Pferdeopfer in slawischer Vorratsgrube

Fund des Monats April 2010

Pasewalk, Lkr. Uecker-Randow. Beeindruckende VorratsgrubeDetails anzeigen
Pasewalk, Lkr. Uecker-Randow. Beeindruckende Vorratsgrube

Abb.1: Pasewalk, Lkr. Uecker-Randow. Beeindruckende Vorratsgrube

Abb.1: Pasewalk, Lkr. Uecker-Randow. Beeindruckende Vorratsgrube

Seit Sommer 2008 werden in Mecklenburg-Vorpommern großflächige Ausgrabungen im Verlauf der Erdgasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) durchgeführt. Eine dieser Untersuchungsflächen lag westlich von Pasewalk im Landkreis Uecker-Randow, wo außer vorgeschichtlichen Befunden große Teile einer spätslawischen Siedlung des 11./12. Jahrhunderts freigelegt wurden. Diese zeichnete sich vor allem durch ein gutes Dutzend bis zu 2,1 m tiefer Vorratsgruben aus (Abb. 1). Die durch ihre Größe und Tiefe beeindruckenden Gruben hatte man zum Teil beutelförmig, zum Teil leicht kugelförmig (mit trichterartigem Einstieg) in den Boden eingebracht. Nachdem sie als "Vorratsbehälter" ausgedient hatten, verfüllte man sie mit dem in der Siedlung anfallenden Müll, nutzte sie also als Abfallgruben. Viele dieser Abfallgruben enthielten große Mengen von zerbrochenen, verzierten slawischen Keramikscherben, darunter ein Bodenstück mit pfeilförmigem Töpferzeichen, und Rundmühlenfragmente aus Felsgestein.

In einer dieser ehemaligen Vorratsgruben (Durchmesser 1,5 m; Tiefe noch 1,43 m) hatte man ein Pferd niedergelegt (Abb. 2). Das 14–15 Jahre alte männliche Tier gelangte allerdings nicht in seiner ursprünglichen Körpergestalt, sondern zerteilt in die Grube. Schädel und Hals waren zuunterst auf der Grubensohle deponiert, darüber lag der Rumpf. Die Extremitäten wurden daneben gefunden, die Schwanzwirbel sodann neben dem Unterkiefer. Das Skelett war anatomisch vollständig erhalten, Schnittspuren ließen sich an den Knochen nicht nachweisen.

Oberhalb des Pferdeskeletts wurden eine Brandlehmkonzentration sowie zahlreiche Knochenreste eines ein- bis zweijährigen Kleinen Wiederkäuers (Schaf/Ziege, vermutlich Ziege) und das Schulterblatt eines Schweins gefunden. Diese unvollständigen Reste könnten durchaus Teil eines rituellen Mahls im Rahmen der Niederlegung des Pferdeopfers gewesen sein.

Eine unzerteilte Niederlegung des Pferdes wäre aus Platzgründen nicht möglich gewesen, doch hätte es – wäre es nur um die Entsorgung eines toten Tieres gegangen – mit weniger Aufwand und Sorgfalt in der Grube versenkt werden können. Da dies nicht zutrifft, spricht alles für eine intentionale Deponierung des Tierleibs am Rand der Siedlung. Es dürfte sich um eine rituelle Niederlegung des Pferdes handeln – entweder im Sinne eines reinen Fleischopfers an eine chtonische Gottheit oder im Zusammenhang mit Fruchtbarkeitsriten.

Wie zeitgleiche Vergleichsbeispiele zeigen, wurden bei den Wikingern insbesondere Pferde im Rahmen von Bestattungszeremonien oder Opferungen zerstückelt und anschließend vollständig oder in Teilen (pars pro toto) in den Boden verbracht, um dem Toten als Reittier für den Weg ins Jenseits zu dienen. Die Niederlegung von Pferden oder – stellvertretend beispielsweise – ihren Schädeln erfolgte bei Sachsen, Slawen und Wikingern allerdings auch in sekundär genutzten Siedlungsgruben und Grubenhäusern, wobei dies dann den hohen Stellenwert des Pferdes für seinen Besitzer unterstreichen sollte.

Dr. Andreas Selent

Fund des Monats April 2010

Pferdeopfer in slawischer Vorratsgrube