Als die Kirche Recht sprach - Die Stiftung des herzoglichen Konsistoriums in Rostock am 8. Februar 1571

Archivalie des Monats Dezember 2019

LHAS, 1.5-1 Kirchenurkunden, Generalia, Nr. 40: Urkunde über die Stiftung des herzoglichen Konsistoriums in RostockDetails anzeigen
LHAS, 1.5-1 Kirchenurkunden, Generalia, Nr. 40: Urkunde über die Stiftung des herzoglichen Konsistoriums in Rostock

LHAS, 1.5-1 Kirchenurkunden, Generalia, Nr. 40

LHAS, 1.5-1 Kirchenurkunden, Generalia, Nr. 40

Johann Christian Kessler, Superintendent von Güstrow und zugleich Rat im herzoglichen Konsistorium, kommentierte 1780 einigermaßen frustriert: "Der Zustand unseres Collegii ist kläglich. Man möchte gewiß die Hände ganz sinken laßen." 200 Jahre zuvor war das Kirchengericht in Rostock noch mit vielen Kompetenzen ausgestattet an den Start gegangen. Vom 8. Februar 1571 datiert die Urkunde zur Stiftung des Konsistoriums, besiegelt durch die Herzöge Johann Albrecht I. und Ulrich III. zu Mecklenburg. Fast 20 Jahre hatte es gedauert von der Absichtserklärung in der mecklenburgischen Kirchenordnung von 1552 bis zur Umsetzung. Die Rechtsprechung sollte ein Kollegium von sechs Konsistorialräten ausüben, verteilt auf drei Theologen und drei Juristen. Kläger und Beklagte, vom Rittergutsbesitzer bis zur Dienstmagd, hatten sich an festgelegten Gerichtstagen persönlich in Rostock zur Verhandlung vor dem Kollegium einzufinden. Die Bestrafung beschränkte sich zunächst auf Kirchenstrafen, von der Sünderbank und der Abweisung von Beichte und Abendmahl bis hin zur Exkommunikation. Im 18. Jahrhundert erweiterte sich der Katalog auf weltliche Strafen, wie Geldbußen und Leib- und Ehrstrafen, darunter Züchtigung, Pranger oder Gefängnis bei Wasser und Brot.

Die Prozess- und Verwaltungsakten des herzoglichen Konsistoriums sind wie die Stiftungsurkunde im Landeshauptarchiv in Schwerin erhalten. Die Liste der von der Kirche verhandelten Vergehen war lang: Gotteslästerung, Aberglaube und Zauberei, öffentlicher Papismus, Sekten und Wiedertäufer, die mehrjährige Abwesenheit von Gottesdienst, Beichte und Abendmahl, die Entheiligung von Sonn- und Festtagen, Ungehorsam und Tätlichkeiten von Kindern gegen Eltern, Unversöhnlichkeit und Zänkereien, Trunk und Wucher, Unfug auf den Kirchhöfen und Störung des öffentlichen Gottesdienstes, auch Unzucht und Ehebruch. In den Akten zur Entheiligung von Sonn- und Festtagen lässt sich beispielsweise das ganze Spektrum mecklenburgischer Festtags- und Erntebräuche aus dem 17. und 18. Jahrhundert beobachten, darunter zahlreiche Bierbräuche, wie Kindelbiere, Wettelbiere, Pfingstbiere und Fastelabendbiere, aber auch das Ernteschreien oder das Kranzreiten.

Bei seiner Gründung war das Konsistorium nicht nur als Kirchengericht, sondern auch als besonderes geistliches Forum für Kirchen und Kirchendiener konzipiert worden. Deutlich wird dabei vor allem die schwierige Einkommenssituation vieler Pastoren und Küster der kleineren Pfarren, der ständige Kampf um vor Jahrhunderten verschriebene Einnahmen aus Geld und Naturalien, um Kirchen- und Pfarräcker, um Holz- und Weidegerechtigkeiten, um Priestergebühren, um die Instandsetzung der Pfarrgebäude und Kirchen, vor allem nach den häufigen Bränden. Noch schlechter ging es oft den Witwen und Waisen der verstorbenen Pastoren. Diese mussten sich mit den Nachfolgern die Einkünfte der Pfarre und manchmal auch das Pfarrhaus selbst teilen. Auch die Verwaltung der Landschulen oder die Errichtung von Erbbegräbnissen und Kirchenstühlen in den Kirchen sind Thema. Bei den Disziplinaruntersuchungen gegen Pastoren, Küster und Schullehrer waren Klagen wegen der Vernachlässigung ihrer Amtspflichten oder Streitigkeiten mit der Gemeinde an der Tagesordnung. Und auch der sogenannte "ärgerliche" oder "anstößige" Lebenswandel war wie beim normalen Bauern oder Bürger recht häufig angeklagt, meist wegen Trunksucht, Unzucht und Ehebruch, auch Misshandlung der Familie oder von Schulkindern, Betrug oder Diebstahl.

Der kollegiale Aufbau des Konsistoriums mit der Geschäftsstelle in Rostock und den Räten an verschiedenen Standorten bedeutete umständliche und langwierige Verfahren bis zur Urteilsfindung. Ein Prozess konnte sich leicht über Jahre hinziehen. Hinzu kamen die ständigen Kompetenzkonflikte mit weltlichen und anderen kirchlichen Gerichten. Von Anfang an hatte es zudem diverse Streitigkeiten unter den Konsistorialräten selbst gegeben, um Sitzverteilung und Vorrang im Kollegium. Dementsprechend war die Reformierung des Gerichts ein Thema bei den Verhandlungen zwischen den Landständen (Rittergutsbesitzer und Städte) und Herzog Christian Ludwig II. zum Landesgrundgesetzlichen Erbvergleich von 1755. In der Folge wurden bis 1842 die Zuständigkeiten des Konsistoriums sukzessive beschnitten, so dass es 1780 zu dem eingangs erwähnten Kommentar des Konsistorialrats Kessler kam. Weitere Einschränkungen gab es durch die Gründung des Oberkirchenrats zu Beginn des Jahres 1850. Disziplinarsachen gegen Geistliche verblieben im 19. Jahrhundert als Kerngeschäft des Kirchengerichts. Als das herzogliche Konsistorium 1924 endgültig aufgehoben wurde, war nicht mehr viel übrig von der ursprünglich so einflussreichen Kirchenbehörde aus der Stiftungsurkunde von 1571.

Kathleen Jandausch


Quellen:

LHAS, 1.5-1 Kirchenurkunden, Generalia, Nr. 40 (Bild).

LHAS, 2.25-1 Konsistorium und Oberes Kirchengericht zu Rostock, Nr. 5702: Voten der Konsistorialräte (Zitat).

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