Das Antlitz des Festungserbauers
Fund des Monats Juli 2015
Abb. 1. Das Zeughaus auf der Festung Dömitz.
Foto: LAKD MV/LA
Abb. 1. Das Zeughaus auf der Festung Dömitz.
Foto: LAKD MV/LA
Für die Sanierungsarbeiten am Zeughaus (Abb. 1) der Festung Dömitz (Landkreis Ludwigslust-Parchim) mussten dessen Fundamente freigelegt werden. Wie nicht anders zu erwarten, lieferten die Aufschlüsse wichtige baugeschichtliche Erkenntnisse. Es kam aber auch gänzlich Unerwartetes zu Tage.
Schnell zeigte sich, dass unter dem zweistöckigen Zeughaus aus dem 18. Jahrhundert die Fundamente eines älteren Vorgängerbaus erhalten waren. Dessen noch bis zu zwölf Lagen hohe Fundamentmauer weicht um etwa acht Grad von der Flucht des jetzigen Gebäudes ab (Abb. 2). Aufschluss über das Alter des Vorgängerbaues geben die Ziegelmaße, die jenen der ältesten Bauphasen der Festung entsprechen. Daher kann eine Entstehung des Vorgängerbaues in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts angenommen werden.
Das Fundament des jüngeren Gebäudes wurde direkt auf das ältere aufgesetzt. Wo dies aufgrund der erwähnten Abweichung nicht möglich war, wurde eine Tragschicht aus Ziegelbruch und Lehm eingebracht. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildete allerdings die Nordecke des Gebäudes, wo sieben große Spolien in Form von reliefverzierten Sandsteinblöcken verbaut worden waren (Abb. 3). Eine der Sandsteinspolien war direkt in das Ziegelmauerwerk des jüngeren Fundamentes eingefügt, während die übrigen zwischen diesem Mauerwerk und dem Fundament des Vorgängerbaus lagen, so dass sie nicht auf Anhieb sichtbar waren.
Nur eine Spolie ist als Kapitell freiplastisch gearbeitet (Abb. 4), die übrigen sechs Stücke weisen eine einheitliche Dicke von 36 cm auf. Sie zeigen überwiegend weibliche Personen in antikisierenden Gewändern, die Personifikationen oder Allegorien in klassisch-antiker Tradition darstellen (Abb. 5). Lediglich ein Block zeigt eine männliche Figur, deren individuelle Gestaltung im Zusammenhang mit der Kopfbedeckung portraithaft anmutet (Abb. 6). Ein Vergleich mit zeitgenössischen Abbildungen legt die Vermutung nahe, dass diese Darstellung Herzog Johann Albrecht I. zeigt, der den Bau der Festung Dömitz in Auftrag gab.
Wozu gehören nun diese Fragmente? Bereits die einheitliche Dicke ließ einen Zusammenhang vermuten. Den entscheidenden Hinweis lieferte jedoch die teils konkave Kontur mancher Blöcke, die die Zuordnung zu einem bogenförmigen Portal mit einer lichten Weite von 3,5 m erlaubt. Als ursprünglicher Standort kommt damit aller Wahrscheinlichkeit nach das äußere Portal im Durchgang durch die Bastion "Cavalier", dem Zugang zur Festung, in Frage.
Demnach liegen erstmals Nachweise dafür vor, dass das heutige Sandsteinportal am Festungszugang, das wohl am Beginn des 17. Jahrhunderts im Zuge umfangreicher Umgestaltungsmaßnahmen durch den Baumeister Gheert Evert Piloot im Stil der niederländischen Spätrenaissance errichtet wurde, einen repräsentativen Vorgänger hatte. Dieser nur wenige Jahrzehnte ältere Vorgänger lässt sich aufgrund der antikisierenden Darstellungen zwanglos mit dem aus der Umgebung von Brescia stammenden Festungsbaumeister Francesco a Borno in Verbindung bringen, auf dessen Veranlassung italienische Steinmetze am Bau der Festung beteiligt waren.
Rolf Schulze
Fund des Monats Juli 2015
Das Antlitz des Festungserbauers
Abb. 1. Das Zeughaus auf der Festung Dömitz.
LAKD MV/LA
Abb. 2. Bei der Sanierung zeigten sich Reste eines älteren Fundaments.
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Abb. 3. Zur Gründung wurden teilweise reliefierte Spolien verbaut.
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Abb. 4. Dazu zählt beispielsweise ein freiplastisches Kapitell.
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Abb. 5. Sechs Blöcke zeigen Frauen in antikisierenden Gewändern.
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Abb. 6. Ein Portrait Herzog Johann Albrecht I.?
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Abb. 7. Rekonstruktionsvorschlag des Portals, Quelle: LAKD MV/LA