Ein Todesfall und zwei Heiraten - Herzog Magnus II. von Mecklenburg (1441–1503) und Herzogin Sophie von Pommern (†1504) gingen lieber auf Nummer sicher

Archivalie des Monats Februar 2023

Gesiegelter Brief Kardinaldiakon Franziskus an Herzogin Sophie von Pommern aus dem Jahr 1486 (Text und Übersetzung im Artikel))Details anzeigen
Gesiegelter Brief Kardinaldiakon Franziskus an Herzogin Sophie von Pommern aus dem Jahr 1486 (Text und Übersetzung im Artikel))

Mit diesem Brief teilte 1486 der Kardinaldiakon Franziskus von Siena der Herzogin Sophie mit, von Papst Innozenz VIII. eine Dispens von ihrem Gelübde erwirkt zu haben, sich nach dem Tode ihres ersten Gatten nicht wieder zu verheiraten (Quelle: LHAS, 1.1-15, Nr. 78).

Mit diesem Brief teilte 1486 der Kardinaldiakon Franziskus von Siena der Herzogin Sophie mit, von Papst Innozenz VIII. eine Dispens von ihrem Gelübde erwirkt zu haben, sich nach dem Tode ihres ersten Gatten nicht wieder zu verheiraten (Quelle: LHAS, 1.1-15, Nr. 78).

Sophie, die erste und einzige Gemahlin Herzog Magnus‘ II., entstammte dem pommerschen Herzogshaus. Sie war eine Tochter Erichs II., Herzog von Pommern-Wolgast und -Stettin (1427-1474), und Sophias, Herzogin von Pommern-Stolp (1435-1497). Im Jahre 1472 vereinbarten ihr Vater und dessen Bruder Wartislaw X. (†1478) mit Heinrich IV., Herzog zu Mecklenburg (1417–1477), und dessen Söhnen Albrecht VI. (1438-1483), Johann VI. (1439-1474) und Magnus II. für sie die Eheschließung mit Johann VI. Das eheliche Beilager, ein öffentlicher ritueller Akt, bei dem Braut und Bräutigam nacheinander in ein festlich hergerichtetes Ehebett geleitet und gemeinsam mit einer Decke bedeckt werden sollten, wurde für den 29. September 1474 vereinbart. Doch dazu kam es nicht, weil Johann zuvor verstarb. Da beide Fürstenhäuser weiterhin ein politisches Bündnis anstrebten und es durch verwandtschaftliche Bindung befestigen wollten, verlobte sich nun Johanns jüngerer Bruder Magnus II. mit Sophie. Wie der Beichtvater und Lesemeister des Klarissinnenkonvents Ribnitz, Lambert Slaggert (†1533), in seiner 1522/23 verfassten niederdeutschen Chronik des Klosters berichtet, sei die Ehe zwischen Magnus und Sophie noch 1474 in Stettin geschlossen worden. Obwohl Slaggert durch Sophies älteste Tochter Dorothea (†1537), die dem Kloster Ribnitz seit 1498 als Äbtissin vorstand, über Informationen aus erster Hand verfügt haben dürfte, hat die historische Forschung seine Angaben zur Hochzeit von Magnus II. und Sophie in Stettin bislang stets verworfen, weil andere Quellen eine Heirat erst für das Jahr 1478 in Anklam bezeugen. Zwar hat sich Slaggert mit dem Jahr der Hochzeit vertan, doch mit einer früheren ersten Eheschließung an sich dürfte er Recht haben. Zwei Dokumente, eines aus den vatikanischen Archiven, das andere aus dem Landeshauptarchiv Schwerin, bestätigen das indirekt.

Mit ihrer Heirat verstießen die beiden fürstlichen Eheleute nämlich gegen geltendes Kirchenrecht, denn Sophie hatte ja zuvor dem älteren Bruder, also einem Blutsverwandten von Magnus, die Ehe versprochen. Obwohl Johann noch vor der Hochzeit gestorben war, hatte nach kirchlicher Rechtsauffassung bereits ihr wechselseitiges Gelübde dessen Bruder Magnus zu Sophies Schwager gemacht. Zwischen ihr und Magnus gab es demnach eine Quasiaffinität, so dass für ihre Ehe das Hindernis der öffentlichen Ehrbarkeit (impedimentum publicae honestatis) bestand. Folglich betrachtete man die Ehe zwischen Magnus und Sophie als illegitim und darin geborene Kinder als nicht erbberechtigt. Nur der Papst konnte dieses sogenannte trennende Ehehindernis ausräumen, weil er selbst als höchste Quelle des kanonischen Rechts galt.

Deshalb wendeten sich Magnus und Sophie mit einer entsprechenden Bittschrift (Supplik) an die Kurie. Darin gestanden sie ein, einander geheiratet zu haben, obwohl sie wussten, dass Sophie zuvor Magnus‘ Bruder Johann die Ehe versprochen hatte. Doch versicherten sie, dass Johann verstorben sei, ohne ihr jemals beigewohnt oder einen Versuch dazu unternommen zu haben. Die Ehe konnte demnach als nicht vollzogen betrachtet werden. Auf sein Bittschreiben erhielt das Paar eine auf 28. April 1478 datierte päpstliche Dispens, eine Befreiung vom vorliegenden Ehehindernis. Da sie in Kenntnis des Umstands dennoch geheiratet hatten, war die Dispens allerdings erst ab diesem Zeitpunkt wirksam. Um rechtsgültig zu sein, musste die Ehe daher erneut geschlossen werden. Deshalb heiratete Magnus Sophie im Mai 1478 in Anklam ein zweites Mal.

Doch damit waren noch nicht alle Hindernisse für ihre Ehe aus dem Weg geräumt. Als Herzog Magnus Anfang des Jahres 1486 wegen der Rostocker Domfehde (1483-1492) nach Rom gereist war, unternahm er wiederum einen Versuch, mit Hilfe des Papstes ein Problem aus seiner Ehe zu lösen. Die Vermittlung seines Anliegens übernahm der "Beschützer der deutschen Nation" (Protector nacionis Gemaniae) in Rom, der Kardinaldiakon von Sant’Eustachio Francesco Todeschini-Piccolomini, der am Ende seines Lebens als Pius III. (†1503) für einen knappen Monat selbst Papst war. Wie er in seinem Gnadenbrief berichtet (Abb.), brachte der Kardinal dem seit zwei Jahren amtierenden Papst Innozenz VIII. (1484-1492) zur Kenntnis, dass Sophie gegenüber ihrem verstorbenen ersten Gatten das Gelübde abgelegt hatte, sich nicht wieder zu verheiraten. Von seiner Heiligkeit habe er jedoch die Erlaubnis erlangt, sie von ihrem Gelübde zu lösen und sie auch von der Buße, die ihr für den Bruch dieses Versprechens auferlegt worden war, zu befreien. Anstelle der Buße habe ihr der Pontifex nun aber aufgetragen, jedes Jahr aus Liebe zu Gott drei Arme mit weißem Wolltuch im Gedenken an die Jungfrau Maria zu kleiden. Der doppelte symbolische Bezug auf die Reinheit, die Sophie durch den Bruch ihres ersten Verlöbnisses in den Augen des Papstes verloren hatte, ist deutlich erkennbar. An ihre Sünde sollte sie durch die lebenslange barmherzige Tat an den Armen erinnert werden.

Wolfgang Eric Wagner

Regest

1486 April 3, Rom

Franziskus von Siena, Kardinaldiakon von Sant’Eustachio, teilt der Herzogin Sophie von Stettin und Mecklenburg mit, dass er auf Bitten ihres Gatten, des Herzogs Magnus zu Mecklenburg, von Papst Innozenz VIII. eine Dispens von ihrem Gelübde erwirkt hat, sich nach dem Tode ihres ersten Gatten, Johann, des Magnus Bruder, nicht wieder zu verheiraten. Anstelle einer früheren Buße wird ihr auferlegt, jedes Jahr aus Liebe zu Gott drei Arme mit weißem Wolltuch im Gedenken an die Jungfrau Maria zu kleiden.

Transkription

FRANCISCUS, miseratione divina sancte Romane ecclesie sancti Eustachii diaconus cardinalis Senensis, illustrissime domine Sophię ducisse Stheythenensis et Monopolensis salutem in domino. Noverit excellentia vestra, quod illustrissimus princeps, dominus Magnus, dux Monopolensis, coniunx vester, nos instanter rogavit, ut votum, quod post amortem primi sponsia vestri de servanda continentia excellentia vestra emiserat tamen solemniter sanctissimo domino nostro, domino Innocentio pape octavo, moderno summo pontifici aperiremus et quod (non obstante voto hiusmodi) cum ipso illustrissimo domino Magno, duce Monopolensis ipsius primi sponsi Germano, bcum dispensatione apostolica postea contraxistis, ut sua sanctitas pro serenitatis conscientiae vestrae dignaretur super voto huiusmodi dispensare et pro reatu vos absolvere imposita penitentia salutari. Quo circa sua sanctitas (ut saluti anime virtute more pii pastoris benigne consuleret) premissis precibus inclinat vive vocis oraculo cum excellentia vestra super voto predicto dispensavit et a reatu huiusmodi etiam vos misericorditer absolvit, ita tamen quod excellentia vestra loco penitentie quolibet anno tres pauperes amore dei de panno lane albe in memoria beate Marie virginis vestire teneatur. Sicuti oreremus excellentia vestra ab ipso illustrissimo duce poterit et audire. Et quia cinter prefatum sanctissimum dominum nostrum et ipsum illustrissimum ducem, consortem vestrum, interpretes fuimus et predicta presentes composuimus et audivimus ea omnia excellentie vestre per nostras litteras nostra manu subscriptas et sigillo signatas notificamus et insinuamus ad laudem dei. Amen. Datum Rome, in domibus nostris, die tertia aprilis, anno domini millesimo quadringentesimo octuagesimo sexto, pontificatus sanctissimi domini nostri prefati ~ mmpmm, anno ~ ~ nmmgnm ~ ~ secundo ~.

Vestre excellentiae Franciscus, cardinalis Senensis manu propria subscripsi.

Andreas Lucentinus de Piccolominibus

a-a unterstrichen; am linken Rand: is fuit Joannes, huius Magni frater. – b davor von anderer Hand übergeschrieben: quod. – c davorstehendes zweites inter als zu löschen gekennzeichnet. – d-d von anderer Hand geschrieben.

Umschrift des unten aufgedrückten Papiersiegels:

S · FRANCISCI · SCI · EVSTACHII · DIACONI · CARDINALIS · SENEN · (Sigillum Francisci sancti Eustachii diaconi cardinalis Senensis)

Übersetzung:

Franziskus von Siena, durch göttliche Barmherzigkeit Kardinaldiakon der Heiligen römischen Kirche des Hl. Eustachius, [sendet] der erlauchten Herrin Sophia, Herzogin von Stettin und Mecklenburg, einen Gruß im Herrn. Eure Exzellenz möge wissen, dass der erlauchte Fürst, Herr Magnus, Herzog von Mecklenburg, euer Gemahl, uns dringend gebeten hat, dass wir das Gelübde, Enthaltsamkeit zu wahren, das eure Exzellenz nach dem Tod eures ersten Gatten gleichwohl feierlich geleistet hat, unserem Heiligen Herrn, Papst Innozenz VIII., dem nunmehrigen höchsten Priester eröffnen sollten und dass ihr (ungeachtet dieses Gelübdes) mit selbigem erlauchten Herrn Magnus, Herzog von Mecklenburg, dem Bruder des ersten Gatten, mit päpstlicher Erlaubnis danach die Ehe geschlossen habt, damit Seine Heiligkeit es zur Beruhigung eures Gewissens erlaube, euch von diesem Gelübde zu befreien und euch von der Heil bringenden Buße, die euch für diese Sünde auferlegt wurde, zu lösen. Darum hat sich Seine Heiligkeit (damit er auf das Heil der Seele nach Tugend und Art eines frommen Hirten gütig bedacht sei) den vorangeschickten Bitten geneigt, eure Exzellenz durch einen mündlichen Urteilsspruch von dem genannten Gelübde befreit und euch auf diese Weise auch barmherzig von der Schuld gelöst, allerdings so, dass eure Exzellenz anstelle der Buße gehalten ist, jedes Jahr drei Arme aus Liebe zu Gott im Gedenken an die Jungfrau Maria in weißes Leinentuch zu kleiden, so wie wir es auch für eure Exzellenz ersucht haben und es von selbigem erlauchten Herzog vernommen werden konnte. Und weil wir zwischen unserem Heiligen Herrn und selbigem erlauchten Herzog, eurem Gemahl, Vermittler waren und wir auch das vorliegende Schriftstück aufgesetzt und beigestimmt haben, haben wir dies Alles eurer Exzellenz durch unseren Brief, der von unserer Hand unterschrieben und mit einem Siegel versehen ist, zur Kenntnis gebracht und zum Lobe Gottes mitgeteilt. Amen. Gegeben zu Rom, in unseren Gemächern, am 3. April, im Jahre des Herrn 1486, im zweiten Jahr des Pontifikats unseres genannten Heiligen Herrn.

Ich, Franciscus, eurer Exzellenz Kardinal von Siena, habe mit eigener Hand unterschrieben.

Andreas Lucentinus Piccolomini

[Übersetzung: Wolfgang Eric Wagner mit Unterstützung durch Bastian Turowski]

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