Ehm Welk und der beschwerliche Aufbau der Volkshochschule Schwerin vor 65 Jahren

Archivalie des Monats Mai 2011

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Ehm Welk

Ehm Welk

Am 26. Mai 1946 wurde in der Aula des Gymnasiums am Pfaffenteich im Beisein des Vizepräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Gottfried Grünberg, des Schweriner Oberbürgermeisters Christoph Seitz und des Schriftstellers und Direktors Ehm Welk die Volkshochschule Schwerin feierlich eröffnet. Zu den ersten 23 Kursen im Vortrimester hatten sich 1.170 Hörer angemeldet. Das Schuljahr 1946/1947 umfasste bereits 177 durchgeführte Lehrgänge mit ca. 6.100 Hörern. Im Jahr darauf konnte die Schweriner Volkshochschule, entgegen der rückläufigen Tendenz an anderen Volkhochschulen, die Hörerzahl erneut steigern. Bis zum Schuljahresende 1950 hatten ca. 30.000 Schüler hier Lehrgänge besucht. Die Volkshochschule Schwerin war in der kurzen Zeit der Leitung von Ehm Welk zu einer anerkannten, herausragenden und erfolgreichen Bildungseinrichtung geworden. Im Mai 1986 wurde ihr der Ehrenname "Ehm Welk" verliehen.

Die Bildung von Volkshochschulen war mit dem Befehl Nr. 22 der Sowjetischen Militäradministration (SMA) in Deutschland vom 23.1.1946 zur "Bestätigung von Volkshochschulen und deren Eröffnungsbestimmungen im Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands" angeordnet worden. Darin hatte sie verfügt, dass zur "Verbreitung von allgemein bildungsmäßigen, wissenschaftlichen und öffentlich-politischen Kenntnissen unter den breiteren Volksschichten, welche der Erziehung aktiver Mitarbeiter an der demokratischen Umgestaltung Deutschlands dienen" sollen, Volkshochschulen in den Großstädten der sowjetischen Besatzungszone zu eröffnen seien. In Ausübung dieses Befehls hatte die SMA Mecklenburg am 30.1.1946 den Befehl Nr. 15 zur Eröffnung von Volkshochschulen in sechs Städten des Landes, darunter auch Schwerin erlassen. (Vgl. Abb. LHAS, 6.11-21, 37)

Bereits seit November 1945 gab es gemeinsame Bemühungen der mecklenburgischen Landesverwaltung und der Stadt Schwerin um den Aufbau dieser Schule. Die räumliche Unterbringung der Einrichtung in den Unterrichtsräumen des Gymnasiums wurde relativ schnell im Oktober 1945 entschieden und ein zügiger Aufbau der Schule geplant. Die Suche nach einer geeigneten Persönlichkeit für die Leitung der Schule bzw. die Berufung in das Amt, währte länger. Vom Vizepräsidenten Grünberg wurde Ehm Welk als Direktor der Volkshochschule vorgeschlagen. Ehm Welk, am 29.8.1884 in Biesenbrow als viertes Kind einer Bauernfamilie bei Angermünde geboren, war Journalist und Schriftsteller und durch seine in hoher Auflage sowohl national als auch international verlegte Trilogie "Die Heiden von Kummerow" (1937), "Die Gerechten von Kummerow" (1943) und "Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer" (1938) bekannt. Im Mai 1934 wurde Welk auf Grund eines kritischen Leitartikels verhaftet, acht Tage im KZ Oranienburg interniert und anschließend mit einem Schreib- und Veröffentlichungsverbot belegt, das 1935 gelockert wurde und ihm die Veröffentlichung "unpolitischer Bücher" erlaubte. Nach der Besetzung seines Wohnortes Neuenkirchen bei Stettin durch die SS im April 1945 verließ auch er fluchtartig das Dorf. Sein Haus, sein gesamtes Archiv, seine Manuskripte und seine umfangreiche Bibliothek wurden durch einen Brand völlig zerstört. Nun obdachlos, fand er in Ueckermünde zunächst Aufnahme und leitete ab Anfang Juli 1945 das Kultur- später das Volksbildungsamt der Kreisverwaltung Ueckermünde. Dem Ruf als Direktor der Volkshochschule Schwerin stand er zunächst distanziert gegenüber. In einem Brief vom 4.10.1945 an den Vizepräsidenten Grünberg hatte er zwar um Berücksichtigung seiner Person gebeten,

wenn einmal ein bedeutenderer Posten, etwa ein Ministerialamt oder ein Landratsamt, nicht oder nur unzureichend besetzt ist.

Die Stelle als künftiger Direktor der Volkshochschule Schwerin entsprach jedoch nicht seinen Vorstellungen und er schrieb weiter:

Sollte also zu dem Amte eines Direktors der Volkshochschule nicht noch eine andere bedeutendere Stellung hinzukommen, so lassen Sie mich hier. Die Volkshochschule kann ein beweglicher Studienrat leiten.

(Akademie der Künste/NL Welk, Nr. 446). Welk wurde dann neben der Leitung der Schweriner Volkshochschule die Leitung des Volkshochschulwesens Mecklenburg-Vorpommern und des Kulturamtes der Stadt Schwerin in Aussicht gestellt. Kurze Zeit später telegrafierte er dem Vizepräsidenten nun sein Einverständnis zur Übernahme dieser Aufgabe unter der Bedingung, eine gute Wohnung zu erhalten, da er schweres durchgemacht habe. (Vgl. Abb., LHAS 6.11-21, 1957)

Als er am 20. Februar 1946 den Dienst als Direktor der Volkshochschule Schwerin aufnahm, ahnte er nicht, wie schwierig und zäh sich der Aufbau der Schule gestalten würde. Einen Monat später berichtete er dem Oberbürgermeister, dass die vorgesehene Eröffnung der Schule zum 31.3.1946 verschoben werden muss, "da die SMA die Zeit, die ihr zur Prüfung der Dozentenliste, der Lehrpläne verbleibt, für zu kurz hält," dies galt ebenso für die Hörerliste, die der SMA vorzulegen, doch zu diesem Zeitpunkt noch nicht erstellt war. (LHAS, 6.11-21, 150). Als Hauptgrund für die Verzögerung führte er jedoch "die Teilnahmslosigkeit der Behörden und Organisationen in der Volkshochschulangelegenheit" an.

Man hat einen einzelnen Mann mit der Durchführung der Sache betraut und hält sie damit anscheinend für erledigt. Es ist aber unmöglich, daß ein Einzelner, und sei er noch so arbeitswütig, eine so umfangreiche Aufgabe in kurzer Zeit erfüllen kann, wenn ihm jede Unterstützung fehlt. ... Ich habe nun bis heute kein Geschäftszimmer, keine Schreibmaschine, keine Schreibkraft, kein Telefon, keinen Boten, kein Material. Ich schreibe des Nachts oft bis 2 Uhr und war am anderen Tage vormittags mein Bote, Woche für Woche. Jetzt habe ich für einige Zeit eine Schreibmaschine geliehen, Papier aus Gefälligkeit erhalten, mir für täglich einige Stunden eine Hilfsschreibkraft besorgen können - doch es interessiert sich keine Stelle dafür, ob und aus welchen Mitteln ich die Unkosten seit 6 Wochen bestreite. Mein möbliertes Zimmer in einer entlegenen Gegend ist mein "Büro", in das die zur Besprechung Gebetenen nur ungern kommen [hier übertreibt Welk, denn von der in der Schelfstadt gelegenen Jahnstr. 11 bis zum Rathaus/Stadtzentrum waren es lediglich ca. 570m ]. Da ich kein Telefon habe, muß ich jeden Weg zu den Ämtern, Geschäftsstellen und Schulen zu Fuß machen, was bei der Größe Schwerins täglich viele Stunden kostet. Hinzu kommt das zermürbende und meist vergebliche Warten in den Vorzimmern.

Welk beklagte sich des Weiteren über die fehlende Unterstützung der Parteien, des FDGB, des Kulturbundes und auch über "die beiden sozialistischen Zeitungen [Volkszeitung und Volksstimme Schwerin]," die "nicht einmal die Artikel, die ich zur Propagandierung des Volkshochschulgedankens schrieb, veröffentlicht." (Ebd.)

Trotz all der Widrigkeiten hatte Welk es geschafft, Ende März 1946 einen Lehrplan und das entsprechende Lehrerpersonal aufzustellen. Angeboten wurden u.a. Kurse in den Lehrfächern Biologie, Chemie, Erdkunde, Gewerkschaftskunde, bildende Kunst, Literatur, Länderkunde, Mathematik, Philosophie, Psychologie, Physik, Bürgerliches Recht, Volkswirtschaft, Weltgeschichte, Praktische Wissenschaft vom Leben, Soziologie, Geschichte des Sozialismus, Musik, Deutsch, Englisch, Französisch, Latein und Russisch. Für die Teilnahme an einer Doppelstunde war eine Reichsmark, für einen Sechs-Abend-Kurs waren fünf Reichsmark und für einen Zwölf-Abend-Kurs waren zehn Reichsmark zu entrichten. Welk rechnete

mit rund 1000 Anmeldungen von Hörern. Wie ein einzelner Mensch sie registrieren, gruppieren, beraten soll, wie er Hörerkarten ausstellen und Hörergebühren kassieren und verbuchen soll

war ihm "freilich unerfindlich" noch dazu ohne Büroräume und –ausstattung. Bei genügender Unterstützung wäre eine Eröffnung der Schule am 1. April 1946 möglich gewesen. (Ebd.)

Mit dem Beginn des Lehrbetriebs am 26. Mai 1946 hatte Ehm Welk die ihm übertragene Aufgabe der Gründung der Volkshochschule Schwerin erfüllt.

Unerfüllt war noch immer die Zusage der Stadtverwaltung, ihm eine angemessene Wohnung zur Verfügung zu stellen. Er bewohnte noch eine Zeit lang das möblierte Zimmer in der Jahnstraße und zog später zusammen mit seiner Frau in eine Wohnung am Ostorfer Ufer. Ende 1948 bat er v.a. aus gesundheitlichen Gründen, aber auch, um sich wieder seiner schriftstellerischen Tätigkeit widmen zu können, um seine Amtsenthebung und wohnte ab 1950 in einem von ihm erworbenen Haus in Bad Doberan. Nach schaffensreichen Jahren als Schriftsteller verstarb Ehm Welk am 19.12.1966 in Bad Doberan.

Sigrid Fritzlar, Landeshauptarchiv Schwerin

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