Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin beim Eishockey

Archivalie des Monats Dezember 2022

Abb.: Das großherzogliche Paar beim Eishockeyspielen auf dem zugefrorenen Schweriner See (LHAS, 13.2-1/1, Schwerin / Schloß / Seeseite, Nr. 175)Details anzeigen
Abb.: Das großherzogliche Paar beim Eishockeyspielen auf dem zugefrorenen Schweriner See (LHAS, 13.2-1/1, Schwerin / Schloß / Seeseite, Nr. 175)

Abb.: Das großherzogliche Paar beim Eishockeyspielen auf dem zugefrorenen Schweriner See (LHAS, 13.2-1/1, Schwerin / Schloß / Seeseite, Nr. 175)

Abb.: Das großherzogliche Paar beim Eishockeyspielen auf dem zugefrorenen Schweriner See (LHAS, 13.2-1/1, Schwerin / Schloß / Seeseite, Nr. 175)

Bevor die globale Erwärmung auch in Mecklenburg die kalte Jahreszeit in einen regenreichen Dauer-Herbst verwandelte, war der große Schweriner See im Winter oft zugefroren. Im Februar 1907 zum Beispiel war die Eisdecke so dick, dass an Sonntagen Tausende von Menschen nach Kaninchenwerder pilgerten und der dortige Gastwirt den Ansturm kaum bewältigen konnte. In der Schlossbucht hatten Arbeiter den Schnee zur Seite geschoben, um eine große freie Fläche zum Schlittschuhlaufen zu schaffen. Angesichts des allgegenwärtigen fröhlichen Treibens hielt es nun auch das ansonsten eher zurückhaltende Großherzogspaar nicht länger im Schloss. Beide waren jung – erst 24 Jahre alt – und ausgesprochen sportbegeistert. Der Großherzog liebte Reiten, Rudern und Segeln, seine Frau spielte Tennis und Golf. Mit seinen Adjutanten und ihren Hofdamen spielten die beiden nun eine Partie Eishockey auf dem Schweriner See. Während Feldhockey in Schwerin, wo schon wenig später 1912 sogar ein eigener Hockey-Club gegründet wurde, durchaus bekannt war, so war es hier bis dahin doch nicht üblich gewesen, dieses Spiel auf dem Eis zu spielen. Der ursprünglich aus Kanada stammende Sport war damals in Europa noch ganz neu. Nur wenige Jahre zuvor hatte am 4. Februar 1897 das erste offizielle Eishockey-Spiel in Deutschland auf dem Halensee bei Berlin stattgefunden. War schon das Spiel selbst für das Publikum interessant, so galt dies umso mehr für die Spieler, denn es kam nur ganz selten vor, dass der Großherzog und seine Frau sich so außerhalb des Protokolls in der Öffentlichkeit zeigten. Hunderte von Menschen standen – in respektvollem Abstand – am Ufer der Marstallhalbinsel und sahen sich das Spiel an. Nachdem die Bewohner der Residenz jahrzehntelang nur alte, kranke oder abwesende Großherzöge gekannt hatten, bot dieser so dynamisch über das Eis fegenden junge Fürst doch einen ganz anderen Anblick.

Auch der Schweriner Fotograf Carl Eggers hatte die Kälte nicht gescheut, um diese unerhörte Begebenheit für die Nachwelt festzuhalten. Er sollte ein gutes Geschäft machen und verkaufte die Fotos an die Mecklenburgische Zeitung, die diese Bilder "vom Eisspiel der großherzoglichen Herrschaften in der Nähe des Schlosses, die manche der Leser aus eigener Anschauung im Gedächtnis haben werden," in ihrer Sonntagsbeilage abdruckte. Von den Aufnahmen wurden zahlreiche Abzüge gemacht und verkauft. "Die Bilder der fürstlichen Spiele auf dem Eise" fanden in den folgenden Jahren bei den Schwerinern reißenden Absatz. Hoflieferant C.H.B Müller, Specialgeschäft für Ansichten und Postkarten, produzierte sogar etwas winterlich verkitschte Drucke diese Szene. Eine der damals gemachten Photographien fand seinen Weg schließlich auch in die Fotosammlung des Landeshauptarchivs und soll hier vorgestellt werden. Zu sehen sind neun Spieler, sieben Männer und zwei Frauen. Bei dem Herrn in der Mitte mit der Hand auf dem Torpfosten handelt es sich um den Großherzog Friedrich Franz IV., die Dame im schwarzen Kleid rechts von ihm ist vermutlich seine Frau Großherzogin Alexandra. Als Tore dienten zwei in das Eis geschlagene Holzpfähle. Alle Beteiligten tragen Schlittschuhe, Stiefel, Handschuhe, Mützen und normale Zivilkleidung unter Verzicht auf jegliche Schutzausrüstung. Während die Berliner Eishockey-Mannschaften zu dieser Zeit bereits professionelle Schläger mit eckiger Kelle verwendeten, wie sie bis heute üblich sind, begnügten sich der Großherzog und seine Mitspieler mit Feldhockey-Schlägern. Dass auf diesem Bild keine Zuschauer zu sehen sind, liegt daran, dass der Burggarten des Schlosses den Hintergrund bildet, der als privater Garten des Großherzogs damals nicht öffentlich zugänglich war.

Es hätte der Popularität des letzten Großherzogs sicherlich gutgetan, wenn er sich häufiger so ungezwungen in der Öffentlichkeit gezeigt hätte. Seine Tante Elisabeth, die vormalige Großherzogin von Oldenburg, jedenfalls warf ihm nach der Novemberrevolution 1918 seine mangelnde Volksnähe vor: "Man wußte dich im Schloß, sah dich ausfahren. Meist im Auto, so schnell, dass keiner in Verbindung mit Euch treten konnte. Man wollte Dich [...] durch die Stadt gehen sehen". Dabei wäre gerade der Winter eine gute Zeit für solche Begegnungen gewesen. Sein Urgroßvater Großherzog Paul Friedrich jedenfalls war achtzig Jahre zuvor noch mit Begeisterung auf einer eigens von Hofbaurat Demmler auf dem Alten Garten errichteten Rutschbahn mit den Schweriner Bürgersfrauen Schlitten gefahren. Aber Friedrich Franz IV. ging im Winter lieber auf die Jagd. – Vielleicht hätte er doch mehr Eishockey spielen sollen.

Bernd Kasten, Schwerin

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