Fund des Monats Juli 2024

Der Münzschatz von Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, und der brandenburgische Krieg gegen Mecklenburg-Werle um das Jahr 1276

Abb. 1: Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Der Keramiktopf slawischer Machart war bei seiner Auffindung mit 1684 Hohlpfennigen bzw. halbierten Hohlpfennigen gefüllt.Details anzeigen
Abb. 1: Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Der Keramiktopf slawischer Machart war bei seiner Auffindung mit 1684 Hohlpfennigen bzw. halbierten Hohlpfennigen gefüllt.

Abb. 1: Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Der Keramiktopf slawischer Machart war bei seiner Auffindung mit 1684 Hohlpfennigen bzw. halbierten Hohlpfennigen gefüllt.

Abb. 1: Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Der Keramiktopf slawischer Machart war bei seiner Auffindung mit 1684 Hohlpfennigen bzw. halbierten Hohlpfennigen gefüllt.

Am 26. November 2022 entdeckte der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Frank Manthey auf einem Acker in der südlich von Wesenberg gelegenen Gemarkung Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, ein mit 1684 Silbermünzen gefülltes Keramikgefäß (Abb. 1). Es handelt sich ausschließlich um Hohlpfennige sowie nachträglich halbierte Hohlpfennige. Als Münzschatzgefäß diente ein jungslawischer Topf vom Typ Vipperow.

Zu den seltenen Münzen des Fundes gehören schlichte mecklenburgische Stierkopf-Hohlpfennige ohne Beizeichen. Sie sind nur mit zwei Exemplaren vertreten, wovon das eine Stück mit Eberhauern dekoriert ist (Abb. 2). In geringer Anzahl kommen glattrandige Hohlpfennige vor, die einen stark stilisierten Stierkopf in einem Tor zeigen (Abb. 3). Von ähnlicher Gestalt ist ein nur einmal vertretener glattrandiger Pfennig mit einem Stierkopf in einer bogenförmigen Toröffnung (Abb. 4). In großer Zahl gibt es Pfennige mit Strahlenrand, die einen Stierkopf in einem Tor mit Dreiecksgiebel zeigen (Abb. 5). Ein Einzelstück ist ein Exemplar mit Strahlenrand, dass einen Stierkopf in einem „H“-förmigen Tor zeigt, dessen Giebel durch drei Kugeln gebildet wird (Abb. 6). Da es sich bei dem Münzschatz von Wustrow einerseits aufgrund der topographischen Lage um einen mecklenburgischen Heimatfund handelt und andererseits diese Ortschaft ganz im Süden der Herrschaft Mecklenburg-Werle, weitab von den anderen mecklenburgischen Herrschaften, liegt, können die eben vorgestellten Tor-Hohlpfennige als Geld von Mecklenburg-Werle angesehen werden.

Als Vorbilder für die eben erwähnten Pfennige dienten in Hamburg geprägte Tor-Hohlpfennige, die aber durch ein achtzackiges Nesselblatt im Tor gekennzeichnet sind. Derartiges ist im Wustrower Schatz nur ganz selten vertreten. Ein glattrandiges Belegstück ist durch einen Zinnenturm über dem Tor charakterisiert (Abb. 7). Mit drei Exemplaren gibt es einen Typ, der einen Giebelbogen mit einer Kugel als Abschluss besitzt (Abb. 8). Als Besonderheit besitzt dieser Typ am äußeren Wulstring zwei Kugeln, was bei Hamburger Gepräge mehrfach auftritt. Ein anderer Hohlpfennig mit Strahlenrand hat ein „H“-förmiges Tor, dessen Giebel aus drei pyramidenartig angeordneten Kugeln besteht (Abb. 9). Auch hier findet sich ein Nesselblatt im Tor, womit eine Hamburger Herkunft gesichert ist. Dreimal gibt es einen Tor-Hohlpfennigtyp mit Zinnenturm, der wiederum durch zwei Kugeln am Wulstrand charakterisiert ist (Abb. 10). Auf den ersten Blick ist man geneigt, hierin ein Hamburger Produkt zu sehen. Bei allen Stücken ist aber im Tor ein Objekt zu sehen, das wie eine große Kugel mit drei nach oben orientierten Strichen und einem nach unten führenden Strich aussieht. Dieses Objekt hat zwar Ähnlichkeiten mit einem Nesselblatt, aber mehr auch nicht. In der Standardliteratur konnte kein Vergleich gefunden werden. Es handelt sich um einen Beischlag aus einer unbekannten Prägestätte.

Am häufigsten kommen Königskopf-Hohlpfennige mit glattem Rand vor, die einen Kopf ohne Seitenlocken und mit einer stilisierten dreizinkigen Lilienkrone zeigen (Abb. 11). Die einfache Zeichnung spricht dafür, dass es sich um Greifswalder Nachprägungen von Königskopf-Hohlpfennigen aus Lübeck handelt. Nur ganz selten liegen Königskopf-Hohlpfennige mit Strahlenrand vor, die durch eine wohlgeformte Krone und Seitenlocken gekennzeichnet sind (Abb. 12). Diese werden als Lübecker Prägungen angesehen. Sehr selten kommen Stücke mit einer einfacher gezeichneten Krone und je einem sechsstrahligen Stern neben dem Kopf vor, die vermutlich aus dem in Pommern gelegenen Greifswald stammen (Abb. 13).

Sehr zahlreich gibt es Prägungen, die einen Kopf mit einer stilisierten Krone zeigen und nach Greifswald zu verorten sind. Die Besonderheit ist ein mitten auf dem Kopf befindliches Dreieck, dessen Spitze nach unten zeigt. Der eine Typ besitzt einen glatten Rand (Abb. 14). Der andere Typ weist stets einen Strahlenrand auf, der sich durch die unterschiedliche Anzahl der Strahlen in mehrere Varianten scheiden lässt. Für die Variante mit 20 Strahlen gibt es zwei verschiedene Stempelformen, wobei das Innenfeld bei der einen symmetrisch und bei der anderen asymmetrisch (Abb. 15) ausgeformt ist. Weiterhin ließen sich Varianten mit 21, 23 (Abb. 16), 27 (Abb. 17) und 28 Strahlen ermitteln.

In wenigen Fällen liegt ein Hohlpfennigtyp mit Perlenrand vor, der eine Lilie zeigt (Abb. 18). Diese Prägung kommt aus dem in Pommern gelegenen Demmin. Aus der gleichen Münzstätte stammt ein nur einmal belegter Pfennig, der eine halbe Lilie über einem Objekt zeigt, bei dem es sich um eine stilisierte Mauer handeln könnte (Abb. 19). Zum Schluss sei ein prägeschwacher Hohlpfennig erwähnt, der einen nach links schreitenden Löwen über einem Bogen zeigt (Abb. 20). Das wahrscheinlich aus der herzoglichen Münzstätte zu Lüneburg stammende Exemplar dürfte sich nur aufgrund der schlechten Zeichnung in den Fund von Wustrow eingeschlichen haben und wurde wohl für etwas Anderes, hier in diesem Schatz Vorhandenes gehalten.

Für die zeitliche Einordnung des Schatzes von Wustrow ist markant, dass es sehr viele Hohlpfennige mit Strahlenrand gibt. Der älteste Fund aus Mecklenburg mit derartigen Nominalen ist der um 1260/70 in den Boden gekommene Fund von Altbauhof, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte. Weiterhin ist von Bedeutung, dass es sich um einen mecklenburgischen Heimatfund handelt. Kein einziges Stück stammt aus Brandenburg, obwohl Wustrow um 1260/70 im Osten an das brandenburgische Land Stargard angrenzte. Brandenburg führte in der Mitte der 1270er Jahre Krieg gegen Mecklenburg-Werle und verwüstete mehrere Dörfer jämmerlich. Als Höhepunkt gewann es im Jahre 1276 die Schlacht von Groß Trebbow und Nikolaus I., Herr zu Werle (Reg. 1234–1277), und sein Gefolge waren die großen Verlierer. Werle büßte damals einen Teil seines Territoriums ein, darunter Penzlin sowie Wesenberg mit dem südlich angrenzenden Land, auch Lieze genannt, wozu das Wustrower Gebiet gehörte. Es ist kaum vorstellbar, dass ein mecklenburgischer Heimatfund in brandenburgischem Boden in die Erde gekommen ist. Nach dem jetzigen Kenntnisstand wurde der Münzschatz von Wustrow um 1276 im Zuge von kriegerischen Ereignissen vergraben.

Dr. Heiko Schäfer

Literatur

  • Franz Boll, Geschichte des Landes Stargard bis zum Jahre 1471. Neustrelitz 1846.
  • Hermann Dannenberg, Münzgeschichte Pommerns im Mittelalter. Berlin 1893.
  • Franz-Joachim Ernst, Das Ergebnis der archäologischen Gemarkungsaufnahme in Wustrow, Kreis Neustrelitz. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg, Jahrbuch 1964, 279–302.
  • Gert Hatz, Die Anfänge des Münzwesens in Holstein. Die Prägungen der Grafen von Schauenburg bis 1325. – Numismatische Studien 5. Hamburg 1952.
  • Otto Oertzen, Die mecklenburgischen Münzen des Grossherzoglichen Münzkabinets. I. Teil: Die Bracteaten und Denare. Schwerin 1900.
  • Fred Ruchhöft, Das Territorium der Herrschaft Werle. – Mecklenburgische Jahrbücher 121, 2006, 7–33.
  • Fred Ruchhöft, Vom slawischen Stammesgebiet zur deutschen Vogtei. Die Entwicklung der Territorien in Ostholstein, Lauenburg, Mecklenburg und Vorpommern im Mittelalter. – Archäologie und Geschichte im Ostseeraum 4. Rahden/Westfalen 2008.
  • Ernst Helmuth Wunderlich, Der Münzfund von Alt-Bauhof, D. A. Dargun. – Archiv für Bracteatenkunde 2, 1893, 351–362.

Fund des Monats Juli 2024

Der Münzschatz von Wustrow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, und der brandenburgische Krieg gegen Mecklenburg-Werle um das Jahr 1276

2024 - Funde des Monats

2023 - Funde des Monats

2022 - Funde des Monats

2021 - Funde des Monats

2020 - Funde des Monats

2019 - Funde des Monats

2018 - Funde des Monats

2017 - Funde des Monats

2016 - Funde des Monats

2015 - Funde des Monats

2014 - Funde des Monats

2013 - Funde des Monats

2012 - Funde des Monats

2011 - Funde des Monats

2010 - Funde des Monats

2009 - Funde des Monats

2008 - Funde des Monats

2007 - Funde des Monats