Freude über den verlorenen Groschen …: Archäologische Prospektionsarbeiten in der mittelalterlichen Kirche von Lüdershagen

Fund des Monats Mai 2012

Innenraum der Lüderhägener Kirche mit dem Störungen im FußbodenDetails anzeigen
Innenraum der Lüderhägener Kirche mit dem Störungen im Fußboden

Abb. 1: Innenraum der Lüderhägener Kirche mit dem Störungen im Fußboden

Abb. 1: Innenraum der Lüderhägener Kirche mit dem Störungen im Fußboden

Die St. Jürgen Kirche von Lüdershagen (Lkr. Vorpommern-Rügen), eine stattliche Backsteinhalle aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, liegt an der mittelalterlichen Wegeroute zwischen den Hansestädten Rostock und Stralsund. Als sich im Sommer 2011 Teile des Kirchenfußbodens senkten, entschloss sich die Kirchengemeinde kurzfristig zu einer Sanierungsmaßnahme. Durch viele alte Grüfte und unzureichende Aufschüttungen war ein teilweiser Neuaufbau des Fußbodens notwendig, zuvor mussten aber 30 cm Boden ausgetauscht werden (Abb. 1). Für den Außenstehenden mag ein derartig kleiner Eingriff kaum von archäologischer Bedeutung sein. Doch durch die Untersuchungen in der benachbarten ehemaligen Wallfahrtskirche von Kenz sensibilisiert, nahm der örtliche Pastor Christhart Wehring rechtzeitig Kontakt mit dem Landesamt für Kultur und Denkmalpflege auf, um die Baumaßnahme abzustimmen. Dadurch wurde eine koordinierte Bergungsmaßnahme im Kirchenschiff möglich, ohne dass es zu bauseitigen Behinderungen kam.

Durch den konzertierten Einsatz von vier ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegern mit Metalldetektoren und einer Praktikantin des Landesamtes wurde innerhalb einer Woche die gesamte Innenfläche sondiert und alle Funde in einem Koordinatensystem dokumentiert (Abb. 2). Mehr als 300 Münzen kamen bei der Detektorsuche zutage (Abb. 3).

Mit rund einem Drittel sind mittelalterliche Hohlpfennige, darunter bislang unbekannte Prägungen, besonders stark vertreten. Die ältesten datieren in die Zeit um 1300. Die rekonstruierbaren Prägeorte zeigen, dass die mittelalterlichen Besucher innerhalb eines abgrenzbaren Währungsgebietes zwischen Lübeck und Stettin zu Hause gewesen sind. Viele der gefundenen Münzen sind auch zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert geprägt worden.

Geldstücke gingen, ebenso wie Buchbeschläge und Buchverschlüsse, beim Besuch des Gotteshauses über Jahrhunderte verloren und fielen vermutlich in die Ritzen des Fußbodenbelags. Innerhalb des Gebäudes kann ihre Lage uns heute beispielsweise den Standort nicht mehr vorhandener Heiligenbilder oder Altäre verraten. Darüber hinaus lassen sich über die Fundkomplexe Aussagen zum Münzumlauf im Wandel der Zeiten, quasi die ehemaligen Währungsräume, machen. Da einige Münzen Gegenstempel tragen, sind sogar ihre Wege als benutzte Währung teilweise rekonstruierbar. Berechungen zu Münzfunden in brandenburgischen Dorfkirchen durch Vergleiche mit überlieferten Kollektensummen haben übrigens ergeben, dass die Verlustrate bei 0,1–0,01 % gelegen haben dürfte. Beschläge und Verschlüsse von Gesangbüchern illustrieren den Wandel im Gottesdienst von der katholischen hin zur reformatorischen Zeit, denn nun spielte das gemeindlich gesungene Lied eine zentrale Rolle im Gottesdienst.

Bislang wurden flächendeckende Fundaufnahmen erst in fünf Kirchen Mecklenburg-Vorpommerns durchgeführt. Die systematische Untersuchung der Kleinfunde im Rahmen zukünftiger Sanierungsmaßnahmen in mittelalterlichen Kirchen verspricht weiterführende und vergleichbare Fundkomplexe mit großem landesgeschichtlichem Wert.

Und außerdem: wer würde sich nicht über das Wiederfinden des verlorenen Groschens freuen …!?

Dr. C. Michael Schirren


Literatur

M. Agthe, Mittelalterliches und neuzeitliches Fundgut auf Kirchenböden. Kleinfunde und Fundmünzen aus Kirchen in der Niederlausitz (Brandenburg). In: A. Gehrmann/D. Schumann (Hrsg.), Dorfkirchen in der Niederlausitz. Geschichte – Architektur – Denkmalpflege. Kirchen im ländlichen Raum 6, 175–193. Berlin 2011.

Fund des Monats Mai 2012

Freude über den verlorenen Groschen …: Archäologische Prospektionsarbeiten in der mittelalterlichen Kirche von Lüdershagen