Mecklenburg und die deutschen Währungsreformen im 20. Jahrhundert

Archivalie des Monats Oktober 2008

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20 Milliarden Mark

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Währungsreformen dienen der Beseitigung einer durch hohe Inflation zerütteten Geldwirtschaft. Mit der Einführung einer neuen Währung als allein gültiges Zahlungsmittel, wird die Geldumlaufmenge reduziert und so der Geldwert und die wirtschaftliche Entwicklung stabilisiert. Der Wechselkurs wird dabei vom Staat festgelegt. Im 20. Jahrhundert erlebte die deutsche Bevölkerung drei Währungsreformen.

Währungsreform im November 1923

Der Verfall der Reichswährung setzte mit der Abkopplung des Geldwertes vom Goldstandard per Gesetz über die Änderung des Münzgesetzes vom August 1914 ein und erreichte seinen Höchststand im Sommer 1923. Während bis 1914 der Geldwert an den Goldstandard gebunden war und jederzeit ein Umtausch des Geldes in Gold möglich war, wurde diese Bindung nun aufgegeben, um den im Sommer 1914 massenhaft vorgenommenen Umtausch von Geld in Gold zu stoppen und den Erhalt der staatlichen Goldvorräte zu sichern. Statt Gold wurden nun Schuldverschreibungen und Darlehenskassenscheine ausgegeben. Zugleich erhielt die Reichsregierung die Freiheit, bei Finanzbedarf Geld zu drucken.

Die hohen Kriegskosten und die durch Kriegsanleihen angehäuften Schulden des Deutschen Reiches sowie die Kriegsfolgekosten in Form von Reparationszahlungen verstärkten nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 den Währungsverfall der Reichsmark.

Im Sommer 1923 war der Bedarf an Zahlungsmitteln weit über das Maß hinaus gestiegen, den die Reichsbank zu befriedigen in der Lage war.

Städte und Firmen in Mecklenburg beklagten die zunehmende Geldnot und sahen sich nicht mehr in der Lage, die Löhne und Gehälter zu zahlen. Unruhen machten sich breit. In Rostock demonstrierten die Arbeiter der Neptun-Werft gegen die Teuerung und für die baldige Einführung einer neuen Währung. Der Rat der Stadt Rostock unterstützte diese Forderungen und begründete dies gegenüber dem mecklenburgischen Finanzministerium in Schwerin wie folgt:

Die Berechtigung dieser Forderung ist nicht zu verkennen. Mehr noch als durch die Höhe der Preise wird die Arbeiterschaft durch die Plötzlichkeit der Preissteigerungen geschädigt, da die Löhne sich denselben nicht genügend schnell anzupassen vermögen. So waren in der letzten Woche tatsächlich die in der ersten Wochenhälfte festgesetzten Löhne, als sie am Ende der Woche zur Auszahlung gelangten, bis dahin derartig entwertet, dass sie nur noch zur Bestreitung eines kleinen Bruchteils des für eine Woche notwendigen Lebensbedarfs ausreichten, da sich die Preise gerade der wichtigsten Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände inzwischen innerhalb weniger Tage vervielfacht hatten. (LHAS, 6.11-18, 846).

In den Folgemonaten verfiel der Wert des Geldes zunächst täglich, später sogar stündlich. Ein Ei kostete im Juli 1923 ca. 5.600 Mark, im September schon ca. 2,5 Mill., im November 0,40 Billionen Mark; ein Liter Milch ca. 5.000 Mark, dann 5 Mill., dann ca. 0,30 Billionen Mark. Für ein Brot mussten ca. 20 000 Mark bezahlt werden, dann 14 Mill., dann ca. 0,50 Bill.; für ein Kilo Kartoffeln ca. 10.000 Mark, einen Monat später 2,5 Mill., im November schon 0,12 Bill., ein Stück Butter ca. 130.000 Mark, im Sept. schon 130 Mill. Mark. Der durchschnittliche Wochenlohn eines gelernten Fabrikarbeiters hatte sich zwar von ca. 1.135 Mark im Juli 1923 auf durchschnittlich 700 Mill. im September 1923 erhöht, war aber entschieden zu niedrig, um den Grundbedarf einer Familie zu sichern.

Das Reich und die Länder versuchten erfolglos, durch Anwerfen der Notenpresse die Missstände zu beheben. Erstmalig am 10.8.1923 - und von da an fast täglich - beantragte das Mecklenburg-Schwerinsche Finanzministerium telegrafisch beim Reichsfinanzministerium Genehmigungen zum Druck von Notgeld. Der Nennwert der Geldnoten, die in mecklenburgischen Druckereien hergestellt wurden, stieg dabei innerhalb von kurzer Zeit schwindelerregend. Sind im August 1923 lediglich Notgeldscheine mit einem Wert bis maximal einer Million gedruckt worden, wurden im Oktober des Jahres bereits Geldscheine mit einem Nennwert von 20 Milliarden, später 50 Milliarden und im November schon einhundert Milliarden (siehe Abbildung Geldscheine) gedruckt. In Schweriner Druckereien liefen sich die Druckpressen heiß, landesweit rissen sich die Druckereien um die vom Finanzministerium erteilten Notgeld-Druckaufträge und ebenso die Papierfabriken um Aufträge für die Lieferung des Papiers, hofften sie doch, in dieser wirtschaftlich schweren Zeit damit ihre Existenz sichern zu können. Die Rechnungen der Druckereien, wie die hier abgebildete Rechnung der Bärensprungschen Hofbuchdruckerei, wurden beim Finanzministerium zur Verrechnung eingereicht und sind ein Beleg für die galoppierende Inflation des Geldes 1923.

Mit der Gründung der Deutschen Rentenbank am 15. Oktober 1923, der Ausgabe von Rentenbankscheinen ab dem 15. November 1923, deren Wert nun wieder auf Gold basierte, wurde die schrittweise Eindämmung der Inflation und die Stabilisierung der Währung, flankiert von weiteren währungspolitischen Maßnahmen, eingeleitet. Nachdem nun festgelegten Wechselkurs wurden 1.000.000.000.000 (Billion) Mark in eine Rentenmark getauscht. Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Reparationszahlungen (Dawes-Plan) wurde die Rentenmark im August 1924 im Verhältnis 1:1 durch die Reichsmark abgelöst, die künftig als alleiniges, gesetzliches Zahlungsmittel fungierte.

Währungsreformen im Juni 1948

25 Jahre später befand sich Deutschland -finanziell und wirtschaftlich gesehen- in einer dem Hyperinflationsjahr 1923 ähnlichen Situation. Der zweite Weltkrieg hatte immense Kosten verursacht, die v.a. über die staatliche Notenpresse, Kriegsanleihen sowie über die Spareinlagen der Bevölkerung aufgebracht worden sind. Nach Kriegsniederlage und Kapitulation war Deutschland hochverschuldet. Der stark gewachsenen Geldmenge stand eine nur geringe Produktion von Waren gegenüber, die streng rationiert und zumeist nur auf Bezugsscheine zu erwerben waren. Der Naturalhandel dominierte den Alltag und ließ den Schwarzmarkt blühen. Die "Zigarettenwährung" ersetzte die Reichsmark als Zahlungsmittel. Die Bemühungen der vier Besatzungsmächte um eine einheitliche gesamtdeutsche Währungsreform scheiterten im März 1948 endgültig. Die Westalliierten USA, Frankreich und Großbritannien hatten sich seit Dezember 1947 in London auf einen Zusammenschluß ihrer Besatzungszonen zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet verständigt und dazu -streng geheim- erste Maßnahmen für eine separate Währungsreform getroffen. Dennoch verbreiteten sich zunehmend Gerüchte und Spekulationen über den "Tag X" der Währungsumstellung. Unmittelbar vor dem geplanten Termin des Geldumtausches löste die Unsicherheit der Bevölkerung über den Wert des neuen Geldes einen Kaufansturm auf jegliche Sachwerte aus. Am 18. Juni 1948 wurde die Durchführung der Währungsreform in den Westzonen (ohne Berlin) für den 20. Juni offiziell bekannt gegeben.

An diesem Tag wurde die alte Reichsmark durch die neue Deutsche Mark als alleiniges Zahlungsmittel abgelöst. Jeder durfte zunächst 40 RM zum Kurs 1:1 und später weitere 20 RM zum selben Kurs umtauschen; darüber hinaus vorhandene Guthaben wurden im Verhältnis 10:1 gewechselt. Die umlaufenden Münzen blieben im Zahlungsverkehr, jedoch nur noch zu einem Zehntel ihres Nennwertes. Löhne, Gehälter, Rentenzahlungen, Mieten u.ä. wurde 1:1 umgerechnet. Reichsschulden in Form von Staatsanleihen erloschen, ebenso u.a. Guthaben von Banken, öffentlichen Unternehmen und NS-Organisationen.

Schon einen Tag nach der Währungsreform tauchten die zuvor gehorteten Waren in den bis dahin leeren Schaufenstern und Regalen der Geschäfte wieder auf, versehen mit neuen, meist höheren Preisen als zuvor. Die vollen Schaufenster versetzten die Bürger in ungläubiges Staunen. Einen Schwarzmarkt suchte man jetzt vergeblich.

Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) bekundete, von der separaten Währungsumstellung in den Westzonen völlig überrascht worden zu sein. In einem Aufruf an die Bevölkerung Deutschlands vom 19.6.1948 verurteilte sie diese Währungsreform, die aus ihrer Sicht die Spaltung Deutschlands vollendete.

Die SMAD reagierte umgehend mit einer eigenen Währungsreform in der von ihr besetzten Zone. Am 22.6.1948 legte die Deutsche Wirtschaftskommission Vorschläge zur Währungsreform vor und am 23.6. erließ die SMAD den Befehl Nr. 111/1948 über die Durchführung der Währungsreform in der SBZ in der Zeit vom 24.6. bis 28.6.1948. Dabei wurden keine neuen Geldnoten ausgegeben, weil die Zeit zum Drucken zu kurz gewesen wäre. Statt dessen wurden auf die Reichs- und Rentenmarkscheine Spezialkupons im Wert von 1, 2, 5, 10, 20, 50 und 100 (siehe Abbildung) entsprechend dem nunmehrigen Geldscheinwert der Reichsmark/Rentenmark aufgeklebt, was dem neuen Geld Bezeichnungen wie "Tapetenmark" oder "Klebemark" eintrug.

Tatsächlich war der sowjetischen Besatzungsmacht der Plan einer separaten Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen schon Monate vorher bereits bekannt. Am 18.6.1948 wurde der Termin der Währungsreform für die Westzonen publik gemacht. Schon am 19.6.1948 begannen laut nachfolgendem Bericht (Auszug) die Kupon-Klebearbeiten in Mecklenburg. Wie und wo konnten diese Kupons so schnell gedruckt werden?

Insgesamt sind von der SMAD ca. 6,5 Milliarden Kupons zum Bekleben der Geldscheine verteilt worden.

Im Unterschied zu den anderen Ländern in der SBZ wurden in Mecklenburg in der Zeit vom 22.6 bis 23.6.1948 die Banken und öffentlichen Kassen vollständig geschlossen. Über den Ablauf der Währungsreform berichtete das mecklenburgischen Finanzministerium im Juli 1948:

Am 19. Juni 1948 mittags begannen die Vorarbeiten zur Währungsreform. Das Bekleben der bisherigen Geldscheine mit Coupons [ca. 570 Millionen nur in Mecklenburg] wurde in den 21 Kreisen in Tag- und Nachtschichten von 9.824 Personen durchgeführt. Am 21. Juni konnte die Beendigung der Arbeiten gemeldet werden. Bis auf zwei Fälle der Veruntreuung , die der Kriminalpolizei übergeben wurden, sind Verfehlungen bei der Klebeaktion nicht berichtet worden. Nach Verkündigung der Währungsreform am 23. Juni begann am 24. Juni an 1111 Stellen des Landes der Geldumtausch.... Alle Umtauschstellen waren von 8-20 Uhr geöffnet. Bereits am dritten Tage konnten einige Umtauschstellen geschlossen werden, da die Bevölkerung im Besitz der markierten Scheine war.... Getauscht haben bisher 1.784.195 Personen in 822 festen und 59 fliegenden Umtauschstellen. (LHAS, 6.11-18, 1979).

Das Umtauschverhältnis betrug 10 alte gegen eine neue Mark, während 70 Mark pro Person zu einem Vorzugskurs von 1:1 getauscht werden konnten. Spareinlagen bis 100 Mark wurden ebenso 1:1 getauscht, alles darüber hinausgehende Vermögen bis 1.000 Mark im Verhältnis 5:1, ab einem Vermögen von 5.000 Mark erfolgte eine Überprüfung und ggf. auch ein Vermögensentzug. Die Münzen behielten im Unterschied zu der westlichen Regelung ihren Nominalwert, was in der Bevölkerung nach Einführung der D-Mark auch in den Westsektoren Berlins am 26.6.1948 zu großer Verwirrung führte. Preise, Löhne und Gehälter galten unverändert fort. Für die öffentlichen Haushalte, Privatunternehmen, volkseigene Betriebe, Parteien und Massenorganisationen gab es andere Umwertungssätze.

Insgesamt wurden in Mecklenburg auf laufenden Konten ca. 1.551.162.000 RM in 554.680.000 DM getauscht und Spareinlagen in Höhe von ca. 325.364.000 RM in 75.953.000 DM umgewertet (LHAS, 6.11-18, 1982). Etwa 288.277 mecklenburgische Konten und ca. 5 Mill. Konten waren in der gesamten SBZ von der Währungsreform betroffen.

Das Ziel der Währungsreform in der SBZ, den Geldüberhang zu beseitigen, die Preise zu stabilisieren und ein florierendes Wirtschaftsleben in Gang zu setzen, wurde mit dieser Reform jedoch nur teilweise erreicht; auch die Schwarzmärkte funktionierten, wenngleich in anderen Erscheinungsformen als 1948, bis Juli 1990 weiter.

Währungsreform in der DDR Juli 1990

Die gesellschaftliche Wende im Herbst 1989, der Fall der Mauer im November 1989 und der Zusammenbruch der DDR leiteten den Weg zur Herstellung der deutschen Einheit ein. Die Wandlung des Demonstrationsspruches "Wir sind das Volk" zum "Wir sind ein Volk", und der Spruch "Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr", drückte die Stimmung und Erwartung der DDR-Bevölkerung 1989/1990 kurz und prägnant aus. Im Februar 1990 verkündete die DDR-Regierung unter Hans Modrow den Plan "Für Deutschland einig Vaterland" mit dem Ziel der Herstellung einer Förderation mit der BRD. Die im März 1990 neugewählte Volkskammer und die Regierung unter Ministerpräsident Lothar de Maizière verfolgten den Einheitskurs weiter, nunmehr jedoch als Beitritt zur Bundesrepublik. Im Mai 1990 wurde zwischen der DDR und der BRD der Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion unterzeichnet. Am 21. Juni wurde der Vertrag gleichzeitig vom Bundestag und der Volkskammer (Gesetz siehe Abbildung) zum Stichtag 1. Juli 1990 bestätigt.

An diesem Tag, einem Sonntag, waren republikweit unendliche Menschenschlangen vor den Banken und Sparkassen zu sehen. Die ungeliebte DDR-Mark wurde nun in die heiß begehrte D-Mark getauscht, die in der "Noch DDR" nunmehr als alleiniges Zahlungsmittel galt. Pro Kopf konnten für Kinder bis 14 Jahre 2.000 DDR-Mark im Verhältnis 1:1, für die Altersgruppe 15 bis 59 4.000 Mark 1:1 und ab 60 Jahre bis 6.000 Mark 1:1 gewechselt werden. Darüber hinausgehendes Barvermögen wurde im Verhältnis 2:1 getauscht. Die Löhne, Gehälter, Renten, Mieten usw. wurden 1:1 umgestellt.

Am darauf folgendem Montag war in der DDR zu erleben, was 42 Jahre zuvor schon in den Westsektoren nach der Währungsreform erlebbar war - volle Schaufenster, Geschäfte und Regale. Made in GDR war dabei kaum noch ein Produkt.

Elf Jahre später verlor auch die 1948 geborene Deutsche Mark als Zahlungsmittel ihre Gültigkeit und an ihre Stelle trat mit der Währungsumstellung des Bargeldes am 1.1.2002 fortan der Euro.

Sigrid Fritzlar

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