Weit gereist – Eine Glasphalere aus dem Osten

Fund des Monats Februar 2013

Hülseburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim, Phalere aus weißem, opakem Glas, VorderseiteDetails anzeigen
Hülseburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim, Phalere aus weißem, opakem Glas, Vorderseite

Abb.1: Hülseburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim, Phalere aus weißem, opakem Glas, Vorderseite

Abb.1: Hülseburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim, Phalere aus weißem, opakem Glas, Vorderseite

Im Zuge der Ausgrabungen an der Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) wurde bei Hülseburg (Lkr. Ludwigslust-Parchim) eine älterkaiserzeitliche Siedlung untersucht. Mehr als 1.260 Befunde ermöglichten einen Einblick in das Siedlungsgeschehen im 1. Jahrhundert n. Chr. Insgesamt wurden mehr als 700 Pfosten- und 280 Siedlungsgruben dokumentiert, außerdem Renn- und Kalkbrennöfen. Mit über 11.000 Scherben von Vorratsgefäßen und zum Teil rollrädchenverzierter Feinkeramik förderte die Ausgrabung das umfangreichste Inventar der Gaspipeline zutage.

Besondere Beachtung verdient ein bislang nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern einzigartiger Fund aus einer Abfallgrube, die nicht nur zeittypische Keramik erbrachte, sondern durch Radiokarbondaten der Zeit um 50 n. Chr. zuzuweisen war. Es handelt sich um das 3,8 x 2,6 cm große Fragment einer figürlich verzierten Plakette aus weißem, opakem Glas. Das Stück, das ehemals einen Durchmesser von 5,4 cm hatte, zeigt auf der Vorderseite reliefartig einen Reiter auf einem aufgezäumten, gesattelten Pferd. Bewaffnet mit einer langen Lanze trägt er eine komplette Körperpanzerung (Abb. 1). Sie besteht aus einem Beinschutz aus schuppenartigen Elementen nach Art einer römischen lorica squamata und erinnert an die Schutzbewaffnung schwer gepanzerter, persischer und sarmatischer Kataphrakten-Reiter. Der Oberkörper ist über dem Untergewand mit einem Lamellenpanzer bekleidet. Das Pferd schreitet über einen halb liegenden Mann mit turbanartiger Kopfbedeckung oder Frisur hinweg. Dessen rechte Faust hält einen Stab mit einem blütenartigen Oberteil, teils verdeckt durch einen ovalen, mit einer Maske verzierten Schild. Auf der Rückseite des Abzeichens ist ein bronzener Doppelniet, der ehemals eine Befestigung des Stückes ermöglichte, in das noch heiße Glas gedrückt worden (Abb. 2).

Das Schmuckstück weist stilistisch in den äußersten Osten des Römischen Reiches, in einen parthisch-sassanidischen Kontext, der Stil könnte sogar auf Kontakte mit der indischen Gandharakultur hindeuten, die sich während des 1. bis 3. Jahrhunderts über Teile des heutigen Afghanistans und Pakistans erstreckte. Wie dieses außergewöhnliche Stück in die Germania Libera gelangte, ist ungeklärt. Möglicherweise erreichte es als Handels- oder Beutestück, als Teil einer Auszeichnung oder als Gast- oder Ehrengeschenk eines ehemals im Dienst der römischen Armee stehenden Germanen den Norden.

Bettina Petrick und Dr. Andreas Selent

Fund des Monats Februar 2013

Weit gereist – Eine Glasphalere aus dem Osten