Der älteste Stadtplan der Schweriner Vorstadt von 1804
Archivalie des Monats Mai 2010
Lageplan Schweriner Vorstadt von 1804
Quelle: LAKD MV/LHA, Stadtarchiv Schwerin
Lageplan Schweriner Vorstadt von 1804
Quelle: LAKD MV/LHA, Stadtarchiv Schwerin
Städte, Häusermeere und Menschenmassen formten das Gesicht der Neuzeit. Wo sich im Mittelalter nur ein paar Dutzend Hütten hinter eine Stadtmauer duckten, entstanden im 19. Jahrhundert oft in wenigen Jahrzehnten von Geschäftigkeit wimmelnde Großstädte. Diese Entwicklung vollzog sich (nur nicht so schnell und nicht so gewaltig wie anderswo) auch in Mecklenburg. Die Residenzstadt Schwerin, die um 1800 kaum 8.000 Menschen beherbergt hatte, konnte ihre Einwohnerzahl in den folgenden 100 Jahren nahezu verfünffachen. Am besten lässt sich diese rasante Entwicklung an den Stadtplänen darstellen. Die farbigen und anschaulichen Karten, von denen das Stadtarchiv Schwerin mehr als 500 in allen Formen und Größen besitzt, enthalten oft mehr komprimierte Information als ein Dutzend Akten. Der hier gezeigte der Schweriner Vorstadt um den heutigen Marienplatz herum ist einer der ältesten Pläne. Er stammt aus dem Jahr 1804 und zeigt noch den alten Zustand. Fließgraben und der aus dem Ostorfer See kommende Bach, die so genannte Seeke, treiben die Binnenmühle an. Stadttore und Brücken sichern den Zugang zur Altstadt, das davor liegende Gebiet ist nur locker bebaut.
Zugleich zeigt die Karte aber auch schon den sich abzeichnenden Wandel. Das grün markierte Gebiet, die so genannte "Eselswiese" soll bebaut werden. Die Herkunft des Namens ist unsicher. Vielleicht weideten hier einst tatsächlich Esel. Der Name könnte aber auch auf den hölzernen Strafesel zurückzuführen sein, der hier in der Nähe des Wachhauses zur Bestrafung pflichtvergessener Soldaten der Garnison stand. 1804 hatte Stadtsyndikus Stavenhagen die sumpfige Wiese erworben, die vorher mehr schlecht als recht zur Heugewinnung oder zum Bleichen von Leinentüchern genutzt worden war. Der herzogliche Kammer-Commissar Friedrich Münchmeyer zeichnete dann in Stavenhagens Auftrag den vorliegenden Plan. 14 Häuser sollten hier entstehen und eine neue Straße die Schloßstrasse bis zur heutigen Goethestraße (hier noch einfach "Große Straße" genannt) verlängern. Der Plan war gut, allein es fehlte das Geld. Und dann kam dem Stadtsyndikus auch noch die große Politik in den Weg. 1806 marschierten Napoleons Soldaten in die Stadt ein und für etliche Jahre hatten die Menschen andere Sorgen als an den Bau neuer Häuser zu denken.
Stavenhagen starb 1813 und sein Bauprojekt geriet ebenso in Vergessenheit wie der von Münchmeyer gezeichnete Plan. 1824 berichtete der neue Stadtsyndikus Knaudt dann begeistert:
Endlich ist es mir geglückt, den lange vergeblich gesuchten Plan der Vorstadt Schwerin aufzuspüren. Derselbe liegt bei Großherzoglicher Regierung.
Der Magistrat forderte den Plan zurück, er wurde im Rathaus verwahrt und gelangte von da schließlich ins Stadtarchiv. Die Eselswiese wurde nach Stavenhagens Tod übrigens erst einmal von Senator Möring als Garten genutzt. 1827 unternahm Bauinspektor Barca dann einen neuen Anlauf, erwarb das Grundstück und errichtete an der Ostseite des heutigen Marienplatzes (wo sich heute die Sparkasse befindet) sechs Häuser. Die ursprünglich geplante Verlängerung der Schlossstrasse unterblieb aus Kostengründen, und es sollten noch mehr als 100 Jahre vergehen, bis diese Straße tatsächlich gebaut wurde.
Von Bernd Kasten, Stadtarchiv Schwerin