Bäderarchitektur
Heiligendamm, Landkreis Rostock, Villen der "Perlenkette", Kurhaus und Grandhotel.
Foto: LAKD MV/AD Fotosammlung Bau- und Kunstdenkmalpflege
Heiligendamm, Landkreis Rostock, Villen der "Perlenkette", Kurhaus und Grandhotel.
Foto: LAKD MV/AD Fotosammlung Bau- und Kunstdenkmalpflege
Unter Bäderarchitektur versteht man heute, wenn man an die Küsten von Nord- und Ostsee denkt, vor allem die Bauten in unmittelbarer Nähe des Strandes. Hotel- und Pensionsbauten mit reich verzierten Balkonen sowie Villen mit großzügigen Gartengrundstücken kommen in den Sinn. In Mecklenburg und Vorpommern laden Seebrücken dazu ein, trockenen Fußes über den Meereswellen spazieren zu gehen.
Was macht diese Bauten zur Bäderarchitektur? Die Bäderarchitektur entwickelte sich aus denjenigen Funktionen und gestalterischen Grundsätzen, die seit dem 18. Jahrhundert die Kurstädte im Binnenland auszeichnete und die in Teilen auf bauliche Typen von der Antike bis zur frühen Neuzeit zurückgehen. Außer den Bade- und Brunnenhäusern, in denen man Wasser auf verschiedene Weise äußerlich anwendete oder zu sich nahm, waren es vor allem die Kolonnaden, Alleen, Kur- und Landschaftsgärten, die Pavillons, Verkaufsboutiquen, Theater und Spielbanken sowie die Logierhäuser mit Räumen zum gesellschaftlichen Beisammensein, die einen Kurort ausmachten.
Es sind in erster Linie diese in ihrer städtebaulichen Gesamtheit wirkenden Elemente, die sich im Verlauf der Jahrzehnte unterschiedlich weiterentwickelten und in Verbindung mit den jeweils besonderen landschaftlichen Eigenschaften an der Küste die Bäderarchitektur prägen. Hinzu kommen die Details der einzelnen Bauten: reizvolle Laubsägearbeiten und Ziergiebel, die die Pensionsbauten schmücken; offene Säulenreihen vor den Pavillons oder Badehäusern und schließlich eine verschwenderische Schmuckentfaltung an Fassaden mondäner Hotels. Besondere Bauaufgaben sind Seebrücken, Seenotrettungsstationen und Aufsichtstürme für den Badebetrieb.
Für die Entstehung des ersten deutschen Seebades an der mecklenburgischen Küste im Jahre 1793 in den Orten Doberan und Heiligendamm waren – ebenso wie für die weitere Entwicklung – drei Aspekte ausschlaggebend. Zum ersten das romantische Interesse an den Reizen der Natur und die daraus resultierenden Empfindungen; zum zweiten die Erwägungen zur Förderung der Gesundheit durch Anwendungen und Aufenthalte an der See aufgrund der sich erweiternden medizinischen Erkenntnisse und schließlich drittens die gesellschaftlichen Interessen, sich an einem schönen Ort zu treffen und aufzuhalten. Für die wirtschaftliche Entfaltung bildete die Umsetzung dieser Aspekte zahlreiche Vorteile.
Stilistisch waren die frühen feudalen Badeorte vor allem vom Klassizismus geprägt. Die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgenden bürgerlichen Seebäder weisen eine Vielzahl von Gestaltungsformen auf, unter denen der so genannte Schweizer Stil mit Laubsägearbeiten und Ziergiebel hervortritt. Eine besondere Eigenart stellen um 1900 die in Fertigteilbauweise errichteten Holzhäuser dar, die durch vielfältige Ornamentformen den Wunsch nach einer exotischen Erscheinung befriedigten.
Dr. Jörg Kirchner