Blitzeinschlag in der Schweriner Schelfkirche anno 1717

Archivalie des Monats August 2011

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Inschrift an der Schweriner Schelfkirche

Schwerin: Westportal der Schelfkirche St. Nikolai auf dem Schelfmarkt (mit der Inschrift, die auf die Fürstengruft Herzog Friedrich Wilhelms verweist)

Schwerin: Westportal der Schelfkirche St. Nikolai auf dem Schelfmarkt (mit der Inschrift, die auf die Fürstengruft Herzog Friedrich Wilhelms verweist)

Um 9 Uhr Oster Abends hörte man mit starken Blitzen einen entsetzlichen Donnerschlag, welcher sich Südenwärts in der hier neuerbauten Schelf Kirchen befunden…

,so beginnt ein Bericht über einen Blitzeinschlag in der Schweriner St. Nikolai Kirche - der sogenannten Schelfkirche - im Jahre 1717, der sich im Landeshauptarchiv Schwerin im Zuge einer Erschließung des Bestands 3.2-1/6 (Ritterschaftliches Amt Güstrow) auffand. Trotz des spektakulären Beginns des Textes, dessen Verfasser und Adressat sich nicht feststellen lassen, handelt es sich dabei im folgenden um einen sachlichen Bericht über die durch den Blitzeinschlag verursachten Schäden an Kirchengebäude und -ausstattung. Der Verfasser, der den Zustand der Schelfkirche offenbar vor Ort in Augenschein genommen hatte, berichtet vor allem über Schäden an den Fenstern und am Glockenstuhl, der so stark beschädigt worden sei, "daß die grosse Glocke auff einen Turm Balcken gesunken und unbrauchbar geworden" sei. Auch das Portal samt dem inwendigen steinernen Crucifix seien zerschmettert worden und dabei von dem Buch, das ein Engel in der Hand hielt, die unterstrichenen Worte "Das wort Gottes bleibet in Ewigkeit" abgeschlagen worden.

Die Quelle führt uns zurück in die Zeit kurz nach der Weihe der damals erst unlängst neuerrichteten Kirche.

Der Neubau von St. Nikolai an Stelle einer alten, ebenfalls dem Patron der Seefahrer und Kaufleute St. Nikolaus geweihten Kapelle, stand im Zusammenhang mit den Plänen Herzog Friedrich Wilhelms I. (reg. 1692-1713) zur Gründung einer Neustadt - also einer eigenständigen Stadt - auf dem Gebiet der Schelfe nördlich von Schwerin. Angestrebt war dabei in erster Linie die Schaffung eines Wirtschaftszentrums.

Vergünstigungen beim Grundstückserwerb und finanzielle Förderung beim Hausbau sollten "tüchtigen Handwerkern und Manufacturiers", wie es in der Deklaration zur Gründung der Neustadt von 1705 hieß, einen Anreiz geben, sich auf der Schelfe niederzulassen.

Die alte, baufällige Kapelle erschien für die Neustadt, die ein Zentrum mit Kirche, Rathaus und Markt erhalten sollte, nicht repräsentativ genug, so dass an ihrer Stelle in den Jahren 1708-1713 nach Plänen von Jacob Reutz der heutige Barockbau entstand.

Ob der Blitzeinschlag, der die Schelfkirche anno 1717 ausgerechnet in der heiligen Osternacht traf, von manchem Schweriner auch als Symbol für ein mögliches Scheitern des ehrgeizigen herzoglichen Stadtprojekts, das in gewisser Weise eine Konkurrenzgründung zur Altstadt intendierte, gedeutet wurde, ist nicht überliefert. Die Entwicklung der Neustadt stagnierte jedenfalls seit dem Tode Herzog Friedrich Wilhelms I. im Jahre 1713 merklich. Eine Bestandsaufnahme von 1747 zeigte, dass die Bebauung noch kaum bis über die Schelfkirche hinaus vorgedrungen war und selbst in den Hauptstraßen noch Lücken aufwies. Seit den 1760er Jahren wurde ein Aufblühen der Schelfstadt zusätzlich durch die Verlegung der herzoglichen Residenz von Schwerin nach Ludwigslust erschwert, da Aufträge des Hofs, auf welche die Handwerker in der Neustadt gehofft hatten, nun ausblieben.

Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts nahm die Bautätigkeit um die Schelfkirche herum wieder zu. Sowohl die Verlegung der Justizkanzlei aus der Alt- in die Neustadt als auch der Bau des Neustädtischen Palais markieren den erneuten Aufschwung der Neustadt. Während sich 1717 dort nur 175 Häuser befanden, waren es am Ende des 18. Jahrhunderts bereits 354. Auch die Bevölkerungszahl stieg von 500 Einwohnern im Jahre 1701 bis auf 3000 Einwohner im Jahre 1789 an. Im Jahre 1819 hatte die Stadt mit 4135 Einwohnern beinahe die Bevölkerungszahl der Altstadt erreicht. 1832 wurde schließlich die Vereinigung der Neu- und Altstadt, die auf Dauer als selbständige Städte nebeneinander ökonomisch nicht überlebensfähig waren, vollzogen. Die St. Nikolaikirche auf der Schelfe, die nach dem Blitzeinschlag von 1717 noch manchen Sturm und Krieg - und in jüngster Zeit auch die glücklicherweise rechtzeitig vereitelten Brandanschläge - überstanden hat, prägt seitdem als Stadtkirche das Gesicht Schwerins.

Dörte Kaufmann, Landeshauptarchiv Schwerin


Literaturhinweise

300 Jahre Schelfstadt. 15 Jahre Stadterneuerung. Die historische Entwicklung des Stadtteils in der Landeshauptstadt Schwerin, hg. von der Landeshauptstadt Schwerin, Schwerin 2005.

Bernd Kasten/Jens-Uwe Rost (Hgg.), Schwerin. Geschichte der Stadt, Schwerin 2005, S. 61-63.

Friedrich Schlie (Bearb.), Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Schwerin Bd. II, Schwerin 1898, S. 576-584.

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Blitzeinschlag in der Schweriner Schelfkirche anno 1717