Schloss, Stadtmauer und Gräben

Fund des Monats Mai 2010

Wolgast. Schlossinsel, TreppenturmDetails anzeigen
Wolgast. Schlossinsel, Treppenturm

Abb. 1: Wolgast. Schlossinsel, Treppenturm

Abb. 1: Wolgast. Schlossinsel, Treppenturm

Auf der im Peenestrom vor der Stadt Wolgast, Lkr. Ostvorpommern, gelegenen "Schlossinsel" stand einst einer der bedeutendsten norddeutschen Renaissancebauten: das Schloss der Herzöge von Pommern-Wolgast. Heute ist das Areal mit einer 0,6–0,8 m mächtigen Schicht aus Schlacken und anderen Abfällen der Gießereiindustrie bedeckt, die hier bis 1945 ihren Standort hatte. In den 1840er Jahren ließ der Wolgaster Kaufmann und Reeder August Wilhelm Homeyer Reste und Fundamente des schon lange verfallenen Schlosses abtragen. Mit Hilfe mehrerer archäologischer Suchschnitte sind inzwischen im 19. Jahrhundert mit Bauschutt verfüllte Keller und ausgebrochene Mauern nachgewiesen, die Informationen zum ursprünglichen Baukörper liefern. Im östlichen Teil des Gebäudes war ein etwa 5 m langer Mauerabschnitt mit dem Fundament eines in Backstein gemauerten, runden Treppenturms (Dm. außen 3,2 m) erhalten, der zur Hälfte aus einem 1,9 m breiten Mauerwerk vortritt (Abb. 1). Das freigelegte Mauerwerk ähnelt in Ziegelmaterial und Mauertechnik der Wolgaster St. Gertrudenkapelle (um 1421 [d]), was eine Datierung in die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts nahelegt. Das Niveau der teilweise mit Kopfsteinpflaster befestigten Kellerfußböden im Schloss liegt bei ca. 0,6 m über HN. Das heutige Geländeniveau (ca. 2,6 m über HN) im Bereich des Schlosses könnte in etwa auch dem Höhenniveau des ehemaligen Schlosshofs entsprechen. Hinweise zur Geschichte der spätmittelalterlichen Herzogsburg vermitteln zwei Eichenhölzer (1322 Waldkante und 1324±10), die aus der Substruktion des Feldsteinfundaments des mittelalterlichen Burgturms stammen.

Die ehemalige Stadtmauer wurde während einer Baulandgewinnungsmaßnahme am Ende des 14. Jahrhunderts im Peeneschlick auf einer hölzernen Substruktion errichtet. Dendroproben ergaben für die im archäologisch untersuchten Teilstück verbauten Hölzer ein einheitliches Fälldatum von 1387/88 (Waldkante). Die Sommerwaldkanten des Jahres 1388 lassen vermuten, dass die Verbauung der Hölzer in diese Zeit fällt. Auf eingerammten, bis zu 3 m langen Eichenpfosten lag ein teilweise dreilagig gepackter Eichenrost, auf diesem wiederum große Feldstein (Länge maximal 1,6 m) in zwei bis drei Lagen. Bei etwa 1 m über HN setzte die Aufmauerung aus Backsteinen ein. Zwei im Abstand von etwa 25 m auf Holzpfosten gegründete Feldsteinfundamente stammen vermutlich von zwei schmalen Wieckhäusern, die die Mauer zusätzlich befestigten. In einer Verfüllschicht des Stadtgrabens kam ein zusammengedrückter Fingerhut aus Messing zutage, in den die Inschrift "es geb gott wer was mein herz begehrts" geprägt ist (Abb. 2). Mehrere vor der Stadtmauer gelegene Gruben sowie ein Latrinenbottich sind dem dort bis ins 19. Jahrhundert ansässigen Gerberhof zuzuordnen.

Zu renaissancezeitlichen Ofenkacheln, und zwar zu einer Serie, die die fünf Sinne repräsentiert, gehört ein schwarz glasiertes Bruchstück, das eine stehende, in einen Spiegel schauende Frau zeigt. Als Beischrift ist zu lesen: "(D)AS (G)ESICHTE" (Abb. 3). Eine russische Warenplombe stammt aus dem Jahre 1794 (Abb. 4).

Dr. Jörg Ansorge / Dr. Heiko Schäfer / Giannina Schindler

Fund des Monats Mai 2010

Schloss, Stadtmauer und Gräben