Die Eysern Rohr kan ich eynfaßn / In Hültzen Schäfft / Mit eingelegtem Helffenbein - Büchsenschäfter in Stralsund

Fund des Monats Juni 2014

Stralsund. Renaissancezeitliche Beineinlagen als Hinterlassenschaften eines BüchsenschäftersDetails anzeigen
Stralsund. Renaissancezeitliche Beineinlagen als Hinterlassenschaften eines Büchsenschäfters

Abb. 1: Stralsund. Renaissancezeitliche Beineinlagen als Hinterlassenschaften eines Büchsenschäfters

Abb. 1: Stralsund. Renaissancezeitliche Beineinlagen als Hinterlassenschaften eines Büchsenschäfters

Während der archäologischen Untersuchungen auf dem südlich von Rathaus und St.-Nikolai-Kirche gelegenen Quartier 17 wurden im Jahr 2008 in einem Kemladenkeller verzierte Plättchen, Halbfabrikate, Rohmaterialien und Abfälle aus Geweih und Knochen entdeckt. Diese im späten 16. Jahrhundert mit Bauschutt und Haushaltsabfall entsorgten Einlagen waren für die Verzierung der Schäfte von Radschlossbüchsen und Radschlosspistolen bestimmt; sie stellen zum einen allgemein einen frühen Nachweis für das Handwerk eines Büchsenschäfters dar und sind zum anderen für Stralsund diesbezüglich die ältesten Quellen.

Mit der Entwicklung komplexer Handfeuerwaffen zu Beginn des 16. Jahrhunderts bildeten sich neue Handwerkszweige heraus. Während Büchsenmacher und Büchsenschmiede die metallenen Teile von Radschlossbüchsen und Radschlosspistolen herstellten, fertigten Büchsenschäfter die hölzernen Schäfte der Waffen und waren für deren Verzierung zuständig. Ab der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurden Waffenschäfte mit gravierten Einlagen aus Bein und Geweih geschmückt. Die verwendeten Motive waren sehr vielgestaltig und umfassten figürliche, florale und geometrische Elemente. Auch die in Stralsund gefundenen Einlagen zeigen diese Vielfalt (Abb. 1). Zu den figürlich verzierten Stücken mit renaissance­zeitlichem Gepräge zählen eine Kruzifixdarstellung vom Drei-Nagel-Typus, eine Jagddarstellung mit Fuchs sowie eine Einlage mit einem Mischwesen. Den Großteil der Funde bilden Einlagen mit floralem Dekor.

Aufgrund der Ausführung der gravierten Motive und der Datierung des Befundes lässt sich ein Fertigungszeitraum der Bein- und Geweiheinlagen von um 1540–1580 annehmen. Eine Verbindung von archäologischen und historischen Quellen für das Büchsenschäfter­handwerk in Stralsund ist nicht möglich. Die schriftliche Überlieferung für die Feuerwaffen produzierenden Handwerke beginnt dort im ersten Viertel des 17. Jahrhunderts und belegt eine bevorzugte Ansiedlung der Büchsenschäfter und Büchsenmacher in der Kleinschmiedstraße.

Luisa Radohs