Die Landschaft unter der Landschaft

Fund des Monats Januar 2016

Nur im großflächigen Laserscan wird das Netz der Celtic Fields im Pastitzer Forst auf Rügen sichtbar.Details anzeigen
Nur im großflächigen Laserscan wird das Netz der Celtic Fields im Pastitzer Forst auf Rügen sichtbar.

Abb. 1: Nur im großflächigen Laserscan wird das Netz der Celtic Fields im Pastitzer Forst auf Rügen sichtbar.

Abb. 1: Nur im großflächigen Laserscan wird das Netz der Celtic Fields im Pastitzer Forst auf Rügen sichtbar.

Mecklenburg-Vorpommern ist reich an archäologischen Denkmälern. Viele sind oberirdisch deutlich erkennbar: Megalithgräber der Jungsteinzeit, bronzezeitliche und eisenzeitliche Grabhügel, slawische Burganlagen oder mittelalterliche und frühneuzeitliche Befestigungen zeugen von einer Jahrtausende alten Kulturlandschaft. Andere archäologische Denkmäler zeichnen sich dagegen oberirdisch nur sehr schwach oder gar nicht ab.

Mit der neuen Technik des Airborne Laserscanning (ALS; auch LiDAR - "Light detection and ranging"), einer digitalen, auf Lasertechnologie fußenden Vermessungstechnik, gelingt es inzwischen, auch unscheinbare Denkmäler und solche unter Waldbedeckung besser zu identifizieren. Im günstigsten Falle können Strukturen der Geländeoberfläche von nur wenigen Dezimetern Höhenunterschied sichtbar gemacht werden. Die flächige Anwendung dieses Systems macht es möglich, nicht nur einzelne Objekte, sondern auch ihren Zusammenhang mit anderen anthropogenen Strukturen sowie der Naturlandschaft zu betrachten. Die moderne Lasertechnologie eröffnet also die Möglichkeit, die Dimensionen einer mehrere Jahrtausende alten Kulturlandschaft zerstörungsfrei und ohne Ausgrabung offenzulegen.

Durch die Anwendung der Lasertechnologie gelang in Mecklenburg-Vorpommern auch erstmals der Nachweis einer archäologischen Befundgruppe, für die es bisher in Nordostdeutschland keinen Nachweis gab. Vor allem in Waldgebieten lassen sich anhand der Laserscan-Daten wallartige Strukturen zwischen nur 20 und max. 40 cm Höhe und einigen Metern Breite identifizieren. Sie sind meist rechteckig zueinander angelegt und ergeben in ihrer Verbindung zueinander unregelmäßige, schachbrettartige Muster. Die Ausdehnung solcher durch Menschenhand geschaffenen Wallsysteme beträgt nicht selten mehrere Hektar.

Das hier vorgestellte Beispiel eines solchen großflächigen Wallsystems stammt aus dem Pastizer Forst auf der Insel Rügen (Abb. 1). Will man die Ackersysteme mit dem bloßen Auge im Wald wiedererkennen, wird man enttäuscht sein, denn das Auge kann die flachen Strukturen nur sehr schwer wahrnehmen und von der umgebenden Landschaft unterscheiden. Sichtbar sind allenfalls (Lese-)Steinhaufen und Schälchensteine (Fruchtbarkeitskult?), die durchaus einen Bezug zu den Ackersystemen haben können. Im freien Gelände sind die Ackersysteme durch die intensive Bewirtschaftung wohl schon seit Jahrhunderten eingeebnet und nicht mehr erhalten.

Bekannt sind diese Strukturen seit längerem auf den Britischen Inseln, wo sie zuerst als "Celtic Fields" beschrieben wurden. Man nahm seinerzeit an, die Kelten wären die Urheber dieser Feldeinfassungen, und benannte sie deshalb nach ihnen. Später entdeckte man derartige Feldstrukturen vor allem in den Niederlanden, Nordwestdeutschland und Dänemark (meist Jütland). In jüngster Zeit sind sie auch in Schleswig-Holstein identifiziert worden.

Datiert werden diese Feldsysteme in die Zeit der ausgehenden Bronzezeit bzw. frühen Eisenzeit (ab 900 v. Chr.) bis in die jüngere Kaiserzeit der Jahrhunderte nach Christi Geburt. Vor allem in Heidegebieten und Grasland sowie unter Waldbedeckung können sie oberirdisch erhalten sein und mit einiger Übung erkannt werden, aber auch im überpflügten Zustand zeichneten sie sich manchmal in Luftbildern ab.

Die Breite der Wälle und Ausdehnung der umwallten Flächen kann sehr unterschiedlich sein; die Innenflächen sind in der Regel zwischen 1000 und 2000 m2 groß. Archäologische und botanische Untersuchungen haben nachgewiesen, dass es durchaus Unterschiede in der Bewirtschaftung gab. Einige dieser Feldsysteme dienten dem Schutz der Ackerflächen vor Flugsand, bei anderen konnte nachgewiesen werden, dass die Wälle selbst beackert bzw. landwirtschaftlich genutzt worden sind. Auch eine kombinierte Nutzung der Wälle (Nutzpflanzen und Brauch-/Brennholz) und der tieferliegenden, eingefassten Flächen (Getreideanbau) ist anzunehmen. Möglicherweise spielten das Bodensubstrat und der Wasserhaushalt eine wichtige Rolle bei der Art der Nutzung. Bewirtschaftet hat man die Felder mit der Handhacke und dem Ritzpflug.

Mit der Verwendung des Streichbrettpfluges, der in Nordostdeutschland mit den eingewanderten deutschen Kolonisten erstmals im späten 12./frühen 13. Jhd. auftritt, ist eine Flurform verbunden, die man ebenfalls im Laserscan-Bild sehr anschaulich wiederfindet. Die sogenannten Wölbäcker sind z. T. mehr als 100 m lange, parallel zueinander liegende gewölbte Strukturen von max. 0,5 m Höhe und ca. 10-15 m Breite. In einem Waldgebiet bei Grammentin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, sind beispielsweise große Flächen mit Wölbackerfluren unterschiedlicher Orientierung bedeckt (Abb. 2). Mit dem Streichbrett- oder auch Beetpflug genannten Gerät konnte der mittelalterliche Bauer die Humusmächtigkeit des Wölbackers immer wieder verstärken und erneuern (Abb. 3). Wölbäcker sind zwar schon als Bodendenkmale bekannt, aber ihre Zahl steigt durch die neuartigen Luftbildaufnahmen nochmals deutlich an.

Vorgeschichtliche und mittelalterliche Ackersysteme erfordern besondere Schutzmaßnahmen. Denn sie sind bedeutend für die Geschichte des Menschen und ganz besonders für die Entwicklung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Gleichzeitig sind sie unersetzliche und anschauliche Quellen zur Erforschung wirtschaftlicher und ökologischer Zusammenhänge, denen die moderne Archäologie durch Bodenkunde, Botanik und Palaeoökologie auf den Grund geht. Im Zusammenwirken verschiedener Fachrichtungen wird eine Rekonstruktion der Lebenswelten vergangener Zeiten möglich.

C. Michael Schirren


Literatur

V. Arnold, Laserscandaten als Prospektionshilfe zur punktuellen Untersuchung von urgeschichtlichen Ackersystemen insbesondere des Jungmoränengebietes in Schleswig-Holstein. In: A. Stobbe u. V. Tegtmeier (Hrsg.), Verzweigungen. Eine Würdigung für A. Kalisch und J. Meurers-Balke. Frankfurter Archäologische Schriften 18 (Bonn 2012), 33-47. (siehe auch: Laserscandaten als Prospektionshilfe zur punktuellen Untersuchung von urgeschichtlichen Ackersystemen insbesondere des Jungmoränengebietes in Schleswig-Holstein

Ein Projekt von V. Arnold zur Datierung und Visualisierung vorgeschichtlicher Ackerfluren in Schleswig-Holstein findet sich unter folgendem Link: www.sciencestarter.de/datierungen-feldfluren

H. Erlenkeuser, Landschaft neu entdecken, Air-borne-Laserscandaten in der archäologischen Denkmalpflege. Archäologische Nachrichten aus Schleswig-Holstein 15, 2009, 17-19.

M. Müller-Wille, Eisenzeitliche Fluren in den festländischen Nordseegebieten. Siedlung und Landschaft in Westfalen 5 (Münster 1965).

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