Dem Feinschmied über die Schulter geschaut

Fund des Monats Oktober 2011

Zarnekow. Bronzefunde. M. 1:1.Details anzeigen
Zarnekow. Bronzefunde. M. 1:1.

Abb. 1: Zarnekow. Bronzefunde. M. 1:1.

Abb. 1: Zarnekow. Bronzefunde. M. 1:1.

Nachweise der Buntmetallverarbeitung sind für die römische Kaiserzeit nach wie vor eine Seltenheit. Dies gilt auch für den während dieser Epoche intensiv genutzten Landstrich des Küstenhinterlandes zwischen Rügen und Oderhaff.

Von besonderem Interesse ist deshalb der Siedlungsplatz Zarnekow 9, Lkr. Ostvorpommern, der sich westlich an einem kleinem Soll erstreckt und in der näheren und ferneren Umgebung von zahlreichen Fundplätzen der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und römischen Kaiserzeit umgeben ist. Aus dieser bislang nur durch Oberflächenfunde des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. bekannten Siedlung stammen Neufunde, die nicht nur von antiquarischem, sondern auch technikgeschichtlichem Interesse sind.

Zunächst ist ein massiver bronzener Stabbarren mit quadratischem Querschnitt (Länge 8,9 cm; Gewicht 58 g; Abb. 1, 1) zu nennen, dessen Enden im Gegensatz zu den scharfkantigen Ecken des Barrenkörpers eher abgerundet sind. Aufgrund vergleichbarer Fundstücke ist anzunehmen, das dieser Barren als Rohmaterial für den Metallguss diente und – vorausgesetzt er gehört in den Zusammenhang des kaiserzeitlichen Fundmaterials – zur Verarbeitung innerhalb der Siedlung vorgesehen war.

Die Buntmetallverarbeitung an diesem Platz darf nämlich aufgrund eines weiteren, für diese Region bislang einzigartigen Fundstücks angenommen werden. Es handelt sich um den bronzenen Gussrohling einer Fibel (Länge 4,7 cm; Gewicht 13 g; Abb. 1, 2; 2), das heißt einen fast vollständig überlieferten Fibelbügel, der am Kopf einen 1,1 cm langen Gusszapfen zeigt (Abb. 3). Trotz des unfertigen Zustands sind wichtige Merkmale der Fibel bereits erkennbar. Am Fibelkopf sitzt ein 0,6 cm breiter, im Querschnitt kreissegmentförmiger Kopfkamm, der in den massiven Fibelbügel mit deutlich herausgearbeitetem Mittelgrat übergeht. Auf dem Fibelbügel gibt es mittig einen weiteren Kamm, den sich verjüngenden Fuß ziert ein nicht ausgestalteter Knopf. Aufgrund dieser Merkmale gehört die Fibel zu den späten, kräftig profilierten Fibeln der Gruppe IV oder den Fibeln der 1. Serie der Gruppe V nach Oscar Almgren. Der Ursprung dieser Fibelform ist im unteren Weichselraum und den Masuren zu verorten, chronologisch gehören sie in die Endphase der älteren römischen Kaiserzeit. Als Vergleichsfunde sind beispielsweise Fibeln des Gräberfeldes von Lubowidz, Województwo Pomorskie, anzuführen (Abb. 4), die allerdings eine vom Zarnekower Stück abweichende Fußgestaltung zeigen.

Der Nachweis von Funden, die in den Zusammenhang der Buntmetallverarbeitung gehören, machen den Fundplatz Zarnekow 9 damit zu einem herausragenden Siedlungsbefund, wenngleich der Umfang der Buntmetallverarbeitung innerhalb der Siedlung aufgrund der geringen Materialbasis derzeit noch nicht abgeschätzt werden kann. Aussagen darüber, ob an diesem Platz tatsächlich ein Feinschmied tätig war, sind zwar nur unter Vorbehalt zu formulieren, angesichts der Funde jedoch anzunehmen.

Lars Saalow, M. A.


Literatur

R. Wołągiewiz, Lubowidz – Ein birituelles Gräberfeld der Wielbark-Kultur aus der Zeit vom Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum Anfang des 3. Jahrhunderts n. Chr. – Monumenta Archaeologica Barbarica 1. Kraków 1995.

Fund des Monats Oktober 2011

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