Das Photographische Album aus Mecklenburg von A. Mencke & Co. Wandsbek

Archivalie des Monats November 2020

Abb. 1: Gutshaus Neperstorf um 1870, Frontseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 696)Details anzeigen
Abb. 1: Gutshaus Neperstorf um 1870, Frontseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 696)

Abb. 1: Gutshaus Neperstorf um 1870, Frontseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 696)

Abb. 1: Gutshaus Neperstorf um 1870, Frontseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 696)

In den Jahren 1871, 1873 und 1874 klagte der Verlag A. Mencke & Co. aus Wandsbek bei Hamburg vor den großherzoglichen Justizkanzleien gegen die Besitzer der mecklenburgischen Güter Goldebee, Neperstorf und Niekrenz wegen Schuld. Sie resultierte, soviel sei hier angedeutet, jeweils aus der Nichteinhaltung einer Vereinbarung über das Abonnement des "Photographische[n] Album[s] aus Mecklenburg". Es beinhaltete Aufnahmen von Schlössern, Parkanlagen und vor allem Herren- bzw. Gutshäusern. Letztere verkörperten im Übrigen keinesfalls immer Bauwerke von palaisähnlichen Dimensionen, vielmehr war die relative Schlichtheit des hier beispielhaft abgebildeten Hauses in Neperstorf bei Warin gar nicht so untypisch. Während über den Verlag einigermaßen sichere Erkenntnisse vorliegen, gilt für das "Album" eher das Gegenteil.

Abb. 2: Gutshaus Neperstorf um 1870, Rückseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 697/1)Details anzeigen
Abb. 2: Gutshaus Neperstorf um 1870, Rückseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 697/1)

Abb. 2: Gutshaus Neperstorf um 1870, Rückseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 697/1)

Abb. 2: Gutshaus Neperstorf um 1870, Rückseite (LHAS, 13.3-1, Nr. 697/1)

Unstrittig an dieser durchaus bedeutenden landesgeschichtlichen Momentaufnahme ist, dass sie aus sogenannten Albumin-Abzügen besteht. Dafür wurde das Fotopapier mit Eiweiß (Albumin) beschichtet, um eine detailscharfe Wiedergabe der fotografierten Motive zu ermöglichen. Anders als vom Begriff "Album" her womöglich anzunehmen, handelte es sich jedoch weniger um ein gebundenes Opus als vielmehr um eine gemappte Sammlung loser Einzelbilder. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass unter den wenigen bekannten Überlieferungen von nennenswertem Umfang lediglich die 92 Fotografien im Kölner Museum Ludwig als "Photographisches Album aus Mecklenburg" tituliert sind. Die mecklenburgischen Aufnahmen von Mencke & Co. gelten als Pilot- und damit auch als Prestigeprojekt für weitere deutsche Landschaftsserien. Vergleichbare Verlagsprodukte sind für Hessen, Preußen, Sachsen und Thüringen bekannt sowie für Böhmen und die Schweiz nachweisbar. Landschaftsübergreifend hält beispielsweise die Österreichische Nationalbibliothek etwa 600 Ansichten aus dem Verlag Mencke & Co. vor.

Konzeption, Hintergründe, Verfahrens- bzw. Verbreitungsweise, Entstehungszeitraum und selbst die Anzahl der mecklenburgischen Fotografien bleiben bis dato bestenfalls indifferent. Der Verlag, d.h. dessen mit der Witwe des Verlagsgründers August Mencke verehelichter Leiter Ernst Mevert, begann die Realisierung des Mecklenburg-Projektes im zweiten Halbjahr bzw. im letzten Quartal 1865. Angelegt als "treues Abbild des gegenwärtigen Grundbesitzes" wurde es durch Landmarschall von Maltzahn auf Groß Luckow, Graf Bassewitz auf Burg Schlitz, Graf Plessen-Ivenack und einige weitere mecklenburgische Adlige protegiert. Um dem erhobenen Anspruch gerecht zu werden, beinhaltete die ursprüngliche Verlagsidee, die Fotografien "von einem belletristisch-historischen Reisewerk begleite[n]" zu lassen. Dafür beabsichtigte "der Verfasser auf einer Rundreise mit den Photographen das Material [zu] sammeln. Historische und topographische Notizen über Gegenden, Städte und Landsitze, sowie Sagen und Volkslieder, die denselben eigenthümlich, würden […] dem Verfasser von großem Nutzen sein."

Allerdings nahm Mencke & Co. von der Reisereportage bald Abstand. Vielmehr wurde zu Jahresbeginn 1866 nachdrücklich versucht, in Schwerin Archivrat Friedrich Lisch und Hofrat Friedrich Wedemeier für einen begleitenden Textband zu gewinnen. Ausgerechnet die beiden renommierten Autoren, die zwischen 1860 und 1862 mit der Leipziger Verlagsbuchhandlung Dyk ein "Album mecklenburgischer Schlösser und Landgüter" mit nach Zeichnungen gestochenen Ansichten und damit ein Konkurrenzprodukt auf den Markt gebracht hatten. Nahezu folgerichtig lehnte der Letztgenannte seine Mitwirkung, von zeitlichen Gründen ganz abgesehen, mit "meinem Verhältnisse zu dem Leipziger Album" ab. Diese Entwicklung dürfte dem Wandsbeker Verlag wenig genehm gewesen sein, hatte er doch bereits vor dem Jahreswechsel 1865/66 die ersten Blätter seines "Photographische[n] Album[s]" erscheinen lassen. In der 1867 an eingangs genannte Gutsbesitzer adressierten Werbung spielte ein Textband dann schon gar keine Rolle mehr.

Vielmehr wurden die mecklenburgischen Herren damit geködert, jeder Abonnent erwerbe "einen Platz im Album für seinen Besitz, sowie den Anspruch auf einen Besuch unserer Photographen zu Privataufnahmen (von Menschen, Thieren, Gebäuden, Zimmern etc.) zu den niedrigsten Atelier-Preisen. Die für das Album erforderlichen Aufnahmen werden auf unsere eigenen Kosten gemacht." Dieses Präsenzrecht erhielten Subskribenten des Gesamtwerkes "für ihre sämmtlichen Besitzungen", Subskribenten eines Jahrganges für eine Ansicht in dem betreffenden Jahrgang. Schließlich kam noch die Auswahl-Subskription in Frage, d.h. die Verpflichtung zur Abnahme von wenigstens vier Blättern der monatlich vorgesehenen Lieferungen von zunächst 7-8 und später 5-8 Blättern. In jedem Fall lockten nicht unerhebliche Preisnachlässe, die bis zur Hälfte der Einzelblattkosten betragen konnten.

Die einzelnen Lieferungen, die im Übrigen keineswegs monatlich erfolgten, lassen sich in sechs Jahrgängen sicher nachweisen. Unklar ist jedoch, ob zwischen 1868 und 1874 neue Aufnahmen entstanden oder ob auf bereits vorher entstandenes Material zurückgegriffen wurde. Als gesichert kann die Zahl von etwa 400 abgelichteten Objekten gelten, von denen viele aus mehreren Perspektiven aufgenommen wurden. Als gesichert kann auch die Einbindung der Schweriner Verlagsdruckerei Bärensprung in den Vertrieb der Einzelblätter gelten. Unklar ist hingegen noch, ob das vor oder nach der Insolvenz von Mencke & Co. in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre erfolgte.

Dr. Matthias Manke

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