Sonderlösungen der Fachwerksanierung? - ein Beispiel zur Anwendung von Normen aus der Praxis

Denkmal des Monats September 2016

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Hansestadt Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Frische Grube 5, Wohnhaus, Nachweis der Feuerschutzmittelaktion 1943 im Dachgeschoss..jpg

Abb. 1. Hansestadt Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Frische Grube 5, Wohnhaus, Nachweis der Feuerschutzmittelaktion 1943 im Dachgeschoss.

Abb. 1. Hansestadt Wismar, Lkr. Nordwestmecklenburg, Frische Grube 5, Wohnhaus, Nachweis der Feuerschutzmittelaktion 1943 im Dachgeschoss.

Fachwerkgebäude zählen zu den beliebtesten historischen Bauten in der öffentlichen Wahrnehmung. Sie werden sofort mit Geschichte, Tradition sowie Heimat verbunden und stellen einen Großteil des historischen Gebäudebestandes dar. An ihrer Konstruktionsweise und ihren Schmuckformen sind zeitliche Entstehung und regionale Einordnung ablesbar. Sie sind Zeugnis der historischen Zimmermannstechniken und daher Vorbild für das Handwerk. Viele von ihnen sind als Baudenkmale bereits seit der Frühzeit des Denkmalschutzes in den Denkmallisten erfasst.

Die Fachwerkkonstruktion besteht aus dem Ständerwerk der Außenwände, ihren Verbindungen zueinander mittels Deckenbalken und den sie tragenden beziehungsweise queraussteifenden Innenwänden sowie den Ausfachungen. Der Dachstuhl, der in die oberste Deckenbalkenlage eingebunden wird, ist mit dem Giebelfachwerk verbunden. Dauerhafte Stabilität erhält der als statische Gesamtkonstruktion zu betrachtende Bau durch die jeweiligen Verbindungen der Hölzer. Das statische System war in den jeweiligen Orten von Generation zu Generation weitergegeben worden, damit oft jahrhundertelang gleich und hatte sich bewährt.

Bei der Instandsetzung von Fachwerkbauten bedarf es der fachmännischen Kenntnis der historischen Konstruktion und der Wahl der richtigen Materialien. Durchfeuchtungen sind zu vermeiden. In der jüngeren Vergangenheit haben im Neubau verwendete, aber für den Fachwerkbau ahistorische und nicht geeignete Materialien wie Zementmörtel, Acrylfarben, Mineralwolle etc. zu schweren Schäden geführt.

Es ist festzustellen, dass die Befreiungsmöglichkeit von der Energieeinsparverordnung für nach Landesrecht geschützte Gebäude oder Gebäudemehrheiten trotz bekannter Sinnlosigkeit hoher Dämmstärken zu selten in Anspruch genommen wird. Gerade bei kleinen Gebäuden wirkt sich dies negativ auf die Nutzfläche aus, so dass von dem Ziel einer Schadensfreiheit ausgehend individuelle Lösungen bei der Planung zu suchen sind.

Auch die starre Anwendung der Landesbauordnung und für den Neubau geltende Normen kann zu Schäden im Fachwerkbau oder gar zu einem Verlust wertvoller Denkmalsubstanz führen. Statik und Brandschutz nehmen hier Sonderstellungen im Baurecht ein. Grundsatz- und Einzelanforderungen sind in den einschlägigen Verordnungen und Richtlinien pauschal geregelt, ohne dass jedoch konstruktive oder regionale Eigenheiten insbesondere des Fachwerkbaus damit behandelt würden. Dass jedoch auch zu früheren Zeiten schon Brandschutz und Statik eine Rolle spielten und das Wissen darum in die Konstruktionen einflossen und weitergegeben wurde, zeigen etwa das jahrhundertelang geltende Lübsche oder Magdeburger Baurecht oder die Feuerordnung von Herzog Gustav Adolf aus dem Jahre 1676, die in den Städten im heutigen Mecklenburg-Vorpommern als Bauordnung galten (Abb. 1).

Vielfach begegnet uns die Forderung nach Ausbildung von Brandwänden im Fachwerkbau. Rechtwinklige, teilweise gedankenlose Grundstückseinmessungen unterstützen hier privatrechtliche Forderungen nach Abgrenzung im Schadensfall.

Das 1394 in der Frischen Grube 5 in Wismar errichtete traufständige Fachwerkgebäude (Abb. 2) weist zwei Fachwerkgiebelwände zu den Nachbarn auf (s. auch Denkmal des Monats November 2014). An ihnen ist zu erkennen, dass es sich hier um den Teil eines mittelalterlichen Reihenhauses handelt (Abb. 3); den Fachwerkwänden ist damit ein hoher Denkmalwert beizumessen (Abb. 4). Ein Ersatz durch Massivbau, wie häufig geplant, wäre denkmalpflegerisch nicht zustimmungsfähig gewesen. Eine der beiden Wände wurde verkleidet, die andere sichtbar gelassen, da der Nachbar bereits eine massive Giebelwand errichtet hatte. Zudem gehört die nun verkleidete Wand laut Einmessung dem Nachbarn. Die Gebäuderückseite erhielt die restauratorisch nachgewiesene Erstfassung einer Kälkung der Ziegelausfachungen (Abb. 5-6). Im Übrigen kommt die Konstruktion ohne Holznägel bei den Riegeln aus, da diese historisch nur in die Stiele eingekeilt wurden. Die Dämmung des Gebäudes erfolgte mittels Holzweichfasermatten innerhalb einer inneren Holzrahmenkonstruktion (Abb. 7).

Ein Problempunkt beim Erhalt historischer Innenstrukturen ist häufig die Raumhöhe. Ja, die Menschen waren früher kleiner und konnten in Gebäuden mit Raumhöhen von ca. 2 m wohnen - obwohl die heutige Landesbauordnung doch Raumhöhen von mindestens 2,40 m vorgibt (s. § 47 Abs. 1 LBO M-V). Ist dann etwa ein 600 Jahre altes Fachwerkhaus heute nicht mehr nutzbar? Doch, aber vielleicht nicht unbedingt von Menschen mit einer Körpergröße von 1,95 m. Im vorliegenden Fall wurde ein Zwischengeschoss als Wohnbereich mit niedriger Höhe auf der modernen Galerie innerhalb der ehemaligen hohen Diele erhalten. Die Möglichkeit der Befreiung von den Vorgaben der Landesbauordnung wurde sinnvoll angewendet. Schmuck statt "störendes Beiwerk" sind die mittelalterlichen Deckenbalken.

Die Forderung des statischen Nachweises einer bestehenden Konstruktion stellt Denkmalpfleger, Bauherren und Planer oft vor unüberwindliche Hindernisse. Das Gebäude wies durch ein Bodengutachten infolge der Nähe zur Frischen Grube schlechten Baugrund auf, der eine Mikropfahlgründung erforderlich werden ließ. Die ursprüngliche Fachwerkkonstruktion war straßenseitig vollständig, an den übrigen Seite teilweise vor allem im Laufe des 20. Jahrhunderts durch Massivmauerwerk ersetzt worden (Abb. 8). Das Fachwerk war nur mittels Kopfbänder und aufgekämmter Deckenbalken noch ausgesteift, Dielen waren weitgehend erneuert. Die Idee des Statikers war ein Holzrahmengerüst im Innern zu schaffen, das wenig Last einbringt, das von den sich selbst tragenden Außenwänden weitgehend entkoppelt wurde und gleichzeitig eine Dämmung und die neuen Lasten der Nutzung aufnahm.

Nur durch das Erkennen der historischen Konstruktionsdetails und durch daraus abgeleitete sinnvolle Maßnahmen konnte hier eine denkmalpflegerisch und wirtschaftlich tragfähige Lösung bei der jüngst erfolgten Gebäudeinstandsetzung gefunden werden; ein Vorbild für ähnliche Fachwerkbauten in Wismar und darüber hinaus (Abb. 9-10).

Jan Schirmer


Weiterführende Literatur:

Fachwerk in der Denkmalpflege : Arbeitsunterlagen zur Instandsetzung und Wärmedämmung von Fachwerkbauten. Hrsg. von der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, Münster 2004

Erneuerung von Fachwerkbauten. Hrsg. von der Entwicklungsgemeinschaft Holzbau in der Deutschen Gesellschaft für Holzforschung, o.O. 2004

http://www.hochschule-biberach.de/documents/46960/757f38b4-a0a1-4af2-9f62-08f5a8b7dba2

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