Gut überdeckt - die Dorfkirche Jördenstorf

Denkmal des Monats Januar 2016

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Abb. 1. Jördenstorf, Lkr. Rostock, Kirche von Südosten, vor der Dachsanierung

Abb. 1. Jördenstorf, Lkr. Rostock, Kirche von Südosten, vor der Dachsanierung

Als im Mai des Jahres 2009 eine denkmalpflegerische Visite des Dachraumes der aus dem 13. bis 15. Jahrhundert stammenden Jördenstorfer Dorfkirche (Abb. 1) stattfand, um den dortigen Instandsetzungsbedarf festzustellen, trauten die anwesenden Kirchenvertreter, Planer und Denkmalpfleger ihren Augen kaum: Ein Wald von Bäumen schien dort oben gewachsen zu sein und dazu noch ein sehr windschiefer! Dicht an dicht standen die hölzernen Gebinde des für eine Dorfkirche ungewöhnlich ausladenden Kirchenschiffdachwerkes und sie waren alle gen Osten geneigt (Abb. 2). Schnell wurden einige grundsätzliche Aspekte klar: Es handelt sich augenscheinlich um ein typisches mittelalterliches Dachwerk, bestehend aus aneinander gereihten Gespärren mit Kreuzstreben, Kehlbalken und Hahnenbalken und die Gebinde unterstützenden Elementen wie Sparrenknechten im Bereich der Sparrenfüße, aber auch weiteren die Sparren stützenden Streben (Abb. 3). Jüngere Stuhleinbauten unterstützen zudem die Dachkonstruktion zusätzlich. Es handelt sich aber aufgrund der sehr dicht stehenden, ihr Erscheinungsbild wechselnden Gebinde desweiteren um eine nicht auf den ersten Blick erkennbare aber dennoch bauhistorisch klar einzuordnende Konstruktion, und dazu um ein substanziell zwar weitgehend original erhaltenes aber auch stark geschädigtes Dachwerk. Nicht nur, dass die Gebinde alle sehr schief standen, es waren auch stellenweise gebrochene Knotenpunkte und klaffende Verbindungen sichtbar, so dass eine Sicherung und Instandsetzung als notwendig erachtet wurde (Abb. 4). Schnell wurden Annäherungsversuche diskutiert, je nach Interessenslage der Anwesenden. Sie reichten von Abnahme der Konstruktion und Neuaufbau über behutsames Herantasten und Sichern nach Bedarf bis zur zunächst durchzuführenden bauhistorischen und holzschutztechnischen Untersuchung und erst darauf folgender Instandsetzung. Sie gipfelten in der gemeinsamen protokollarischen Festlegung:

Neben der bereits bekannten bauhistorischen Bedeutung der Kirche als einen der wichtigsten Vertreter der frühen Kirchenbauten unseres Landes in der Übergangszeit von der Romanik zur Gotik ist auch das vorhandene mittelalterliche Dachwerk des Kirchenschiffes als äußerst wertvoll zu betrachten. Als Hallendachwerk […] mit ungewöhnlich dicht stehenden Gebinden und schräg stehenden Ständern ist es von besonderer Bedeutung. Eine statisch-konstruktive Instandsetzung der geschädigten Bereiche ist erforderlich, jedoch soll die Maßnahme auf Grund der hohen Bedeutung des Dachwerkes auf der Basis einer bauhistorischen Bestandsdokumentation erfolgen. Die Zusammenarbeit zwischen Planungsbüro, Statiker, dem zu beauftragenden Bauhistoriker und der ausführenden Firma ist bei der bevorstehenden Instandsetzung zu gewährleisten […]. (LAKD M-V/LD, Objektakte Jördenstorf, Kirche, Mappe 01, 20.05.2009)

2010 wurde die denkmalpflegerische Zielstellung präzisiert:

Die heutige ungewöhnliche Dichte der Gebinde resultiert aus einer mittelalterlichen ursprünglichen Konstruktion mit weiten Gebindeabständen (Weichdeckung?) (1) und einer jüngeren, ebenfalls noch mittelalterlichen Konstruktion (2), die jeweils dazwischen gestellt wurde (Wechsel zur Hartdeckung?). Die Konstruktionspunkte beider Abbünde (Verblattungen K 1 verschieden von K 2) mit einzelnen gesichteten Abbundzeichen, die durchgehend filigraner errichtete K 1 und die durchgehend kräftiger errichtete K 2, die in der Traufe gesichteten ursprünglichen Traufbretteinschübe nur bei K 1 und andere augenscheinliche Merkmale bestätigen diese Hypothese (Abb. 5-6). Beide Konstruktionen sind Kehlbalkendächer aus Eichenholz mit Kreuzstreben über Kehlbalken, Hahnenbalken und Sparrenknechten. K 1 zeigt jedoch eine handwerklich filigranere Ausbildung. So sind zum Beispiel die Blätter der Streben angefast! Die allseits als erforderlich erachtete Untersuchung wird mehr Klarheit erbringen […] Eine ‚Richtung‘ bzw. Lagekorrektur der Gebinde ist nicht vorgesehen. Es erfolgt eine Fixierung des verformten Tragwerkes. Als denkmalpflegerische Zielstellung wird bestätigt, dass das vorhandene Dachwerk, also K 1 und K 2 in seinem überkommenden Zustand zu bewahren und zu sichern ist. Der substanzielle Erhalt geht vor Erneuerung. (LAKD M-V/LD, Objektakte Jördenstorf, Kirche, Mappe 01, 21.07.2010)

Es wurde eine bauhistorische Untersuchung beauftragt, in deren Ergebnis erste zwischenzeitliche bauhistorische und statische Erkenntnisse bestätigt wurden: Es handelt sich bei dem Dachwerk nicht um ein, sondern um zwei mittelalterliche Kehlbalkendachwerke, die sowohl im Schiff, als auch im Chor, dessen Dachwerk ebenfalls gleich mit untersucht wurde, angetroffen wurden. Die erste Konstruktion stammte aus dem Jahre 1262 (d) und die zweite aus dem Jahre 1289 (d). Der erste Gebindeaufbau – gleichzusetzen mit der ursprünglichen Bauerrichtung der Kirche – hatte sehr weite Sparrenabstände und wohl keine ausreichende Längsaussteifung, weshalb sich die Gebinde bereits frühzeitig gen Osten neigten. Deshalb wurden zu Ende des 13. Jahrhunderts weitere Gebinde dazwischengesetzt, die das daraufhin entstandene sehr dichte Erscheinungsbild erklären. Die ergänzenden Streben gehören ebenfalls zum späteren Einbau. Wertvolle bauhistorische Details wie etwa die schräge Nut in den Füßen der älteren Gebinde zur Aufnahme eines ursprünglichen Brettes zur Schließung der Traufe (siehe auch Dorfkirche Ruchow, ebenfalls 13. Jh. als weiterer Nachweis einer derartigen Traufschließung) konnten bestätigt werden.

Im Jahre 2011 erfolgte unter Zuhilfenahme der Förderung aus dem Landesförderprogramm endlich die Durchführung der Maßnahme. Die Konstruktionen blieben dabei weitestgehend erhalten und wurden behutsam gesichert und instand gesetzt. Im Bereich der Schwellen und Sparrenfüße erfolgten aufgrund der dortigen stärksten Schäden die umfangreichsten Erneuerungen (Abb. 7), jedoch wurde immer darauf geachtet, dass die wichtigen bauhistorischen Spuren wie die Abbundzeichen und die Traufeinschübe erhalten blieben. Der ausführenden Zimmererfirma und dem Planer ist dabei ein hohes Verantwortungsbewusstsein zu bescheinigen. Die Planungs- und Instandsetzungsphase, die über zwei Jahre lief, mag dabei sehr lang erscheinen, doch ist bei einer derart wertvollen Konstruktion eine vorherige und begleitende vollständige bauhistorische und holzschutztechnische Untersuchung und Dokumentation das "A und O" einer erhaltensorientierten denkmalpflegerischen Instandsetzung (Abb. 8).

Zu ergänzen ist noch, dass über die ursprüngliche Dachdeckung wenig bekannt ist. Spuren von Mönch-Nonne-Ziegeln verweisen jedoch auf diese typische mittelalterliche Deckung. Die vorhandene jüngere Handstrich-Biberschwanzdeckung stammt offensichtlich aus barocker Zeit (Abb. 9). Sie wurde geborgen und zur Wiedereindeckung des Chores verwendet. Die dortige Instandsetzungsmaßnahme erfolgte im Jahre 2014 (Abb. 10).

Jens Amelung

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