Hacksilber aus Görke: ein Generationenprojekt

Fund des Monats März 2015

Ein Fragment einer Silbermünze im Moment der BergungDetails anzeigen
Ein Fragment einer Silbermünze im Moment der Bergung

Ein Fragment einer Silbermünze im Moment der Bergung

Ein Fragment einer Silbermünze im Moment der Bergung

Im Jahr 1926 pflügte ein Bauer aus Görke bei Anklam seinen sandigen Acker – damals noch mit Pferdestärken. Im abgeregneten Boden fielen ihm einer Stelle glänzende Gegenstände auf, die sich bei näherer Betrachtung als silberne Münzen mit fremden Schriftzeichen herausstellten. Am Ende des Tages waren es rund 70 Gramm Silber, die der Bauer aufgesammelt hatte. Der Fund gelangte vor dem 2. Weltkrieg ins Anklamer Museum, wo er als ein Konvolut islamischer Silbermünzen und einiger Bruchstücke solcher Münzen erkannt wurde. Einige Stücke sind später verloren gegangen, andere befinden sich heute im Archäologischen Archiv des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern.

Im "Corpus der Archäologischen Quellen", dem Sammelwerk der frühmittelalterlichen Fundstellen in der DDR von 1979, wurde der genaue Fundplatz der Silbermünzen von Görke als unbekannt beschrieben. Offenbar hatte niemand den Bauern nach dem genauen Fundplatz gefragt. In den 1980er Jahren war es dann das Verdienst des ehrenamtlichen Bodendenkmalpflegers Gerald Beyer aus Anklam, diese Wissenslücke zu schließen. Ihm gelang es, Kontakt zu dem noch lebenden Finder aufzunehmen, der ihm quasi auf dem Sterbebett den Fundort beschrieb. Somit war der Fundplatz in den Ortsakten zwar vermerkt, jedoch hielt man das Fundmaterial für ausgeschöpft.

Im Herbst 2013 besuchte Gerald Beyer eine laufende Bergungsmaßnahme des Landesamtes in der Gemarkung Görke, an der auch der ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger Sebastian John teilnahm. Mit ihm kam Gerald Beyer ins Gespräch über Fundplätze der Umgebung und wies ihn auf den ungefähren Fundort des Hacksilberschatzes hin. Mit diesen Informationen machte sich Sebastian John auf die Suche und entdeckte tatsächlich eine Streuung z. T. vollständig erhaltener, aber auch zerteilter Münzen. Zusammen mit Frank Metzen und Jens Ulrich wurden in einer ersten Sichtung 120 Teile per GPS punktgenau eingemessen und anschließend geborgen. Die Streuung ließ vermuten, dass hier tatsächlich nicht nur der ehemalige Fundplatz von 1926 wiederentdeckt worden war, sondern dass auch der Fund weitaus umfangreicher sein könnte, als man dies bisher erwartet hatte.

Im März 2014 fand deshalb eine systematische Bergungsaktion unter Teilnahme vieler ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger und eines NDR-Teams statt. Das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege hat mit derartigen Streufundkomplexen in den letzten Jahren viele Erfahrungen sammeln können (z. B. in Drewelow, Weltzin, Zaschendorf, Ganschendorf und Anklam). Der bewährten Bergungssystematik folgend, wurde der Boden schichtweise jeweils mit Detektoren abgesucht und anschließend mit einem Bagger abgetragen. So konnten in Görke mehr als 600 m2 Fläche innerhalb von fünf Stunden bis auf den anstehenden Sand untersucht werden. Dabei wurden mehr als 300 weitere Hacksilberstücke entdeckt und genau eingemessen. Zusammen mit den Funden von 2013 lässt sich die gesamte Fundstreuung nun in einem Plan darstellen.

Für zerpflügte Deponierungen ist eine mehr oder weniger spitzovale Streuung typisch, die je nach Lage und äußeren Einflüssen (Änderung der Pflugrichtung, Hanglage, Erosion) im Laufe der Zeit auch eine unregelmäßige Umrißform entstehen lässt.

Dr. Lutz Ilisch, international anerkannter Experte für islamisches Münzwesen, reiste extra aus Tübingen an, um an der Bergung des Fundes von Görke teilzunehmen. Er bestimmte einen großen Teil der Münzen und Fragmente gleich vor Ort. Nach seiner ersten Einschätzung scheint es möglich, dass der Schatz aus einem älteren, durch längeren Umlauf bereits stark zerkleinerten Anteil besteht (vielleicht im Peeneraum "erwirtschaftet"), dem ein jüngerer Anteil aus dem 1. Drittel des 10. Jh. hinzugefügt wurde. Westeuropäische Prägungen treten nur in sehr kleiner Anzahl auf, während vorislamische und vor allem islamische Prägungen dominieren. Als Herkunftsgebiete sind u. a. die Gebiete der Wolga-Bulgaren, das heutige Usbekistan, Afghanistan oder Persien erkennbar.

Der Fund von Görke enthält ausschließlich zerhackte und vollständige Silbermünzen, während der in anderen Hortfunden dieser Zeit ebenfalls auftretende Silberschmuck fehlt. Eine detaillierte Auswertung der nun mehr als 500 Teile ist jedoch noch nicht erfolgt. Sie wird wichtige Erkenntnisse zum Silberumlauf und zu Wirtschafts- und Personenkontakten weit über den Ostseeraum hinaus liefern. Auf jeden Fall ist der Fund nun, fast 90 Jahre nach seiner Erstentdeckung, vollständig geborgen.

Fund des Monats März 2015

Hacksilber aus Görke: ein Generationenprojekt