Haus mit Perle: Highlights aus einer wandernden Siedlung an der Stecknitz-Niederung bei Nostorf, Lkr. Ludwigslust-Parchim

Fund des Monats September 2021

Abb. 1. Nostorf, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Grundriss des Langhauses während der Freilegung. Die Pfostengruben zeichnen sich als dunkle Verfärbungen im hellen Boden ab.Details anzeigen
Abb. 1. Nostorf, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Grundriss des Langhauses während der Freilegung. Die Pfostengruben zeichnen sich als dunkle Verfärbungen im hellen Boden ab.

Abb. 1. Nostorf, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Grundriss des Langhauses während der Freilegung. Die Pfostengruben zeichnen sich als dunkle Verfärbungen im hellen Boden ab.

Abb. 1. Nostorf, Lkr. Ludwigslust-Parchim. Grundriss des Langhauses während der Freilegung. Die Pfostengruben zeichnen sich als dunkle Verfärbungen im hellen Boden ab.

Östlich der Stecknitz-Niederung wird zwischen Zweedorf und Nostorf (Landkreis Ludwigslust-Parchim) seit vielen Jahren Kies abgebaut. Zur Erweiterung der Tagebaufläche fand im August und Oktober 2019 eine archäologische Rettungsgrabung statt, bei der auf etwa 1,7 ha Fläche 1270 Befunde aus der späten Bronze-, der frühen Eisenzeit sowie der römischen Kaiserzeit dokumentiert wurden. Zusammen mit den bereits früher dokumentierten Befunden auf einer benachbarten Fläche ergibt sich das Bild einer durchgehenden Besiedlung von der jüngeren Bronzezeit bis in die jüngere römische Kaiserzeit, wobei die Siedlungen offenbar regelmäßig aufgegeben und an einem neuen Standort in geringer Entfernung wieder errichtet wurden ("Wandernde Siedlungen").

Auf einer Geländekuppe in der Untersuchungsfläche 2019 konnte ein zweischiffiges Langhaus dokumentiert werden (Abb. 1). Die rudimentären Reste zweier nördlich und südlich davon gelegener Langhäuser zeigten, dass es nicht isoliert stand. Sein fast vollständiger Grundriss war 19 m lang und 5,2 m breit, Nordost-Südwest orientiert und durch zwei Nord-Süd verlaufende Querriegel gegliedert. Im Westteil fanden sich mehrere Pfostengruben, die auf eine teilweise Dreischiffigkeit dieses Gebäudeteils hinweisen. Das Mittelsegment des Hauses besaß nur einen dezentral gelegenen Pfosten, in seiner Osthälfte ließen sich zwei dicht nebeneinander stehende Mittelpfosten ausmachen. Eingänge könnten sich z. B. an der südöstlichen Langseite des Hauses befunden haben, in der es zwei größere Lücken (0,7 und 0,8 m breit) zwischen den Pfostengruben gibt. Im Hausbereich selbst ließen sich nur untypische, nicht näher zu datierende keramische Funde bergen. Da es im Grundriß den Häusern aus dem unmittelbaren Nachbarfundort Zwee­dorf 4 ähnelt, welche dort jüngerkaiserzeitlich datieren, kann diese Datierung jedoch mit aller gebotenen Vorsicht auch für das hier vorgestellte Langhaus angenommen werden.

Besondere Beachtung verdient eine parallel zur südöstlichen Hauswand verlaufende Reihe aus 18 kleinen Pfostengruben, die den Verlauf eines Stakenzaunes dokumentiert (Abb. 2). Dieser Zaun ließ sich über eine Länge von 6,9 m verfolgen und reichte im Westen etwas über die südöstliche Hausecke hinaus.

Aus dem Oberboden über dem Hausgrundriß stammt eine auffällige Perle aus durchscheinendem, leicht bläulichem Glas (Abb. 3). Sie ist stark gerippt, etwas unsymmetrisch geformt und besitzt einen konischen Querschnitt. Die Enden der sieben Rippen waren ursprünglich alle mit sogenannten Schichtaugen verziert. An den drei komplett erhaltenen Rippen bestehen sie aus einer Schicht braunen, undurchsichtigen Glases, auf die eine rundliche Auflage aus gelbem Glas aufgesetzt ist. Fundstücke dieses Typs werden als "konische Wirtelperlen mit starker Rippung" bezeichnet. Sie gehören einerseits zur spätkaiserzeitlich-völker­wanderungszeitlichen Frauentracht und sind dort Bestandteil von Gürtelgehängen, andererseits erlauben beispielsweise die Befunde im Moor von Nydam auch eine Interpretation als Schwertanhänger oder Schwertperlen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Perlen eher an der Schwertscheide oder auf dem Schwertgurtriemen befestigt waren als frei baumelnd am Schwertgriff. Die Eisenkorrosionsspuren im Loch der Nostorfer Perle deuten ganz konkret auf eine Befestigung mit einem Eisenstift oder -niet hin.

Wirtelperlen dieses Typs mit einem Durchmesser von mindestens 24 mm treten im Laufe der Stufe C3 des elbgermanischen Kulturbereichs auf und sind verstärkt in der frühen Völkerwanderungszeit anzutreffen. Sie lassen sich noch bis in das 7. nachchristliche Jahrhundert nachweisen. Die Exemplare mit Augenzier sind bereits ab der jüngeren römischen Kaiserzeit (Stufe C3) zu finden und umfassen bisher knapp 40 Exemplare. Sie treten vor allem im nord- und süddeutschen Raum, besonders in Baden-Württemberg, auf.

Dr. Andreas Selent

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