"Wie ein Sechser im Lotto!" - Der älterbronzezeitliche Flintsichelhort von Fährdorf, Lkr. Nordwestmecklenburg

Fund des Monats Dezember 2013

Die Verlegung der Erdgasleitung zwischen Fährdorf und Niendorf war nur eine relativ kleine Baumaßnahme, doch sie erbrachte einen Hort aus vier hervorragend erhaltenen Flintsicheln.Details anzeigen
Die Verlegung der Erdgasleitung zwischen Fährdorf und Niendorf war nur eine relativ kleine Baumaßnahme, doch sie erbrachte einen Hort aus vier hervorragend erhaltenen Flintsicheln.

Die Verlegung der Erdgasleitung zwischen Fährdorf und Niendorf war nur eine relativ kleine Baumaßnahme, doch sie erbrachte einen Hort aus vier hervorragend erhaltenen Flintsicheln.

Die Verlegung der Erdgasleitung zwischen Fährdorf und Niendorf war nur eine relativ kleine Baumaßnahme, doch sie erbrachte einen Hort aus vier hervorragend erhaltenen Flintsicheln.

Horte gehören aufgrund der in ihnen niedergelegten wertvollen Gegenstände stets zu den herausragenden Fundkomplexen einer Epoche. Sie werden in der Regel zufällig entdeckt und von Laien geborgen. Dass sie während der regulären archäologischen Begleitung eines Bauvorhabens zutage kommen, ist hingegen sehr selten.

Einer dieser seltenen Fälle ist von der Insel Poel zu vermelden. Dort sollte die Verlegung einer Erdgasleitung zwischen den Ortschaften Fährdorf und Niendorf in Angriff genommen werden, mit deren archäologischer Begleitung Beate Heyn betraut war. Der Umfang der Erdeingriffe – und somit auch die Aussicht auf spektakuläre Ergebnisse – war vergleichsweise gering, denn die Breite der Trasse betrug nur 2 m (Abb. 1).

Als B. Heyn vor Ort eintraf, suchte sie zunächst erfolglos die Trassenstrecke nach Befunden ab. Als sie danach die Oberbodenhalde kontrollierte, hatte sie mehr Erfolg, denn sie erkannte das schräg auf einem Erdblock herausragende Endstück einer Flintsichel. Die weitere Prüfung ergab, dass es sich um den sichtbaren Teil einer vollständigen Flintsichel handelte, hinter der sich ein zweites Exemplar verbarg. Daraufhin wurde der Erdblock sorgfältig begutachtet, wobei im Abstand von 8–10 cm zu den ersten Stücken ein zweites Sichelpaar zum Vorschein kam (Abb. 2).

Der etwa 200 m vom Ortsrand des Dorfes Fährdorf entfernte Fundort erstreckt sich über einen leicht nach Südosten abfallenden Hang, der zumindest heute keine markanten topographischen Auffälligkeiten aufweist.

Die vier ausgebaggerten in Größe, Form und Machart gut vergleichbaren Flintsicheln waren aufeinanderliegend als etwa 4 cm starkes Paket deponiert worden. Eine gefundene Bodenscherbe gab keinen sicheren Hinweis auf ein Hortgefäß, eine Deponierungsgrube ließ sich nicht nachweisen. Demnach stammen die Funde aus dem unteren Teil der 0,4 m starken Oberbodenschicht.

Bei den Fundstücken handelt es sich um flächenretuschierte Flintsicheln mit leicht gewölbtem Rücken und fein retuschierten, geraden Schneiden. Sie sind zwischen 12,0 und 12,8 cm lang, ihre größte Breite beträgt zwischen 4,1 und 4,55 cm. Ihr Gewicht variiert zwischen 52 und 62 g. Drei Stücke weisen im Schneidenbereich sogenannten Sichelglanz auf, der auf eine Nutzung zum Schneiden von Getreide oder anderen Gräsern hinweist (Abb. 3–4). Eines der Stücke zeigt auf der Breitseite einen Hohlraum, der belegt, dass keineswegs nur makelloses Rohmaterial zur Verfügung stand, was wiederum Rückschlüsse auf das große Geschick des Flintschlägers erlaubt (Abb. 5).

Die in Fährdorf geborgenen Geräte zählen zu den Flintsicheln vom Typ B nach Rassmann, der im Arbeitsgebiet mit weit über 300 Belegen am häufigsten und zudem nahezu flächendeckend vorkommt. Lediglich für Rügen zeichnet sich eine überdurchschnittlich hohe Funddichte ab, während für den westlichsten Teil des Landes nur sporadische Nachweise bekannt sind. Flintsicheln dieses Typs sind erstmals für das ausgehende Spätneolithikum beziehungsweise die früheste Bronzezeit belegt, so dass mit einem Einsetzen der Sichelproduktion um etwa 2000 v. Chr. zu rechnen ist. Die jüngsten Belege gehören nach Periode II, die um etwa 1300 v. Chr. endet, womit auch der Rahmen für die Datierung des Hortes von Fährdorf grob umrissen ist.

Den bei weitem größten Teil der im Arbeitsgebiet geborgenen Sicheln stellen Einzelfunde. Meist lassen sie sich Siedlungs- oder Flintschlagplätzen zuweisen, des Öfteren stammen sie aber auch aus Mooren oder Gewässern und werden dann als bewusste Niederlegungen, also "Einzelfunde mit Hortcharakter", gedeutet. Nur selten sind Sicheln aus Mehrstückhorten überliefert. Derzeit gibt es 22 Fundkomplexe, in denen entweder mehrere Sicheln oder aber Sicheln zusammen mit Flintdolchen oder anderen Gerätschaften deponiert worden sind.

Die Fundorte verteilen sich relativ gleichmäßig über den nördlichen Teil des Arbeitsgebietes, während im Westen, aber auch für den Südteil des Landes sichere Mehrstückhorte fehlen (Abb. 6). Der Fund von Fährdorf markiert den derzeit westlichsten Nachweis. Er stellt aber auch hinsichtlich des Niederlegungsortes einen Sonderfall dar, denn er wurde auf mineralischem Untergrund deponiert, während das Gros der Mehrstückhorte aus Mooren geborgen oder bei Arbeiten in Feuchtgebieten aufgefunden wurde.

Der Fund von Fährdorf ist somit ein großer Glücksfall für die Forschung, denn er kann das bislang bekannte, sehr einseitige Quellenbild um einige wichtige Facetten erweitern. Auch die Finderin wird sich noch lange daran erinnern, denn die Entdeckung eines Hortfundes ist keineswegs alltäglich, ebenso wie ein Sechser im Lotto.

Beate Heyn / Dr. Jens-Peter Schmidt


Literatur

W. Lampe /U. Schoknecht, Ein bronzezeitlicher Sichelhortfund aus Renz auf Rügen. – Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 13, 2006, 5–6.

W. Mastaler, Ein Flintschlagplatz der älteren Bronzezeit bei Bellin, Kreis Güstrow. – Informationen des Bezirksfachausschusses für Ur- und Frühgeschichte Schwerin 30, 11–19.

K. Rassmann, Spätneolithikum und frühe Bronzezeit im Flachland zwischen Elbe und Oder. – Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns 28. Lübstorf 1993.

A. van Gijn, Flint in focus. Lithic Biographies in the Neolithic and Bronze Age. Leiden 2010.

Fund des Monats Dezember 2013

"Wie ein Sechser im Lotto!" – Der älterbronzezeitliche Flintsichelhort von Fährdorf, Lkr. Nordwestmecklenburg