Viel mehr als nur "gebrannter Lehm"

Fund des Monats Dezember 2012

Unscheinbar und unansehnlich sind die Gießformreste von der einen Seite Details anzeigen
Unscheinbar und unansehnlich sind die Gießformreste von der einen Seite

Abb.1: Unscheinbar und unansehnlich sind die Gießformreste von der einen Seite

Abb.1: Unscheinbar und unansehnlich sind die Gießformreste von der einen Seite

Die aus wissenschaftlicher Sicht herausragenden Fundstücke einer Grabung sind bisweilen unscheinbar und erst auf den zweiten Blick richtig einzuschätzen. Dies gilt auch für einige Bruchstücke aus gebranntem Lehm, die bei der Ausgrabung des Fundplatzes Sukow-Marienhof 8 im Landkreis Rostock zutage kamen. Der seit langem bekannte Siedlungsplatz wurde Ende 2011/Anfang 2012 durch Mitarbeiter des Landesamtes untersucht, weil Teile des Fundplatzes von der Verlegung der Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) betroffen waren. Fast 140 jungbronzezeitliche Befunde wurden dabei ermittelt. Überwiegend handelte es sich um Siedlungsgruben, die nicht selten große Mengen an Keramikmaterial erbrachten. Außerdem wurden relativ viele Feuerstellen ermittelt, die vornehmlich am östlichen und westlichen Rand des Untersuchungsareals lagen und dortige Arbeits- und Werkbereiche vermuten lassen.

Wofür diese Feuerstellen einst genutzt wurden, ist heute nicht mehr zu bestimmen, doch lassen die aus Befund 42 stammenden Funde vermuten, dass ein Teil von Bronzegießern genutzt wurde, denn die ovale, 3,3 x 2,25 m große Materialentnahmegrube erbrachte nicht nur weit mehr als 900 Keramikscherben, sondern auch Fragmente von Gusstiegeln und keramischen Gießformen.

Die fünf Tiegelbruchstücke haben eine rötliche Farbe und sind extrem stark gemagert, das heißt der Anteil von Sand und organischen Zusätzen ist deutlich höher als bei der normalen Gefäßkeramik, wodurch die Tiegel unempfindlich gegen eine schnelle Erwärmung werden (Abb. 1). Sie sind stark überfeuert, in zwei Fällen ist die Innenseite dunkel gefärbt. Bemerkenswert ist das erhaltene Randbruchstück, denn es zeigt, dass der Tiegel nachträglich überarbeitet und der ursprüngliche Rand durch Aufsetzen eines weiteren Wulstes erhöht wurde. Es handelt sich dabei um eine Ausbesserung des Tiegels, die eine mehrfache Nutzung des Stückes belegt. Die Gefäßform ist nicht mehr zu erkennen, doch dürfte es sich um eine flache, ovale Schale mit Ausguss und Standboden gehandelt haben.

Außerdem wurden neun Bruchstücke von mindestens einer keramischen Gießform geborgen, die außen rotbraun (Abb. 2), auf der Innenseite hingegen tiefschwarz gefärbt sind (Abb. 3). Sie bestehen überwiegend aus grobem, stark mit mineralischem und organischem Material gemagertem Lehm, die Innenseite ist von einer Schicht aus sehr feinem Lehm überzogen, der den Abdruck des Gussmodells sehr genau wiedergibt. Die geborgenen Fundstücke sind größtenteils stark vergangen, doch ein Fragment erlaubt den Schluss, dass mit dieser Gießform während der jüngeren Bronzezeit eine Armmanschette mit gewelltem Körper hergestellt wurde. Erkennbar sind drei zum Ende gerade auslaufende Rippen, eine endständige, 0,7 cm breite dreieckige Aussparung, ein scharf ausbiegender Rand sowie eine massive, 1,85 cm breite und 1,05 cm hohe, rundstabige Öse. Die Manschette hatte demnach mindestens drei Wellen und eine Mindestbreite von 5,6 cm. Das 4,9 x 6,1 cm große Fragment ist im Bereich der Öse gebrochen, was auch zu erwarten war, weil die Form dort nach dem Guss zerschlagen werden musste.

Bei dem Gussprodukt handelt es sich um eine "Manschette mit gewelltem Profil" vom Typ XVIII B nach E. Baudou. Typisch für diese Form des Armschmucks ist der gewellte Ringkörper, der an den Seiten mit zwei oder mehr großen Ösen, in die ehemals Klapperringe oder Klapperbleche eingehängt waren, ausgestattet ist. An den Enden befinden sich meist Querleisten sowie bis zu acht dreieckige Durchbrechungen, von denen angenommen wird, dass sie für das Zusammenbinden den Enden gedacht waren. Während die breiteren Vertreter, die E. Sprockhoff auch als "lange Armstulpen" bezeichnete, zwischen 5 und 11 cm breit waren, erreichen die schmalen Manschetten meist nur eine Breite von 2–4  cm, seltener auch bis zu 6  cm. Das Verbreitungsgebiet der gewellten Manschetten umfasst vornehmlich Dänemark und Norddeutschland, wobei relativ viele Fundstücke für Mecklenburg-Vorpommern belegt sind. Sie stammen in der Regel aus Horten und datieren nach Periode V.

Anhand der vorliegenden Fragmente ist nicht sicher zu entscheiden, ob die Gießform aus Sukow-Marienhof zur Herstellung einer schmalen oder einer breiten Manschette diente (Abb. 4). Zwar spricht die mit 1,6 beziehungsweise 1,3 cm relativ große Breite der Wellen für Vertreter des schmalen Typs, doch legen die gerade auslaufenden Rippen und die ermittelte Mindestbreite eine Deutung als Gießform für breite Manschetten nahe, wobei deren Fundorte durchweg weiter im Westen liegen.

Gießformen für Armmanschetten sind im jungbronzezeitlichen Fundmaterial weitgehend unbekannt. Lediglich aus Vig im Holbæk Amt auf der dänischen Insel Seeland ist ein weiteres Exemplar bekannt. Allerdings diente dieses zum Guss flacher Bänder, die dann später in Form gebogen werden mussten. Außerdem handelte es sich dabei um eine mehrteilige, mehrfach verwendete Form, während es sich bei dem Fundstück aus Sukow-Marienhof um eine "verlorene Form" handelt, die nur einmal genutzt werden konnte, weil sie nach dem Gießen zerschlagen werden musste, um an das Gussprodukt zu gelangen. Dies hat der in Sukow-Marienhof tätige Bronzegießer offensichtlich auch getan und die dann unbrauchbar gewordenen Arbeitsgerätschaften – zum Glück für die Archäologen – auch gleich vor Ort entsorgt.

Dr. Jens-Peter Schmidt


Literatur

E. Baudou, Die regionale und chronologische Einteilung der jüngeren Bronzezeit im Nordischen Kreis. – Studies in North-European Archaeology 1. Stockholm 1960.

D. Jantzen, Spezialisten der Bronzezeit – Bronzegießer in Mecklenburg-Vorpommern. In: Mythos und Magie. Bronzezeit in Mecklenburg-Vorpommern [Ausstellungskatalog Schwerin]. – Archäologie in Mecklenburg-Vorpommern 3, 79–85. Lübstorf 2004.

D. Jantzen, Quellen zur Metallverarbeitung im Nordischen Kreis der Bronzezeit. – Prähistorische Bronzefunde XIX, 2. Stuttgart 2008.

J.-P. Schmidt, Die jungbronzezeitliche Siedlung von Gützkow, Lkr. Ostvorpommern – ein Beitrag zu bronzezeitlichen Hausbefunden aus Vorpommern. – Bodendenkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern, Jahrbuch 54, 2006, 11–52 [hier: Fußnote 96].

E. Sprockhoff, Jungbronzezeitliche Hortfunde der Südzone des Nordischen Kreises (Periode V). – Kataloge des Römisch-Germanischen Zentralmuseums zu Mainz 16. Mainz 1956.

Fund des Monats Dezember 2012

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