Die Akte Sidonia – Kabinettausstellung im Pommerschen Landesmuseum beendet
„Articuli inditionales des fürstlichen advocati fisci, anklegers an einem, contra Sidoniam Borcken, beklagtin am anderen theill, in puncto veneficij aliorumque diversorum criminum“ – diese Zeilen wirken wie als Vehikel in eine andere Zeit.
Die schwungvollen Buchstaben der ausgestellten Dokumente versetzten die Besucherinnen und Besucher der Kabinettausstellung mit Gerichtsakten Sidonia von Borckes in die Schreibstube des Stettiner Hofgerichts. Dort wurde am 2. Dezember 1619 die Anklageschrift gegen diese pommersche Adelige verfasst. Ihre Prozessakten standen zusammen mit der Klageschrift im Mittelpunkt der Sonderausstellung im Pommerschen Landesmuseum. Aus konservatorischen Gründen konnten sie nur vom 29. Juli bis zum 1. August 2021 ausgestellt werden. In diesem kurzen Zeitraum haben rund 2.100 Personen die Originale in Augenschein genommen. Mehrere Führungen in deutscher und polnischer Sprache fanden eine große Resonanz. Stets hat die Ausstellung starke Emotionen bei den Betrachtenden ausgelöst. Auch Historikerinnen und Historiker wie Agnieszka Gut, Stefan Rahde, Vital Byl, um nur einige zu nennen, nutzten die Gelegenheit, dieses Geschichtszeugnis zu betrachten. Personen mit einem persönlichen Bezug oder Touristenführer nahmen ebenfalls an Führungen teil. Die Ausstellung fand auch in der Presse eine gute Resonanz. Die Schweriner Zeitung, Ostsee Zeitung, Die Welt online und das Radio Stettin berichteten darüber.
Die Inszenierung der Akten war minimalistisch, Farben und Grafiken sehr zurückhaltend. Im Mittelpunkt sollten schließlich die Originale stehen. Diese zwischen 1605 und 1620 angefertigten Manuskripte werden im Landesarchiv Greifswald aufbewahrt. Zum 400. Todestag Sidonia von Borckes hat das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege ihre Restaurierung in Angriff genommen. Knapp ein Jahr später wurden sie nach diesem aufwendigen Prozess im Pommerschen Landesmuseum erstmals einer breiten Öffentlichkeit wieder präsentiert. In absehbarer Zeit sollen sie online für Forscherinnen und Forscher sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger ohne Einschränkungen zugänglich sein. Der Fall Sidonia bietet vielfältige Einblicke in die gesellschaftlichen Verhältnisse und in die Arbeitsweise pommerscher Gerichte. Zudem ist er ein wichtiger Bestandteil der für Pommern noch nicht vollständig erforschten Verfolgung von Hexen und Zauberer.
Die Ausstellung bestand aus drei Vitrinen, in denen Schlüsseldokumente für den Fall Sidonia aufgeschlagen wurden. Mit der Kopie des verschollenen Stargordter Porträts (LAGw Rep. 38d Borcke, Sign. 104 d6) aus dem Archiv der Familie von Borcke wurde die Legendenbildung angesprochen und dem zweiten Band der Akten (LAGw Rep. 40 II, Sign. 37, Teil 2) entgegen gestellt. Mit den sichtbaren Spuren der Restaurierung und mit den Stempeln wurde hier der noch nicht erforschte Werdegang der Dokumente angedeutet. Die zweite Vitrine beinhaltete den dritten und umfangreichsten Band (LAGw Rep. 40 II, Sign. 37, Teil 3). Zahlreiche Dokumente, wie die Protokolle der Wohnungsdurchsuchung im Stift Marienfließ (Marianowo) oder Sidonias Schreiben aus der Gefängniszelle in der Oderburg, geben hier den Einblick in ihre wahre Geschichte. Da nicht alle Dokumente präsentiert werden konnten, wurden hier die Anklageschrift und die letzte Seite der Verteidigungsschrift mit Sidonias eigenhändiger Unterschrift ausgestellt. Dieser Chronologie folgend konnten in der letzten Vitrine die Genehmigung des Schöffengerichts Magdeburg zur Fortsetzung des Verfahrens und Empfehlung der Folter sowie das Protokoll des ersten peinlichen Verhörs Sidonia von Borckes (LAG Rep. 40 II, Sign. 37, Teil 1) gezeigt werden. Diese Originale wurden für die Ausstellungszwecke teilweise transkribiert und eigens für polnischsprachige Besucherinnen und Besucher aufbereitet.
Digitale Formate ergänzten die Ausstellung, die zuvor im Rahmen eines deutsch-polnischen Interreg-Projektes mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Fonds für kleine Projekte Interreg V A Mecklenburg-Vorpommern / Brandenburg / Polen in der Euroregion Pomerania) erarbeitet wurden. Mit dem Ziel Sidonia eine Stimme zu geben entstanden bisher vier Audiobeiträge. Diese „Kriminalistische Ermittlung einer Schauspielerin“ mit Katja Klemt und Ola Ślusarczyk sowie Spannendes rund um die Geschichte Sidonias sind weiterhin auf der Webseite des Projektes „Die Akte Sidonia“ abrufbar: www.S1620.eu
Es handelt sich um ein Projekt des Kulturreferats für Pommern und Ostbrandenburg. In Kooperation mit dem Pommerschen Landesmuseum und dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege M-V/ Landesarchiv Greifswald. Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.
Dorota Makrutzki
Kulturreferentin für Pommern und Ostbrandenburg, Pommersches Landesmuseum