Der herzogliche Theatersaal am Rostocker Universitätsplatz
Denkmal des Monats März 2011


Abb. 1: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Platzfassade 1983
Foto: Foto-Sammlung LAKD MV/LD
Abb. 1: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Platzfassade 1983
Foto: Foto-Sammlung LAKD MV/LD
Herzog Christian Ludwig förderte nicht nur die bildende Kunst, sondern auch das Theater. Dies bezeugt insbesondere auch der von ihm beauftragte Bau eines Theatersaales in Rostock, der heute unter dem Begriff "Barocksaal" firmiert. Er entstand von 1747–1751 neben dem herzoglichen Palais anstelle des nur kurze Zeit zuvor erbauten Pagenhauses und war nach dem Komödienhaus auf der Schlossinsel von Schwerin, das zwischen 1702 und 1712 bestand, die erste stationäre Spielstätte in Norddeutschland. Den Entwurf für den zweigeschossigen und mit einem hohen Walmdach schließenden Putzbau lieferte vermutlich Jean Legeay. Zur Eröffnung 1751 spielte die herzogliche Schauspieltruppe unter Leitung des Principals Johann Friedrich Schönemann.
Um 1830 erfuhr das Gebäude durch die Ergänzung einer Attika und den Abbruch der Kuppel des seitlichen Treppenturms eine klassizistische Überformung. Einen weiteren erheblichen Eingriff in die barocke Gestalt des Hauses stellte die Verbreiterung der Durchfahrt in der westlichen Gebäudehälfte für die Schwaansche Straße im Jahr 1919 dar. Bei der umfassenden Sanierung von 1963–1968, die infolge der nur provisorischen Reparatur der Kriegsschäden und der baupolizeilichen Sperrung 1956 unabwendbar geworden war, erfolgte nicht nur eine umfangreiche Instandsetzung der Fußpunkte des barocken Kehlbalkendaches und der Ersatz der Holzbalkendecke über dem Erdgeschoss. Vielmehr wurde auch die klassizistische Attika wieder abgebrochen, um eine erneute Gefährdung der Traufe durch eine unzureichende Wasserabführung auszuschließen. Konsequenterweise wurde die Haube des Treppenturms nach alten Stadtansichten rekonstruiert. Darüber hinaus wurden – analog zur Platzfassade – Rundbogenfenster in die Rückfassade eingebaut, die allerdings keine Vorgänger besaßen. Im Übrigen erfuhr der Saal eine umfassende Restaurierung, die vor allem die bemerkenswerte Ausstattung einschloss. Des Weiteren wurde die Fassade neu verputzt und gestrichen und – auf der Grundlage der fotografischen Überlieferung und eines Variantenvergleichs – eine dreiseitige Stufenanlage vor dem Haupteingang hergestellt. Schließlich fand der Umbau der originalen, einläufigen, im benachbarten Palais gelegenen Treppe zum Saal unter Verwendung historischer Holzelemente zu einer zweiläufigen Treppe statt. Dennoch genügte der Festsaal in vielerlei Hinsicht nicht mehr den heutigen Ansprüchen, weshalb seine Nutzung seit 2003 entfiel.
Die 2007 durchgeführte Instandsetzung des Treppenhauses zum Saal und die Schaffung eines qualifizierten zweiten Rettungsweges über den benachbarten Hotelneubau waren Grundvoraussetzungen für die 2009/10 erfolgte Sanierung des Komödienhauses. Dabei standen vor allem Wärme- und Brandschutz sowie die Belüftung des Theatersaales im Vordergrund, womit außerdem Fragen der Statik und weitere bauphysikalische Aspekte sowie der Schallschutz für den Saal und die Akustik im Saal verbunden.
Die aus der Restaurierungsgeschichte resultierende und für den Barockbau ungewöhnliche Traufenbildung mit einem Konsolenfries, dessen Konsolen auffallend flach ausgebildet und in großen Abständen angeordnet sind, die zusätzlichen Fenster in der Südfassade und die verkehrstechnischen Erfordernissen geschuldete weite Durchfahrt in der westlichen Gebäudehälfte begründeten die Entscheidung, bei der aktuellen Sanierung den gewachsenen Gebäudebestand in seiner Fassung von 1968 zu belassen.
Obwohl zunächst vorgesehen war, den glatten Fassadenputz der 1960er Jahre lediglich partiell auszubessern und bei einem neuen Anstrich das intensive Gelb der bestehenden Fassung von 1989 etwas zu mindern, musste schließlich doch der gesamte Fassadenputz wegen der hohen Salzkonzentration und der zahlreichen Hohllagen ersetzt werden. In diesem Zusammenhang zeigten sich an den Gesimsen und Fensterfaschen historische Putz- und Farbschichten, die in den 1960er Jahren offenbar als Beleg belassen worden waren. Sie reichten jedoch nicht aus, um die ursprüngliche Farbfassung von 1747/51 nachzuweisen. Auf dem Gesims in Höhe der Fensterkämpfer im Obergeschoss ließ sich eine erste helle Fassung in Grau-Ocker nachweisen, zu der die Fenster in einem dunklen Ocker standen. Da bereits die zweite nachweisbare Fassung auf dem Kämpfer in Grau mit einem kräftigen, für das späte 19. Jahrhundert typischen Grün auf den Fenstern korrespondierte, war die zeitliche Zuordnung der ersten nachweisbaren Fassung in die Zeit um 1830 naheliegend. Inwieweit während der Instandsetzung in den 1960er Jahren Hinweise auf eine barocke Fassung in Ocker erkannt wurden und den überlieferten gelben Anstrich mit hellen Absetzungen begründeten, kann nicht mehr beurteilt werden. Im Vergleich zu ähnlich repräsentativen Bauten des mittleren 18. Jahrhunderts in Mecklenburg ist dies jedoch nicht auszuschließen. In Verbindung mit der Anerkennung des gewachsenen Baubestandes fiel die Entscheidung, die in Ocker gehende Fassadenfarbigkeit einschließlich der hellen Absetzungen zu wiederholen, die intensive Farbigkeit der Fassung von 1989 aber in Anlehnung an den helleren Anstrich der 1960er Jahre in einem Rotocker zugunsten eines kühleren Gelb aufzugeben. Diese Nuancierung erfolgte auch im Hinblick auf eine spätere Sanierung des Palais. Dessen 1747–1751 teilweise überbaute Fassade wurde im Bereich des Anschlusses des Barocksaales bei Herstellung der Schächte für die Lüftungsanlage des Saales unvermutet freigelegt. In dem freigelegten Fassadenbereich zeigte sich ein grauer Anstrich und die Imitationsmalerei eines weißen Kreuzstockfensters mit Sprossenteilung.
Auch bei der Sanierung des Saales erfolgte eine Loslösung von der überlieferten Gestalt der 1960er Jahre: Um die Mindestanforderungen des Wärmeschutzes zu erfüllen und außerdem die Beeinträchtigung der Veranstaltungen im Saal durch Straßenlärm zu minimieren, galt es, die Fenster deutlich zu verbessern. So konnten zwar die bauzeitlichen Rahmen und Oberlichter bewahrt werden, die bereits früher ausgewechselten Flügel allerdings mussten mit einer Ausnahme komplett ersetzt werden. Die zusätzlich erforderlichen Innenfenster wurden mit dem konstruktiv notwendigen Abstand zur historischen Fensterebene so eingebaut, dass die raumprägenden geschwungenen Fenstergewände nicht verbaut wurden. Dank des Verzichts auf die hellblauen Vorhänge, Schabracken und Wolkenstores, die wohl aus akustischen Gründen in den 1960er Jahre montiert und mittlerweile verschlissen waren, ist die Saalarchitektur mit den frei vor den tiefen rundbogigen Fenster- und Wandnischen gespannten Festons nun sehr viel klarer ablesbar. Die Absorptionsleistung der Vorhänge ersetzen jetzt Akustikplatten, die in die Nischen beider Stirnwände sowie in die schmalen Nischen zwischen den Fenstern eingefügt wurden; die Akustikfunktion der Wolkenstores übernehmen Faltenrollos vor den Fenstern, die ebenfalls den starken Lichteinfall reduzieren.
Außer der Erneuerung der Fenster sorgt der Austausch der Dämmung auf der Saaldecke für einen verbesserten Wärmeschutz. Die Schalung für die Stuckdecke im Saal ist an dem barocken Dachtragwerk befestigt, einer Kehlbalkenkonstruktion, die durch Streben, Riegel und Hängesäulen modifiziert wurde. Schäden in Form offener Zapfen- und Blattverbindungen sowie Querschnittsschwächungen infolge von Insektenbefall und Mazeration erforderten nicht nur sensible Reparaturen, sondern auch statische Verbesserungen. Mit Hilfe eines statisch-rechnerischen Einzelnachweises für jedes Konstruktionsholz gelang es, die Reparaturmaßnahmen auf ein geringstes Maß zu beschränken. Die partiell nicht zu vermeidenden Anlaschungen wurden dabei so angeordnet, dass sie die genagelten Blattverbindungen nicht überdecken. Um eine erhöhte Belastung der Dachstuhlkonstruktion zu vermeiden, wurde die bestehende Belastung aus Kamelit und Teerpappe gegen die geplante Dämmung mit Mineralwolle und Sparschalung gegengerechnet.
Ergänzend zu den Sanierungsmaßnahmen an dem historischen Dachtragwerk mussten Stahlrahmen in die Dachkonstruktion eingefügt werden, um die beiden Lüftungsaggregate zu tragen. Die Zu- und Abluftöffnungen wurden in die Walmflächen des Daches integriert, so dass Dachaufbauten vermieden werden konnte. Auch die erforderliche Brandwand zwischen dem Barocksaal und dem von der Universität genutzten Palais konnte ohne Veränderung der von weitem einsehbaren Dachform erreicht werden. Dank des mächtigen Betonringankers, der im Zuge der Sanierung in den 1960er Jahren eingebaut worden war, bestand die Möglichkeit, parallel zur Fassade des Palais eine Brandwand zu errichten, die unterhalb des flachen Satteldaches zwischen den beiden Gebäuden eine 90 cm messende Auskragung besitzt, welche zwischen den Sparren des barocken Dachstuhls ein Auflager auf dem Ringbalken fand.
Bedingt durch den frühen und starken Wintereinbruch war die zum Erdgeschoss hinaufführende Stufenanlage beim Einweihungskonzert am 20. November noch nicht fertig. Mit Beginn des Frühjahrs werden die Sandsteinblöcke auf dem Stufenunterbau gesetzt und das Pflaster wieder geschlossen werden, so dass dann endlich der Bauzaun geräumt werden kann.
Dr. Bettina Gnekow
Denkmal des Monats März 2011
Der herzogliche Theatersaal am Rostocker Universitätsplatz

Abb. 1: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Platzfassade 1983 (Foto-Sammlung LAKD)

Abb 2: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Platzfassade 2009
B. Gnekow, LAKD

Abb. 3: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Platzfassade 2011
B. Gnekow, LAKD

Abb. 4: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Saal nach Osten vor 1925 - Siehe dazu: Jürgen Brandt, Alt Mecklenburgische Schlösser und Herrensitze, S. 92. Berlin 1925.

Abb. 5: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Saal nach Osten 1983 (Foto-Sammlung LAKD)

Abb. 6: Rostock, Herzogliches Theater am Universitätsplatz, Saal nach Osten 2001
F. Steinbach, matrix-architektur