Brandgefährlich: Töpfer vor dem Semlowertor in Stralsund

Fund des Monats November 2016

Abb. 1. Hansestadt Stralsund, Strandbereich zwischen Semlower- und Fährtor in der Stadtansicht des Johann Staude von 1647, Untersuchungsgebiet rot markiert.Details anzeigen
Abb. 1. Hansestadt Stralsund, Strandbereich zwischen Semlower- und Fährtor in der Stadtansicht des Johann Staude von 1647, Untersuchungsgebiet rot markiert.

Abb. 1. Hansestadt Stralsund, Strandbereich zwischen Semlower- und Fährtor in der Stadtansicht des Johann Staude von 1647, Untersuchungsgebiet rot markiert.

Abb. 1. Hansestadt Stralsund, Strandbereich zwischen Semlower- und Fährtor in der Stadtansicht des Johann Staude von 1647, Untersuchungsgebiet rot markiert.

Auf den außerhalb der Stralsunder Stadtmauer zwischen Semlower- und Fährtor "Am Strande" gelegenen Grundstücken waren seit dem 16. bis in das 18. Jahrhundert Töpfer mit ihrem feuergefährlichen Handwerk ansässig. Der Staude-Plan von 1647 zeigt in diesem Bereich sechs zur Wasserstraße orientierte Grundstücke, nach Osten schließt sich der Stadtbau- und Zimmerhof, flankiert von Fähr- und Semlower Brücke an (Abb. 1). Vom historischen Bestand des Quartiers ist heute nur noch das einzeln stehende, in der Mitte des 18. Jahrhunderts erbaute fünfachsige Traufenhaus Wasserstraße 80 erhalten. Die übrige Bebauung, mit dem Hauptzollamt und dem Eichamt an der Fährstraße, wurde beim Bombenangriff im Oktober 1944 weitgehend zerstört.

Im Zusammenhang mit den Fundamentierungsarbeiten für den Neubau einer Wohn- und Geschäftsanlage erfolgten im Juli/August 2016 bauparallele archäologische Untersuchungen auf den ehemaligen Grundstücken Wasserstraße 81-82 sowie den östlich angrenzenden Flächen des ehemaligen Stadtbau- und Zimmerhofes am Fischmarkt. Die vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, namentlich vom Verfasser und Peter Kaute, durchgeführten Arbeiten wurden durch David Kottke, Brandshagen, ehrenamtlich unterstützt.

Drei lokal begrenzte Schichtbefunde auf dem Grundstück Wasserstraße 81 (Befund 2, 4, 6) enthielten Anreicherungen von Töpferabfall der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es handelt sich überwiegend um Ofenkacheln mit rot- und gelbfarbigem Scherben, zumeist unter schwarzer Glasur, aber auch um Fayencekacheln und Gefäßkeramik. Vier Bruchstücke von zeitgenössischen Kachelmodeln sind auch durch Fehlbrände belegt.

Neben Produktionsabfall des letzten auf dem Grundstück ansässigen, um 1766 gestorbenen Töpfers Johann Kilian Schwabe fanden sich auch ältere Kacheln aus abgebauten Öfen, insbesondere blau-weiß glasierte mit Kornblumenmuster des späten 17. Jahrhunderts, die die Töpfer zu Reparaturzwecken in ihrer Werkstatt aufbewahrten.

Pfeifenmodel

Außer dem keramischen Material wurde unter den Hinterlassenschaften des Töpfers auch die Halbschale eines Pfeifenmodels aus Blei (8,2 x 6,2 x 2,4 cm) zur Herstellung von Gesteckpfeifenköpfen gefunden (Abb. 2). Zwei Zapfen auf der Schnittfläche des Models sollten ein gegenseitiges Verrutschen der Halbschalen bei der Abformung verhindern. Durch die im Model ausgesparte Mündung und die Einführung für das Pfeifenrohr konnte der Rauchkanal mit dem gewünschten Durchmesser eingestochen werden. Gesteckpfeifenköpfe sind in Mittel- und Nordosteuropa zumeist aus Geschiebelehm und nicht aus weißem Pfeifenton gebrannt worden, häufig sind sie glasiert. Das Bleimodel ist bereits der zweite Fund einer Form für die Herstellung von Gesteckpfeifen in Stralsund (Ansorge 2007). Auch wenn bisher noch keine Fehlbrände von solchen Pfeifen in Stralsund gefunden wurden, sind die Model starke Indizien für eine Produktion in der Stadt.

Kachelmodel des Töpfers Tewes Krevet

Bemerkenswertester Fund ist das Bruchstück eines Models für eine überformatige Ofenkachel mit einer Breite von 28 cm (Abb. 3). Dargestellt ist die Allegorie des Gehörs (Auditus) mit der Inschrift AV / DIT9 (die 9 als Abkürzungszeichen steht im Lateinischen für us). Zentralbild ist eine künstlerisch hochwertig ausgearbeitete, Laute spielende Dame mit hochgestelltem Spitzenkragen. Der mit Akanthusblättern belegte Architekturbogen hat als Schlussstein ein Puttengesicht. In die Eckzwickel eingeschaltet ist je ein Puttengesicht. Auf der rechten Architektursäule erscheint die Allegorie des Glaubens (Fides), erkennbar an der weiblichen Gestalt mit dem Kreuz. Auf der linken Säule ist vermutlich eine weitere Tugend dargestellt.

Verlaufene Glasuren verdecken das Gesicht der Dame und verschleiern teilweise die Darstellung im Eckzwickel sowie die Inschrift. Anscheinend verblieb das Model über Jahrhunderte im Besitz der Töpfer in der Wasserstraße 81 und wurde wahrscheinlich in den letzten Jahren des Betriebs als Brenn- oder Stapelhilfe während des Brandes verwendet, was den Glasurfluss erklären könnte. Das Motiv aus einer Serie mit den Innenfeldern ODORATVS (Das Gehör), VISVS (Das Gesicht) und TACTVS (Das Gefühl) ist in zwei abweichenden Rahmenausführungen aus einem Töpferabfallkomplex in der Langenstraße 22-24 in Stralsund (Konze et al. 2007) bekannt. Diese Kacheln haben Breiten von 18,5 cm und 22 cm in der breiteren Variante.

Eine schwarz glasierte Odoratus-Kachel mit den Hermenpilastern des breiteren Typs liegt auch aus dem Kloster Ribnitz vor (Ansorge, unveröff.), ein Innenfeld stammt aus Pasewalk (Rahde 2013). Der einzige Fund mit dem Rahmen des Kachelmodels liegt aus der Langenstraße 30 in Stralsund in Form einer grün glasierten Kachel mit der Darstellung des Geruchs vor (freundliche Mitt. Dr. H. Schäfer, LAKD M-V).

In die Rückseite des Models ist vor dem Brand der Name des besitzenden Töpfers Krevet und dessen Hausmarke eingeritzt worden (Abb. 3). Erste Hinweise zur Lesung der Inschrift sind Dr. Heiko Schäfer zu verdanken, der den Namen in einer Quellenzusammenstellung zum Stralsunder Töpferhandwerk von Gunnar Möller, Stralsund, entdeckte. Tewes Krevet wurde 1602 Stralsunder Bürger und betrieb sein Handwerk vor dem Semlowertor. Auch wenn das südlich gelegene Nachbargrundstück Wasserstraße 80 ebenfalls als Töpferei ausgewiesen ist, können wir wohl anhand des Modelfundes annehmen, dass Tewes Krevet in der Wasserstraße 81 wohnte.

Es ist ein großer Glücksumstand, dass das Stralsunder Stadtarchiv das Testament des Pötters Tewes Krevet bewahrt, das am 23. Februar 1617 vom Notar Johannes Divagius "zwischen zwölf und ein Uhr mittags im Wohnhaus vor dem Semlowertor am Strande" aufgesetzt wurde. Für die Lesung und Konspektierung des Testaments sei Dr. Andreas Neumerkel, Stadtarchiv Stralsund, gedankt. Das Testament ist von beiden Eheleuten besiegelt und von Tewes Krevet eigenhändig unterschrieben. Der Notar zeichnete für die des Schreibens unkundige Ehefrau Anna Pribber. Das Siegel des Tewes Krevet zeigt in einem ovalen Siegelfeld unter den Initialen TK seine Hausmarke auf Basis des Großbuchstaben A mit weit überstehendem Oberbalken, die mit der auf der Rückseite der Kachelmodel eingeritzten übereinstimmt und letztendlich die Zuweisung der Model beweist (Abb. 4-5).

Das am 17. August 1629 während der Pestepidemie geöffnete Testament der offensichtlich kinderlos gebliebenen Eheleute gibt uns leider keine berufsspezifischen Informationen über den Verbleib des Inventars, das der Witwe zufiel. Darüber hinaus gingen 50 Mark sundisch an die Nikolaikirche, wofür beim Todesfall die Glocken ohne Entgelt läuten sollten, 2 Mark sundisch für Stege und Wege, 2 Mark sundisch für die Stadtbaute und 6 Mark sundisch für die Prediger der Nikolaikirche. Obwohl Tewes Krevet vom Erbgut seiner Eltern nichts erhalten hatte und er 7 ½ Mark für die Heilung der Hand seines Bruders verausgabt hatte, gibt er 100 Mark sundisch an seinen Bruder Joachim und die Schwestern Catharina und Elisabeth, die es brüderlich, schwesterlich und christlich teilen sollen. Die schon einmal verheiratete Anna Pribber gibt ihrer Nichte, der gleichnamigen Tochter ihres Halbbruders, deren Taufpatin sie war, einen silbernen Gürtel ungefähr von sechs loden, mit dem ewigen Beutel, woran 10 silberne Knöpfe hängen dann noch drei "lott" silberne Mallien (zarter Ring gedreht) für ein "schnorbrust" (Schnürbrust).

Dr. Jörg Ansorge


Literatur:

Ansorge, J. (2007): Langenstraße 17 – ein Stralsunder Töpfergrundstück. – Archäologische Berichte aus Mecklenburg Vorpommern 13, 198-212.

Konze, M, Schäfer, C. & Schäfer, H. (2007): Töpfereiabfall und Brandschutt des 17. Jahrhunderts von der Ausgrabung Langenstraße 22 bis 24 und Frankenstraße 30 in der Hansestadt Stralsund. – Archäologische Berichte aus Mecklenburg-Vorpommern 14, 113-149.

Rahde, S. (2013): Kurze Fundberichte Pasewalk. Fpl. 252, Mittelalter/Neuzeit. – Pasewalker Nachrichten 2/2013, 16-18.

Fund des Monats November 2016

Brandgefährlich: Töpfer vor dem Semlowertor in Stralsund