Spanische Uniformknöpfe - Zeugen einer Episode der Napoleonischen Kriege

Fund des Monats März 2017

Abb. 1: Boizenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Uniformknopf des Kavallerie-Regiments Algarve. Kupferlegierung mit aufgelegtem geprägtem Silberblech, ca. 17 mm, 1,78 g. Details anzeigen
Abb. 1: Boizenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Uniformknopf des Kavallerie-Regiments Algarve. Kupferlegierung mit aufgelegtem geprägtem Silberblech, ca. 17 mm, 1,78 g.

Abb. 1: Boizenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Uniformknopf des Kavallerie-Regiments Algarve. Kupferlegierung mit aufgelegtem geprägtem Silberblech, ca. 17 mm, 1,78 g.

Abb. 1: Boizenburg, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Uniformknopf des Kavallerie-Regiments Algarve. Kupferlegierung mit aufgelegtem geprägtem Silberblech, ca. 17 mm, 1,78 g.

In jedem Jahr melden Mecklenburg-Vorpommerns ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger zahlreiche Bodenfunde. Darunter sind auch Objekte, die von jüngeren Phasen der Landesgeschichte zeugen und wiederum viele von militärischer Herkunft. Manche von diesen Funden sind besonders, denn sie lassen sich mit bekannten historischen Ereignissen in Verbindung bringen und öffnen so Fenster, die kurze, aber überraschende Blicke auf vergangene Kriegszeiten erlauben. So auch vier Stücke, die bei Prospektionen durch Ricky und Danny Vogt nahe Boizenburg (Elbe) und dem nahen Bahlen zu Tage kamen. Ihre Vorderseiten zeigen ein bzw. zwei Worte. Dabei handelt es sich um die Namen von Regimentern – militärischen Verbänden. Diese Funde können mit Ereignissen der Jahre 1807/1808 in Verbindung gebracht werden.

Damals befanden sich Preußen und Russland – wieder einmal – im Krieg mit dem napoleonischen Frankreich. Von 1806 bis 1808 dauerte der so genannte Vierte Koalitionskrieg, der für Preußen mit der schweren Niederlage bei Jena und Auerstädt begann und im Juli 1807 fast mit seiner Auflösung geendet hätte. Im Zuge dieses Konfliktes forderte Napoleon von dem mit ihm verbündeten Spanien die Entsendung von Hilfstruppen in den Norden des heutigen Deutschland. Dies geschah allerdings auch, um das spanische Heer im eigenen Land zu schwächen. Aus annähernd 15.000 Mann wurde die 'División del Norte' (= Norddivision) aufgestellt. Nach ihrem Kommandeur, dem Herzog de la Romana, nannte man sie auch 'Korps La Romana'. Im Frühjahr 1807 wurde das Korps in Marsch gesetzt. Die Truppen begannen ihren Weg nur gut zur Hälfte in Spanien. Der Rest stand im Königreich Etrurien, einem von 1801 bis 1807 bestehenden französischen Vasallenstaat im heutigen Italien.

Der erste Sammelpunkt der Spanier war Hamburg. Im Sommer 1807 kamen dann Teile von ihnen bei der Belagerung des schwedischen Stralsund zum Einsatz. Der folgende Herbst und Winter wurde in Hamburg und seiner weiteren Umgebung verbracht. Bis hin nach Stade, Rendsburg und Parchim quartierte man sie, wie damals allgemein üblich, in zivilen Gebäuden ein. Allerorts erregten sie dabei das Interesse und die Zuneigung der Anwohner – durch ihre exotische Erscheinung, aber auch durch ihr vergleichsweise freundliches und bescheidenes Auftreten. Es kann als sicher gelten, dass die vorgestellten vier Uniformknöpfe im Zuge dieser Ereignisse in den Norden gelangten.

Ein Stück von Boizenburg ist mit CAVALL.A ALGARBE beschriftet (Abb. 1). Es lässt sich einer Einheit der Kavallerie zuweisen, dem Regiment 'Algarbe' der Linien-Kavallerie (Cavalleria = Caballeria de Línea). Sein Name weist, in leicht abweichender Schreibweise, auf die namensgebende Region Algarve ganz im Südwesten der Iberischen Halbinsel hin. Knöpfe des vorliegenden Modells wurden der Literatur zufolge von 1800 bis 1804 produziert.

Das Kavallerie-Regiment Algarve war Teil des Korps La Romana. Unter den zeitgenössisch von den Brüdern Suhr angefertigten Abbildungen fremder Truppen in Hamburg finden sich Offiziere, Soldaten und Trossangehörige dieser Einheit (Abb. 2). In Boizenburg und Umgebung war das Regiment jedoch nicht stationiert. Es lag erst in den Vierlanden (Stichtag 15. September 1807), dann in Stade (Stichtag 15. Dezember 1807) und Harburg (Stichtag 1. März 1808). So steht zu vermuten, dass der vorliegende Knopf am ehesten bei einem Durchmarsch oder einer ähnlichen Gelegenheit mit kurzem Aufenthalt nach Boizenburg kam.

Die drei anderen Stücke sind mit REYNA (= Reina = Königin) beschriftet (Abb. 3). Geborgen wurden sie bei Boizenburg und dem nahen Bahlen. Funktionsbedingt sind die beiden unterschiedlichen Durchmesser von ca. 22 mm (1x) und ca. 15 mm (2x). In diesen Fällen genügt die Beschriftung allein jedoch nicht, um die drei Knöpfe sicher einer Einheit zuzuordnen. In Spaniens Heer führten um 1800 mehrere Regimenter den Namen 'de la Reina' (= [Regiment] der Königin): eines bei der Infanterie und drei bei der Kavallerie. Laut Literatur nutzten sie alle Knöpfe des vorliegenden Modells. Für die Kavallerie produzierte man sie von 1796 bis 1800, für die Infanterie von 1791 bis 1805. Die Kavallerie sollte Knöpfe in 'Silber' führen (versilbert oder silberfarben), die Infanterie in 'Gold' (vergoldet oder goldfarben). Die Farbe der vorgestellten Stücke war aufgrund ihres Zustands bisher nicht ermittelbar.

Generell problematisch ist, dass sich 1807/08 keines der vier Regimenter 'der Königin' beim Korps La Romana in Norddeutschland befand. Dieser scheinbare Widerspruch könnte sich jedoch relativ gut auflösen lassen. Die 1807 nach Norden gehenden Truppen wurden durch Abgaben anderer Einheiten auf Sollstärke gebracht. Aufschlussreich ist hier, dass das Linienkavallerie-Regiment ('Caballeria de Línea') 'del Rey' (= des Königs) beim Marsch über Burgos Pferde vom Linienkavallerie-Regiment 'de la Reina' erhielt, zu dem die vorliegenden Knöpfe vielleicht gehörten. Nicht zu ermitteln war, ob außer den Rössern auch der ein oder andere bekleidete Reiter das Kommando wechselte. Möglich ist es, ebenso wahrscheinlich sind aber Abgaben alter oder überzähliger Uniformen bzw. von Teilen davon, vielleicht auch durch die Infanterie. Diesen Kreis könnte jedenfalls schließen, dass das Kavallerie-Regiment del Rey im Winter 1807/08 sowie im Frühjahr 1808 nachweislich direkt in Boizenburg und Umgebung einquartiert war.

Wie die vier exotischen Uniformknöpfe einst in den Norden gelangten, lässt sich erklären. Auf welche Weise sie dann an ihre späteren Fundorte kamen, ist dagegen nicht mehr sicher beantworten. Länger genutzte Lagerplätze scheinen dort nicht vorzuliegen. Das im Umfeld geborgene Fundmaterial spricht insgesamt eher dagegen. So bleiben zu viele Möglichkeiten für eine sichere Aussage. Vielleicht gingen die Uniformknöpfe bei Marschpausen verloren, vielleicht aber auch bei Spaziergängen außer Dienst. Genauso gut möglich ist, dass sie vertauscht, verkauft oder verschenkt wurden und später dann mit anderen, düngenden Abfällen vermischt auf die Felder gebracht wurden. Napoleons Hilfstruppen gingen jedenfalls genauso schnell, wie sie gekommen waren. Als sich der Winter 1807/08 dem Ende entgegen neigte, erhielt das Korps La Romana den Befehl, nach Dänemark weiterziehen. Ein neuer, ereignisreicher Abschnitt seiner Geschichte begann.

Arne Homann

Literatur:

Dempsey 2002: Guy C. Dempsey Jr, Napoleon’s Mercenaries: Foreign Units in the French Army under the Consulate and Empire, 1799-1814. London und Pennsylvania, Greenhill Books und Stackpole Books, 2002.

Fallou 1915: Louis Fallou, Le bouton uniforme francais (de l'ancien régime à fin juillet 1914). Colombes (Seine), La Giberne, 1915.

Godchot 1924: [Simon] Godchot, En Danemark: Les Espagnols du Marquis de la Romana; 1807-1808. Paris, Auguste Picard, 1924.

Larrañaga et al. 2012: Ramón Guirao Larrañaga / Francisco Macías Serrano / Miguel Ángel Milián Aragonés, Botones de Uniforme: España, 1791-2011. Montpellier, OMNI D.L., 2012.

Petersen 2009: Henning Petersen (Hrsg.), Da spaniolerne kom: Krig og kulturmøde 1808; En antologi. Højbjerg, Wormianum, 2009.

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