Ein mittelalterlicher Weg in Rerik

Fund des Monats Mai 2008

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Ausgefahrene Wagenradspuren im mittelalterlichen Wegeverlauf

Ausgefahrene Wagenradspuren im mittelalterlichen Wegeverlauf

Ausgefahrene Wagenradspuren im mittelalterlichen Wegeverlauf

Bei den archäologischen Untersuchungen im Zuge einer Lückenbebauung in der Dünenstraße in Rerik, Lkr. Bad Doberan, wurden im Bereich der slawischen Vorburgsiedlung des Burgwalls "Schmiedeberg" urgeschichtliche und slawische Befunde, vor allem aber interessante Objekte der frühdeutschen Ansiedlung des 13. und 14. Jahrhunderts freigelegt. Die Ausgrabungen haben gezeigt, dass eine slawische Siedlungskontituität bis in spätslawische Zeit auszuschließen ist. Vielmehr erfolgte die erneute Besiedlung des günstig gelegenen Platzes erst wieder am Ende des 12. Jahrhunderts. Dabei wird die strategische Lage des noch vorhandenen Burgwalls unmittelbar an der Ostseeküste eine große Rolle gespielt haben.

Mit der Aufdeckung eines mittelalterlichen Wegeverlaufs aus dem 13. Jahrhundert kann ein Teil des frühdeutschen Wegenetzes rekonstruiert werden. Außer einem dunkelgraubraunen Siedlungshorizont mit eingelagerten slawischen und frühdeutschen Keramikscherben und vielen Kleinfunden gab es nur wenige mittelalterliche Objekte. Die Westnordwest-Ostsüdost ausgerichtete mittelalterliche Wegeführung und eine nördlich davor angelegte grabenartige Rinne, die zur Ableitung des Oberflächenwassers diente, wurden auf einer Länge von 14 m freigelegt. Zusammen mit einem bereits früher dokumentierten, weiter westlich liegenden Abschnitt desselben Weges, ist ein Stück des mittelalterlichen Wegenetzes innerhalb der Ortschaft Rerik darzustellen. Der Weg verläuft – abweichend von der heutigen Straßenführung – in den angrenzenden Hof- und Gartenbereichen der Häuserzeile der Dünenstraße.

Da Hausbefunde fehlen, ist mit einer lockeren Einzelgehöftaufsiedlung zu Beginn der frühdeutschen Landnahmezeit zu rechnen. Dazu gehört wohl auch eine frühdeutsche Hausgrube des ausgehenden 12. Jahrhunderts, die 1995 westlich von unseren Grabungsflächen untersucht wurde. Der Ort dürfte als Zeilendorf zwischen Burgwall und Kirchenstandort angelegt worden sein. Weiter nach Westen wird der Weg unmittelbar südlich des slawischen Burgwalls auf die Halbinsel Wustrow geführt haben.

Die heutige Straßenführung geht auf eine frühneuzeitliche Häuslereiaufgliederung zurück, wie sie in einem Situationsplan von den Häuslereien auf der Dorffeldmark Alt Gaarz im Domanialamt Buckow von 1872 dargestellt wird. Danach besaß die Büdnerei III, deren letzte Hausbebauung 1881 erfolgte, keine mittelalterlichen Vorgängerbauten.

Die Breite des mittelalterlichen Weges betrug im oberen Planum 2,3 m. Dabei nahm sie nach Osten bei einer leichten Hangneigung bis auf 3,0 m zu. Nach Absenken der Fläche um 0,3 m zeichneten sich zwei ausgefahrene Wagenradspuren ab (Abb. 1). Sie sind zwischen 0,6 und 0,8 m breit und bis in eine Tiefe von 0,4 m unter Planum 1 ausgefahren. Der Abstand zwischen den Spurrinnen variiert zwischen 0,6 und 0,8 m. Im Ostprofil zeichnet sich für den Ostteil des Weges eine Verlagerung der Spurrinnen um 0,3 m nach Süden ab. Die älteren Spurrinnen in diesem Bereich liegen 0,36 über den Sohlen der jüngeren Spurrinnen und belegen die lange Nutzung des unbefestigten Weges. Gleichzeitig legte man parallel zu dem Weg im Abstand von 0,8 m einen flachen, bis 0,5 m breiten Sohlgraben an. Dieser war bis zu 0,25 m tief. Mit ihm sollte das Oberflächenwasser von der nördlichen Plateaufläche, die eine leichte Hangneigung nach Süden besitzt, abgeleitet werden.

Vereinzelt gab es in den Spurrinnen etwas tiefere ausgefahrene Abschnitte, die durch das Verfüllen mit großen Tierknochen, kleinen Feldsteinen, frühdeutschen Keramikscherben, darunter auffallend viele breite Bandhenkel von Kannen der harten Grauware, und Eisenschmiedeschlackekuchen ausgeglichen wurden. Abgesehen von diesen Reparaturstellen wurden keine weiteren Spuren einer Wegeunterhaltung gefunden. In den Verfüllschichten der Spurrinnen kamen frühdeutsche harte Grauware, Einzelscherben der weinrot engobierten Faststeinzeugware, graue Faststeinzeugware und eine flache Schale aus Siegburger Steinzeug zutage.

Mit 23 langschenkligen Angelhaken (Abb. 2) aus dem mittelalterlichen Wegebefund kann außer der Netzfischerei auch der Fischfang mit Angeln nachgewiesen werden. Die Haken bestehen aus einem Eisendraht mit einem oben nach außen umgelegten offenen Ösenkopf und einem umgelegten unteren Hakenende. Sie waren sowohl mit als auch ohne Widerhaken versehen und bis zu 4,1 cm lang. Diese Hakenform wird noch heute zum Herings- und Aalfang verwendet. Abgesehen von einem Netzsenker aus gotländischen Kalkstein werden auch ein kegelförmig durchlocht gegossenes Stück Blei sowie zwei zylindrisch gegossene Bleihülsen für die Beschwerung von Fischnetzen genutzt worden sein. Ein Stück Pech wird wie die Eisennieten mit rhombischer Nietplatte zum Bootsbau und damit weitläufig zum Fischfang gedient haben.

Das Fundspektrum mit Angelhaken, Bootsnieten und Netzsenkern belegt einen umfangreichen Fischfang als Haupterwerbsquelle seit dem 13. Jahrhundert. Der Handel mit Fisch ermöglichte den Erwerb von Handelsgütern, die bisher nur in den herausragenden mittelalterlichen Küstenstädten wie Wismar oder Rostock angetroffen wurden.

Dr. Frank Wietrzichowski

Fund des Monats Mai 2008

Ein mittelalterlicher Weg in Rerik