallel zur Abbruchkante des über 40 m hohen Kliffs, der besonders vom Küstenabbruch bedroht ist. Ziel ist es, die Befunde in diesem Streifen zu dokumentieren und das Fundmaterial zu bergen, bevor es in die Tiefe stürzt.

Eine ovale Hausgrube in der Grabungsfläche 2015 enthielt neben etlichen Waffen, Reiterzubehör, Messern und Truhenbeschlägen ein außergewöhnlich massives Eisenfragment. Mit einem Gewicht von 6,2 kg gehört es zu den schwersten bisher im westslawischen Gebiet geborgenen Metallobjekten. Das noch 40,5 cm lange und 20,2 cm breite Stück besteht aus einem 5,2 cm breiten Schaft mit rechteckigem Querschnitt und kopfartigem Ende, ursprünglich Ansatz zweier Arme. Am Schnittpunkt befindet sich ein Loch. Beide Arme sind verloren. Das ursprüngliche Gewicht des Fundstücks dürfte mit rund 20–25 kg zu schätzen sein.

Die unregelmäßigen Bruchkanten entsprechen vermutlich den Stellen, an denen die einzelnen Eisenstücke zusammengeschmiedet worden waren. Einige Nähte lassen erkennen, dass selbst das erhaltene Stück aus mindestens drei Blöcken besteht; ein Hinweis auf die wenig bekannten, aber offenbar sehr begrenzten technischen Möglichkeiten der damaligen Eisenverarbeitung, denn nur eine vergleichsweise kleine Menge Metall konnte bei der Verhüttung in einem Arbeitsgang hergestellt werden.

Das Fragment lässt sich zu einem wikingerzeitlichen Anker ergänzen. Funde von Ankern aus dieser Zeit sind in Nordeuropa ausgesprochen selten, wenn man einmal von den Miniaturankern aus Bleilegierungen absieht. Auch die Zahl der bildlichen Darstellungen ist überschaubar; zu ihnen gehört der Teppich von Bayeux, der mehrere mit Ankern ausgerüstete Boote zeigt. Ein wesentlich jüngeres Fresko in der Kirche Skamstrup Holbaek (um 1370) belegt die Langlebigkeit dieser Ankerform.

Ein vollständiger, 1,86 m langer und 0,84 m breiter Anker mit 10 m langer eiserner Kette und einem geschätzten Gewicht von 40–50 kg gehörte zu dem berühmten Grabschiff von Ladby (Fünen, Dänemark). Aus anderen skandinavischen Bootsgräbern sind die Funde aus Oseberg (1,20 lang, 0,65 m breit, heutiges Gewicht 9,8 kg) und Gokstad (zwei hölzerne Ankerstöcke, 2,28 m bzw. 2,70 m lang) die wohl am besten bekannten.

Ein weiterer Anker stammt aus Ribe (Dänemark, 1,50 m lang, 1,0 m breit, 27,5 kg). Weniger bekannt ist ein in das 9. Jahrhundert datierter Anker, geborgen 1871 an der Atlantikküste südlich der Loire-Mündung, heute aufbewahrt in der Vorhalle der Kirche in Prigny. Erst 2009 geborgen wurde ein Anker bei Sleat auf der Isle of Skye. Ein hölzerner Ankerstock von 2,43 m Länge stammt aus dem Hafen von Haithabu, ein Armfragment aus der Plessenstraße in Schleswig. Hinzu kommen einige weiter sicher oder mutmaßlich in die Wikingerzeit zu datierenden Anker und Ankerfragmente.

Für das westslawische Gebiet ist der Anker von Arkona der erste Nachweis. Dem Fundzusammenhang nach gehört er in die Mitte des 10. Jahrhunderts. So sehr sich auf Rügen der Verweis auf die Seefahrt aufdrängt: Dieser Anker ist wohl eher als Kriegsbeute anzusehen.

Dr. Fred Ruchhöft


Literatur

Crumlin-Pedersen 1997: O. Crumlin-Pedersen, Viking-Age Ships und Shipbuilding in Hedeby/Haithabu and Schleswig. Schleswig/Roskilde 1997 (Ships and Boats of the North 1). Guy 1997: J. Guy, Six millénaires d'histoire des ancres. Paris 1997, 65–68:
Koktvedgaard Zeitzen 2002: m. Koktvedgaard Zeitzen, Miniaturanker aus Haithabu und Schleswig. Bericht 34 (2002), 69–82.
Sølver 1958: C. V. Sølver, The Ladby ship anchor. In: The Mariner‘s Mirror 44 (1958), 294–301.
Sørensen 2008: A. C. Sørensen, Ladby. A Danish ship-grave from the Viking Age. Ladby 2008.

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