Kunst für die Straße: Plakate von Günther Uecker

Originallithographisches Plakat der Erker-Galerie aus dem Jahr 2000; Foto: LBMV Details anzeigen
Originallithographisches Plakat der Erker-Galerie aus dem Jahr 2000; Foto: LBMV
Originallithographisches Plakat der Erker-Galerie aus dem Jahr 2000; Foto: LBMV
Originallithographisches Plakat der Erker-Galerie aus dem Jahr 2000; Foto: LBMV
18.08.2023  | LB  | LAKD - Landesbibliothek

Die Landesbibliothek zeigt vom 31. August bis 27. Oktober Plakate von Günther Uecker. Die Auswahl umfasst einen Querschnitt aus 60 Jahren, zumeist mit Belegen für Einzelausstellungen des Künstlers, und flankiert die Präsentation des Nagelreliefs "Weißer Schrei". Alle in Schwerin vorhandenen Exponate werden zudem online gestellt und beschrieben.

In den 60er-Jahren, der Zeit des Wiederaufbaus und wirtschaftlichen Aufschwungs, wurde das Plakat zum wichtigsten Werbemittel. Als Ausdrucksmedium kam es Nachkriegskünstlern wie Günther Uecker (Jg. 1930) entgegen. Es entspricht dem Wunsch nach einer "Leute-Kunst", wie Uecker es formuliert, um Öffentlichkeit zu erreichen, die den Alltag begleitet. Ihretwegen wurden sogar Kaufhäuser okkupiert, wie 1970 der Kaufhof in Düsseldorf, zeitgleich zur Biennale Venedig, wo Uecker mit Lenk, Mack und Pfahler im deutschen Pavillon ausstellte.

Ueckers frühe Plakate künden als "Modelle für die Vergangenheit" (1970) oder als "Ideenkammer" (1972) von der Programmatik des Künstlers. Es sind Skizzen im Sinne eines Merkzettels, eines künstlerischen Leitfadens für ein Projekt bzw. dessen Reflexion, aber auch gegen gefälliges Wohlstandsdenken. Uecker richtet diese Skizzen als Botschaft an sein Publikum. Bis heute publiziert er sie in Katalogen und Begleitschriften. Er benutzte diese Form sogar für einen gezeichneten Lebenslauf, der 1983 als 16-teilige Lithographie zu seiner monographischen Werkschau im Verlag Klett-Cotta erschien.

Auch der Nagel entfaltet auf dem Plakat früh seine ikonographische Kraft, 1963 als künstlerisches Manifest zur „Transgression“ der Nägel auf Alltagsgerät oder bald darauf (1967) als startende Rakete inszeniert. In Lebensgröße des Künstlers gefertigt verschmelzen Kunst und Person Ueckers im Motiv des Nagels zum skulpturalen „Selbstporträt“.

Neben Galerien und Kunstvereinen werden für Uecker in den 70er-Jahren auch Museen zu "bewohnbaren Orten". Bereits 1968 hatte er mit der symbolischen Erstürmung und Besetzung der Kunsthalle Baden-Baden die "Auflösung bestehender Museumspraktiken" eingeleitet. Ausstellungen in Düsseldorf, Stuttgart und Schwäbisch Hall befassen sich, wie Plakate belegen, mit seinen Entwürfen zu Theater und Schrift. Als spektakulär darf bis heute die große Retrospektive von 1988 in Moskau gelten, mit der erstmals ein westlicher Künstler in einer großen Einzelausstellung im sozialistischen Ausland auftreten durfte. Das originallithographische Plakat mit der Arbeit "Fall" bedient sich des Großformats und (einem Transparent vergleichbar) der Farbe Rot. Zur Plakatierung diente ein weiteres Motiv im Offsetdruck, das als Aschebild nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl entstanden war.

Zum Anspruchsvollsten zählen die Plakatdrucke der Erker-Presse in St. Gallen. Die hier bis 1989 und später bei Stoob-Steindruck entstandenen Lithographien wurden vom Künstler direkt auf den Stein gezeichnet und stehen für eine graphisch hochwertige Plakatkunst über den Entstehungsanlass hinaus. Das Gestaltungsmotiv ist nicht Abbild von Kunst, sondern es ist das Kunstwerk selbst. Es handelt sich zumeist um Originallithographien, die als Plakat vom selben Stein gedruckt wurden wie die limitierten Künstlerausgaben, lediglich auf einfacherem Papier und mit Werbe- und Informations-Beidruck.

An die Stelle original künstlerischer Arbeiten oder graphischer Entwürfe treten in jüngerer Zeit vermehrt Fotographien, sei es als Porträt oder als Abbild von Sammlungsstücken resp. Exponaten. Von brachialer Signalwirkung sind Ueckers Nagelbäume und -felder. Doch auch die poetischen Töne fanden seit Ueckers "Huldigung an Hafez" (Zyklus von 2013) in die Gestaltung zurück, ebenso die Farbigkeit seiner neueren Arbeiten, die schon in den Aquarellen der 80er-Jahre auf Plakaten begegnen und überraschen.

Als Namensbibliothek Günther Uecker besitzt die Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern einen Querschnitt von 80 Plakaten des Künstlers. Den Grundstock dafür gab 2018 eine Schenkung des rheinischen Sammlers Friedhelm Drautzburg. Diese wurde durch Zuwächse aus den Archiven des Steindruckers Urban Stoob, des Gestalters Rolf Schroeter und anderen Quellen ergänzt. Das Material umfasst eine Zeitspanne von gut 60 Jahren, zumeist mit Belegen für Einzelausstellungen, aber auch für Veranstaltungen (Internationales Beethovenfest 1983, Grimme-Preis 2014) oder als Werbeplakate für die Büro- bzw. Industrie-Einrichter Voko (Franz Vogt in Pohlheim, 1988) und LISTA in Erlen (1995).

Begleitend zur Präsentation des Nagelreliefs "Weißer Schrei", einer Leihgabe des Staatlichen Museums Schwerin, wird unter dem Titel "Kunst für die Straße" eine Auswahl an Plakaten im Bibliotheksfoyer gezeigt. Gleichzeitig wird die gesamte Kollektion auch online sichtbar gemacht, ergänzt mit Details zu Drucktechnik, Format und Entstehungsanlässen. Die Digitalisate sind Inhalt der Bilddatenbank des Bibliotheksverbundes GBV und hier erreichbar.

Die Ausstellung in Kooperation mit den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen läuft vom 31.08. (Eröffnung um 18 Uhr) bis zum 27.10.2023. Ein Besuch ist während der Öffnungszeiten der Landesbibliothek möglich. Der Eintritt ist frei.