Unheimlicher Beton im Wald bei Malchow, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte

Fund des Monats April 2023

Laserscan des Gesamt­komplexes der Muni­tions­fabrikDetails anzeigen
Laserscan des Gesamt­komplexes der Muni­tions­fabrik

Abb. 1. Mal­chow, Lkr. Mecklen­burgische Seen­platte. Gesamt­komplex der Muni­tions­fabrik. Deut­lich sicht­bar sind die alten Wege­füh­rungen und die um­wall­ten Produk­tions­stät­ten. Mitten durch das Ge­lände führt die Auto­bahn Rostock-Berlin. Der Zu­fahrts­be­reich an der Bun­des­straße liegt außer­halb des Bild­aus­schnittes.

Abb. 1. Mal­chow, Lkr. Mecklen­burgische Seen­platte. Gesamt­komplex der Muni­tions­fabrik. Deut­lich sicht­bar sind die alten Wege­füh­rungen und die um­wall­ten Produk­tions­stät­ten. Mitten durch das Ge­lände führt die Auto­bahn Rostock-Berlin. Der Zu­fahrts­be­reich an der Bun­des­straße liegt außer­halb des Bild­aus­schnittes.

Zunehmend und mit Recht rücken die Hinterlassenschaften der jüngeren Geschichte als archäologische Denkmäler in den Blick der Forschung. Obwohl nicht einmal ein Jahrhundert alt, sind bereits viele Spuren verwischt, die letzten Zeitzeugen nicht mehr unter uns und die Archive oft ratlos. Auch wenn buchstäblich Gras oder gar Wald darüber gewachsen sind, verdienen diese Denkmäler denselben Schutz wie die klassischen archäologischen Monumente. Während der Komplex um die Heeresversuchsanstalt Peenemünde (heute Historisch-Technisches Museum) oder der der Erprobungsstelle der Luftwaffe des Dritten Reiches in Rechlin (heute Luftfahrttechnisches Museum) vergleichsweise gut bekannt sind, bleibt die Erinnerung an andere militärische Einrichtungen vorwiegend der lokalen Bevölkerung vorbehalten.

Wer die alte B 192 (heute L 20) zwischen Malchow und Alt Schwerin, Lkr. Mecklenburgische Seenplatte, entlangfährt, dem mögen unweit der Autobahnauffahrt die Ruine einer Brücke und eine mit kleinen Pfeilern gespickte Betonfläche aufgefallen sein. Wer die Gegend näher kennt, weiß von Betonstraßen, die teilweise noch genutzt werden, sich teilweise aber auch im dichten Gestrüpp verlieren. Und dann sind da noch die Ziegelbauten der Thälmannsiedlung und die Wohnhäuser am Westrand der Stadt Malchow nördlich des Biestorfer Weges. Schließlich stößt man im Wald zwischen Malchow und Plauer See auf zahllose Betonreste. Es sind die sichtbaren Reste der Munitions- und Sprengstoffwerke in Malchow. An das zugehörige Zwangsarbeiterlager, ein Außenlager des KZ Ravensbrück, erinnert nur noch ein Gedenkstein.

In den 1990er Jahren konnten die Malchower noch Zeitzeugen, ehemalige Angestellte, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, befragen. Informationen über das Gelände der Munitionsfabrik blieben jedoch rar und fragmentarisch; Baupläne und andere Unterlagen über das Werksgelände sind verloren. Das Malchower Werk, das zur DAG (Dynamit-Aktien-Gesellschaft) gehörte, wurde seit 1938 errichtet. Obwohl die Bauarbeiten noch bis 1943 andauerten, verließen bereits 1939 die ersten fertigen Bomben das Werk. Es verfügte über eine gewaltige und dennoch versteckte Infrastruktur: ein Kraftwerk, das 20 t Steinkohle pro Stunde verschlang, eine eigene Wasseraufbereitung und natürlich ein Sicherheitssystem aus Zäunen und Posten.

An der Bahn befand sich der Kohlelagerplatz – die bereits erwähnte Betonfläche neben der Bundesstraße. Ein Gleis überquerte auf der Brücke die Chaussee und führte zu einem Güterbahnhof. Weitere Gleisanlagen erschlossen in weiten Bögen das rund 250 ha große Gelände, das heute von der Autobahn BAB 19 geteilt wird.

Von der Malchower Westsiedlung führte eine Betonstraße in den nördlichen Teil des Geländes. Erkennbar sind drei Trassen, die vom Pumpwerk am Petersdorfer See zum Werksgelände führten. Die Abwässer klärte man in einem Becken unmittelbar am Plauer See. Insgesamt passte man sich bei den Bauten an die Topografie des Geländes an, um möglichst unauffällig zu sein. Die Produktionsstätten waren mit Wällen umgeben und mit einigem Abstand voneinander angelegt, um bei Unglücksfällen nicht die gesamte Anlage zu gefährden.

Die Fabrik stellte am 30. April 1945 ihre Arbeit ein; am 2. Mai wurde sie von der Roten Armee besetzt und in den folgenden Jahren demontiert und gesprengt. Das Zwangsarbeiterlager verschwand gleich nach dem Krieg. Geblieben ist die aus Ein- und Mehrfamilienhäusern errichtete Westsiedlung Malchow, die bis zum Kriegsende nur zu einem Bruchteil vollendet war, dann aber nach den alten Plänen weiter ausgebaut wurde. Ebenso erhalten sind die ehemaligen Verwaltungsgebäude auf halber Strecke zwischen Malchow und Alt Schwerin, die man heute unter dem Namen "Thälmann-Siedlung" kennt.

Trotz der umfangreichen Zerstörungen zeigen die Luftaufnahmen von 1953 und der aktuelle Laserscan noch viele Einzelheiten der nach militärischen Gesichtspunkten errichteten Produktionsanlagen. Um dieses Relikt und Mahnmal einer dunklen Zeit zu verstehen, bedarf es allerdings weiterer Forschungen.

Dr. Fred Ruchhöft

Literatur

Alfred Nill, Das Munitions- und Sprengstoffwerk in Malchow (Meckl.) 1938–1945. Malchow 1995.

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